"Gefahr muss heute benannt werden" Militärexperten: So kann der Westen Russland stoppen
Zahlreiche Intellektuelle hatten zuletzt lautstark einen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg gefordert. Militärkenner schlagen nun einen anderen Weg vor.
Mehrere deutsche Wissenschaftler und Militärexperten sehen mit Blick auf den Ukraine-Krieg zum jetzigen Zeitpunkt keinen Spielraum für eine "seriöse diplomatische Lösung". Viel mehr fordern die 22 Autoren in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", "das Niveau und die Quantität westlicher Waffenlieferungen" an die Ukraine zu erhöhen, damit das Land einen "Diktatfrieden" abwenden könne. Sollte die Ukraine dem russischen Angriff unterliegen, sei damit zu rechnen, dass Moskau weitere Kriege plane, "um die europäische Sicherheitsordnung zu zerstören", warnten sie.
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Die Experten sehen dabei auch Mängel in der Kommunikation der Bundesregierung: "Die Bundesregierung sollte ihre mittel- und langfristigen Erwartungen und Ziele verdeutlichen und besser kommunizieren, auf was sie sich vorbereitet. Notwendig ist eine stringente, nachvollziehbare Strategie, die öffentlich vermittelt wird", heißt es in dem Text. Der Misserfolg russischer Truppen zeige, dass der Westen Möglichkeiten habe, auf den weiteren Verlauf des Krieges Einfluss zu nehmen, "die nicht vertan werden dürfen."
Gasmangel könnte Westen spalten
Die Unterzeichner gehen davon aus, dass Russland den Angriff von langer Hand vorbereitet habe. Die Invasion symbolisiere das "Wiederaufleben eines großrussischen Imperialismus": Diese Ideologie ziele nicht nur auf militärische Angriffe auf Nachbarstaaten ab, sondern auch auf "die Zerstörung westlicher Gesellschaften" inklusive der Nato und der EU.
Man sehe die Gefahr, dass Russland in einem länger dauernden Abnutzungskrieg nach anfänglichen Problemen in der Ukraine die Oberhand gewinnt. Diese Strategie könne aber nur gelingen, wenn die westliche Unterstützung gegenüber der Ukraine geschwächt werde, etwa durch das Ende der Lieferung von russischem Gas: "Diese Gefahr muss heute benannt und angegangen werden."
Keine Abhängigkeit mehr von fossiler Energie
Um das zu verhindern, geben die Autoren mehrere Handlungsempfehlungen ab: Dazu gehören weitere Waffenlieferungen, das Aufrechterhalten von Sanktionen und die Stärkung der Nato in Polen und im Baltikum. Generell müsse Europa militärisch stärker werden, da perspektivisch die USA zunehmend im pazifischen Raum und gegen China gefordert sein könnten. Darüber hinaus müsse sich Deutschland auf eine Knappheit von Erdgas einstellen, der Westen müsse mittelfristig von fossiler Energie unabhängig werden.
Zu den Unterzeichnern des Gastbeitrags gehörten unter anderem der Militärexperte und t-online-Videokolumnist Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr in München, der Militärhistoriker Sönke Neitzel von der Universität Potsdam, der Verteidigungs- und Russlandexperte Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations sowie mehrere frühere Generäle der Bundeswehr. Mit ihrem Beitrag widersprachen sie einem offenen Brief deutscher Schriftsteller, Journalisten und Philosophen, die Ende Juni in der Wochenzeitung "Die Zeit" unter dem Titel "Waffenstillstand jetzt!", eine möglichst rasche Beendigung des Krieges gefordert hatten.
- zeitung.faz.net: "Putins Politik nicht belohnen" (kostenpflichtig)
- Nachrichtenagentur dpa