Pressestimmen zum Doppelmord in Washington "Opfer von Terroristen sind keine Terroristen"
Am Freitag beherrscht der Mord an zwei Mitarbeitern der israelischen Botschaft in Washington die internationale Presse. Immer wieder wird Israels Reaktion zum Thema gemacht.
Der tödliche Schusswaffenangriff auf zwei Mitarbeiter der israelischen Botschaft von Washington, den Deutsch-Israeli Yaron Lischinsky und die US-Bürgerin Sarah Lynn Milgrim, ist in der internationalen Presse Thema. Dabei steht auch die Reaktion der israelischen Regierung im Fokus.
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"El Pais": "Der Rückgriff auf Gewalt ist niemals gerechtfertigt."
Die spanische Zeitung "El País" kommentiert so etwa nach einer allgemeinen Verurteilung der Tat: "Die israelische Regierung stellte sofort einen Zusammenhang zwischen dem Verbrechen und einer angeblichen Welle von Antisemitismus her. (...) Außenminister Gideon Saar forderte gar 'die weltweiten Führer, die der palästinensischen Terrorpropaganda erliegen', auf, 'ihre Aufwiegelung gegen Israel zu beenden.'"
Dieser Lesart des Angriffs widerspricht die Zeitung entschieden: Die Aktionen Israels im Gazastreifen "rechtfertigen auch internationale Maßnahmen, um das Blutvergießen sofort zu beenden". "El País" schreibt weiter: "Nichts davon hat jedoch mit Antisemitismus zu tun oder legitimiert auf irgendeine Weise kriminelle Taten wie jene, die in der US-Hauptstadt begangen wurden." Die Zeitung betont: "Der Rückgriff auf Gewalt ist niemals gerechtfertigt."
"Neue Zürcher Zeitung": "Außenpolitik mit der Abrissbirne"
Die konservative "Neue Zürcher Zeitung" aus der Schweiz kommentiert: "Die Netanjahu-Regierung ist dabei, sich zu verrennen. Ohne Not instrumentalisiert sie den Terror für Verbalattacken auf ausländische Partner. Schnell war Netanjahu klar, was die Ursache des unentschuldbaren Angriffs war: Die Schüsse seien mit der 'zügellosen Hetze' gegen Israel zu erklären."
Weiter schreibt die Zeitung: "Vor wenigen Tagen hatten die drei westlichen Staaten mit Konsequenzen gedroht, falls Israel seine Militäroffensive im Gazastreifen nicht einstelle. Ohne Beleg macht ein Minister von Netanjahus Likud-Partei die Staatsführer Kanadas, Großbritanniens und Frankreichs jetzt für die Ermordung zweier israelischer Diplomaten verantwortlich – einen Tag nachdem israelische Soldaten Warnschüsse in Richtung einer diplomatischen Delegation abgegeben hatten. Israel, so scheint es, betreibt derzeit Außenpolitik mit der Abrissbirne."
"La Repubblica": "Opfer von Terroristen sind keine Terroristen"
Die in Rom erscheinende "La Repubblica" legte den Fokus auf die Opfer des Anschlages – und stellt eine Verbindung zu den zivilen Opfern im Gazastreifen her: "Wie immer gilt: Die Opfer von Terroristen sind keine Terroristen und die Opfer von Fanatikern sind keine Fanatiker. Bei den beiden in Washington getöteten israelischen Leuten sind dies: Sarah, eingeschrieben an der Friedensuniversität der Vereinten Nationen und mit einem Master-Abschluss in nachhaltiger Entwicklung; er, Yaron, bezeichnete sich selbst in den sozialen Medien als 'Unterstützer des interreligiösen Dialogs und des Verständnisses zwischen den Kulturen'."
In Bezug auf die zivilen Opfer in Gaza schreibt die italienische Zeitung: "Die Opfer des Terrors im Gazastreifen als "Terroristen" zu bezeichnen, hilft der israelischen Führung zwar, ihr Gewissen zu beruhigen, wäscht jedoch nicht das Blut Tausender unschuldiger Menschen weg, die durch Bomben und durch die Waffen der Soldaten getötet wurden."
Die Zeitung stellt eine Gemeinsamkeit zwischen dem Täter von Washington und der israelischen Regierung her und schreibt: "Sie sind wie Stammesangehörige und glauben, dass die ganze Welt aus Stämmen besteht und es deshalb völlig ausreicht, Jude oder Araber, Israeli oder Palästinenser zu sein, um als Freund oder Feind eingestuft zu werden. Entweder gehörst du zu meinem Stamm oder du gehörst zum feindlichen Stamm und du musst sterben."
Opfer wären dabei immer die normalen Menschen: "Wenn den Fanatiker das Wohl der Menschen interessieren würde, wäre er kein Fanatiker."
"Washington Post": "Politisch motivierte Gewalt darf in den USA nicht toleriert werden"
Die US-amerikanische "Washington Post" setzt einen anderen Fokus als die europäische Presse und thematisiert den steigenden Antisemitismus in den Vereinigten Staaten: "Antisemitismus ist parallel zu den Massenprotesten gegen Israel wegen dessen heftiger Reaktion auf die barbarischen Angriffe der Hamas am 7. Oktober 2023 aufgeflammt. Aber auch vor dem Krieg war der Hass gegen Juden gestiegen."
Der Kommentar verurteilte politische Gewalt: "Es ist wichtig, dass sich jeder klar und deutlich gegen politisch motivierte Gewalt ausspricht. Ob sie aus den ideologischen Sümpfen der Linken oder Rechten kommt, ob sie islamfeindlich oder antisemitisch ist, ob sie sich gegen einen Präsidentschaftskandidaten oder den Chef einer Krankenversicherung richtet: Politisch motivierte Gewalt darf in den USA nicht toleriert werden. Solche Taten müssen (...) mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft werden, damit sie nicht ansteckend werden."
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa