t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikAuslandKrisen & Konflikte

USA: Stoppen sie Waffenhilfe für Israel? Entrüstung über Netanjahu ist groß


Stopp der US-Waffenhilfe für Israel?
Biden zieht die Reißleine


01.03.2024Lesedauer: 5 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
US-Präsident Joe Biden trifft Benjamin Netanjahu kurz nach dem Terrorangriff der Hamas im Oktober 2023 in Israel: Seither hat sich ihre Beziehung aber deutlich verschlechtert.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Joe Biden trifft Benjamin Netanjahu kurz nach dem Terrorangriff der Hamas im Oktober 2023 in Israel: Seither hat sich ihre Beziehung aber deutlich verschlechtert. (Quelle: IMAGO/Avi Ohayon/Israel Gpo/imago-images-bilder)

Die Lage für die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen wird immer dramatischer. Die USA erhöhen nun den Druck auf die israelische Führung. Stoppt US-Präsident Joe Biden sogar die Waffenlieferungen an Israel?

Der Ärger im Weißen Haus über das Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen wächst stetig. Hinter den Kulissen soll US-Präsident Joe Biden regelmäßig über den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu schimpfen, berichtet der US-Sender NBC. So hätten mehrere Personen aus direkten Gesprächen mit dem US-Präsidenten berichtet. Biden habe erklärt, dass Netanjahu ihm "die Hölle heiß macht". Der US-Präsident soll den israelischen Ministerpräsidenten sogar mehrfach als "Arschloch" beschimpft haben. Der Grund: Die USA setzen sich schon länger für eine Waffenruhe im Gazastreifen ein, doch die israelische Führung ignoriert die Forderungen aus Washington.

Der Frust in der Biden-Regierung wird größer, auch weil der Präsident mitten im Wahlkampf innenpolitisch unter Druck gerät. Bei den Vorwahlen im US-Bundesstaat Michigan vergangene Woche gewann Biden zwar erwartungsgemäß, aber Zehntausende Demokraten stimmten mit "unentschieden". Zuvor hatten unterschiedliche Gruppen aus Protest gegen Bidens Nahostpolitik dazu aufgerufen, dem amtierenden Präsidenten die Stimme zu verweigern. Sie fordern einen Waffenstillstand und eine Einstellung der US-Militärhilfen für Israel.

Die militärische Unterstützung ist zweifelsohne das einzige Druckmittel, das Biden aktuell hat. Aber könnten die USA wirklich ihre Waffenlieferungen aussetzen? Bisher ist nur eines klar: Biden zieht Netanjahu die Daumenschrauben an, stellt ein Stoppschild für die israelische Führung auf. So wie bisher soll es nicht weiterlaufen.

"Ich fordere Wahrheit, Gerechtigkeit und Respekt vor dem Völkerrecht"

Wie dramatisch die Lage aktuell ist, zeigt ein Vorfall von Donnerstagmorgen. Um 4 Uhr morgens rollten 30 Laster mit Hilfslieferungen über den Grenzübergang Kerem Schalom in den Gazastreifen. Es ist die größte Lieferung mit Hilfsgütern seit Ausbruch des Krieges. Die israelische Führung möchte damit zeigen, dass sie sich um die Zivilbevölkerung im Gazastreifen kümmert, der größtenteils von der israelischen Armee kontrolliert wird.

Video | Entsetzen nach tödlichem Vorfall in Gaza
Player wird geladen
Quelle: reuters

Doch das ging schief. Auf Satellitenbildern ist zu sehen, wie sich große Gruppen ausgehungerter Menschen um die Lastwagen versammeln. Sie nehmen sich Wasser oder Säcke mit Mehl von den Fahrzeugen. Es bricht Chaos aus.

Was dann geschieht, darüber gibt es von der Terrororganisation Hamas und von der israelischen Armee jeweils unterschiedliche Angaben. Israel gibt auch am Donnerstag bekannt, dass Menschen vom Konvoi überrollt und totgetrampelt wurden. Laut Hamas haben israelische Soldaten auf die Menschenmenge gefeuert.

