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Russland streut Nazi-Märchen über deutsche Politiker: Das ist der Grund


"Machen auf keiner Ebene Sinn"
Darum streut Russland Nazi-Märchen über deutsche Politiker

dpa, t-online, M. Kerres, S. Schramm, M. Fleischmann

Aktualisiert am 09.05.2022Lesedauer: 3 Min.
Olaf Scholz mit dem falschen Großvater: Eine Bildersuche liefert zahlreiche Treffer zu der Kombination.Vergrößern des BildesOlaf Scholz mit dem falschen Großvater: Eine Bildersuche liefert zahlreiche Treffer zu der Kombination. (Quelle: Screenshot Yandex)
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In seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Russland seine Propagandamaschine hochgefahren. Nun kursieren Bilder, die eine Nazi-Vergangenheit deutscher Politiker belegen sollen. Ein Experte erklärt die Hintergründe.

Um die russische Invasion in die Ukraine zu rechtfertigen und deutsche Politiker in ein schlechtes Licht zu rücken, werden einigen in sozialen Netzwerken Verwandte mit angeblicher Nazi-Vergangenheit angedichtet. Auf Bildkombinationen, die in Netzwerken kursieren, sind etwa Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach oder Bundeskanzler Olaf Scholz neben Mitgliedern der SS (Schutz-Staffel) zu sehen. Behauptet wird, die abgebildeten Nationalsozialisten seien die Großväter der Politiker.

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Ziel der verbreiteten Bilder sei nicht nur, Politiker zu diskreditieren. Es gehe auch darum, die Argumentation zu stützen, mit der Moskau seinen Überfall auf die Ukraine zu rechtfertigen versucht, erklärte der Politikwissenschaftler Josef Holnburger der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er ist einer der Geschäftsführer des CeMAS (Centers für Monitoring, Analyse und Strategie) in Berlin, das in sozialen Medien unter anderem Radikalisierungstendenzen und die Verbreitung von Verschwörungserzählungen beobachtet.

Massiv gestreut wurden die Bildkombinationen über den Messenger Telegram, wo sie allein auf einem prorussischen, deutschsprachigen Kanal fast 290.000-mal aufgerufen wurden. Damit werde die Kriegspropaganda der russischen Regierung aufgegriffen und sogar weitergedreht, so der Politikwissenschaftler. Eine angebliche Entnazifizierung müsse demnach "nicht nur in der Ukraine, sondern sogar in ganz Europa erfolgen".

Experte: "Verbindungen machen auf keiner Ebene Sinn"

Dass gerade Nationalsozialisten für die Bildkombinationen verwendet wurden, erklärt sich Holnburger so: Es solle eine "bösartige Gruppe" dargestellt werden, der zum Erreichen ihrer Ziele ein umfassender Machtapparat zur Verfügung stehe. Durch den vermeintlichen NS-Bezug würden die Politiker verunglimpft. Ein Verbreiter der Bilder könne damit "die eigene Position umso mehr als das vermeintlich Gute darstellen", sagt Holnburger.

Der Urheber der Bilder habe wohl über ähnlich klingende Namen eine vermeintliche Verbindung zwischen deutschen Politikern und NS-Führungspersonen herstellen wollen. "Allerdings machen diese Verbindungen auf keiner Ebene Sinn", so der Wissenschaftler.

Diese Politiker sind betroffen

Karl Lauterbach: Dem Gesundheitsminister wird in sozialen Netzwerken nachgesagt, sein Großvater sei in der SS gewesen. "Das ist nicht sein Großvater", sagt ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums zu kursierenden Bildern. Der vermeintliche Großvater heißt gar nicht Lauterbach, auf dem Bild neben dem Gesundheitsminister ist Hartmann LauterbachER zu sehen, Stabsführer und stellvertretender Reichsjugendführer der Hitler-Jugend.

Christian Lindner: Eine weitere Bildkombination zeigt eine ältere Aufnahme des Finanzministers Christian Lindner neben Gerhard Lindner. Der war im Zweiten Weltkrieg in der Wehrmacht und im Führungsstab einer SS-Division tätig. Er wird als Großvater des Finanzministers dargestellt. Ein Sprecher des Ministeriums erklärte aber auf dpa-Anfrage, dass die beiden nicht verwandt seien und es sich um Falschinformationen handele. Auch Recherchen im Internet liefern keine Hinweise auf eine vermeintliche Verwandtschaft. Gerhard Lindner wurde 1896 in Bautzen (Sachsen) geboren und starb 1982 im niedersächsischen Aurich. Christian Lindner kam am 7. Januar 1979 in Wuppertal (Nordrhein-Westfalen) zur Welt, wo seine Großeltern väterlicherseits eine Bäckerei hatten.

Olaf Scholz: Der Bundeskanzler ist in einer Bildkombination zusammen mit Fritz von Scholz zu sehen, Generalleutnant der Waffen-SS. Auf Anfrage, ob dieser der Großvater von Olaf Scholz sei, teilte das Bundespresseamt mit: "Das ist völliger Unsinn." Aus Unterlagen im Bundesarchiv, die die dpa eingesehen hat, geht zudem hervor: Fritz von Scholz starb am 28. Juli 1944 und hinterließ keine Kinder. Er wurde in Pilsen (heute Tschechien) geboren und lebte am Wörthersee. Die Großeltern von Olaf Scholz stammen hingegen aus Hamburg und waren Eisenbahnbeamte.

Ursula von der Leyen: Im Fall der EU-Kommissionspräsidentin gibt es zwar einen mit ihrem Großvater namensgleichen SS-Mann: Karl Albrecht. Er wurde nach Kriegsende wegen NS-Verbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt. Von der Leyens Großvater ist aber der 1902 geborene Karl (teils auch: Carl) Eduard Albrecht, der einer einflussreichen norddeutschen Familie entstammt. Albrecht studierte in den 1920er-Jahren Medizin und arbeitete auch zu Kriegszeiten als Arzt. Belege für eine SS-Mitgliedschaft gibt es nicht – weder für ihn noch für seinen Sohn, Ursula von der Leyens Vater Ernst Albrecht. Dieser war von 1976 bis 1990 Ministerpräsident in Niedersachsen.

Dieser Mann steckt hinter der Desinformationskampagne

Nach Recherchen von t-online steckt hinter der Desinformationskampagne ein Mann, der eng mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin verbunden ist und an einer Schlüsselstelle für russische Desinformation sitzt: Jewegeni Prigoschin, auch bekannt als "Putins Koch", weil er seit einem Essen für Putin und den französischen Präsidenten Jacques Chirac 2001 milliardenschwere Catering-Aufträge vom russischen Staat bekommen hat. Lesen Sie hier mehr dazu.

Der Kremlchef erklärt seine "Spezialoperation" in der Ukraine damit, dass diese "entnazifiziert" werden müsse. Beobachter werten diesen Vorwurf jedoch als haltlos, stattdessen sehen sie darin einen Versuch Putins, seinen Angriffskrieg auf das Land zu rechtfertigen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Eigene Recherchen
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