Unabhängig geprüft werden können die Angaben nicht. Am Ende gibt es Videos von zahlreichen leblosen Körpern, die auf die Ladefläche eines Lastwagens geladen werden. Laut palästinensischen Angaben soll es bis zu 100 Opfer gegeben haben. Klar ist aber nur: Statt Hilfe fanden viele Menschen im Gazastreifen den Tod.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Die internationale Entrüstung ist seitdem groß. Der französische Präsident Emmanuel Macron gibt Israel die Schuld an dem schrecklichen Vorfall. "Tiefe Empörung über die Bilder aus Gaza, wo Zivilisten von israelischen Soldaten angegriffen wurden", schreibt er am Freitag auf der Plattform X. "Ich verurteile diese Schießereien auf das Schärfste und fordere Wahrheit, Gerechtigkeit und Respekt vor dem Völkerrecht." Warum sich Macron so deutlich positioniert, ist unklar, aber es gilt als wahrscheinlich, dass natürlich westliche Geheimdienste genauere Informationen über die Eskalation haben.

Geduld mit israelischer Führung schwindet

Viele andere westliche Staaten sind dagegen zurückhaltender. Unabhängig davon, wer für den Tod der Menschen verantwortlich ist, zeige der Vorfall, dass die Zivilbevölkerung viel besser geschützt werden müsse, erfuhr t-online aus Kreisen europäischer Diplomaten. Ihre Botschaft: Das Fass läuft langsam über, die Geduld mit Israel schwindet – trotz anhaltender Solidarität mit der israelischen Bevölkerung nach dem Terrorangriff der Hamas im Oktober 2023.

Im Angesicht der humanitären Katastrophe im Gazastreifen sehen viele westliche Staaten Israel in der Verantwortung. Im Norden von Gaza herrscht Chaos und die Zivilbevölkerung wird alleingelassen. Schwächere kommen nicht an Nahrungsmittel, nicht an Wasser. Aber niemand möchte Verantwortung übernehmen und als Ordnungsmacht auftreten.

Das Problem: Die israelische Armee hat weite Teile des Gazastreifens unter ihrer Kontrolle, gilt damit laut Kriegsvölkerrecht als Besatzungsmacht. Und als Besatzungsmacht hat Israel die Verantwortung für den Schutz und die Versorgung der Zivilbevölkerung. Das passiert aber bisher nicht.

Loading...
Symbolbild für eingebettete Inhalte

Embed

Die USA erscheinen ratlos

Vor diesem Hintergrund fordern auch die Vereinigten Staaten "Antworten" von Israel, wie die humanitäre Sicherheit im Gazastreifen verbessert werden kann. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, erklärte am Donnerstag (Ortszeit) in Washington: "Wir benötigen dringend zusätzliche Informationen darüber, was genau geschehen ist." Die US-Regierung stehe mit der israelischen Regierung in Kontakt und sei über die laufenden Ermittlungen informiert.

Aber die Geduld der Biden-Regierung mit der israelischen Führung wird in den vergangenen Monaten immer geringer. Laut dem von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministerium starben im Gazastreifen bisher 30.000 Menschen. Selbst wenn diese Zahlen nicht genau stimmen, liegt es nahe, dass im Krieg gegen die Hamas eben nicht die Zivilbevölkerung geschont wurde. Über 70 Prozent der Gebäude im Gazastreifen wurden bisher zerstört oder stark beschädigt.

Loading...
Loading...
Loading...

Es war in den vergangenen Monaten vor allem US-Außenminister Antony Blinken, der mehrfach in die Region reiste und in zahlreichen Gesprächen mit allen Akteuren in der Region versuchte, die humanitäre Lage zu verbessern. Auch Biden führte mehrfach Gespräche mit Netanjahu. Bislang sieht es aber so aus, dass der US-Einfluss auf die israelische Führung begrenzt zu sein scheint.

Zusicherungen, sonst keine weiteren US-Waffen

Das sorgt innenpolitisch für wachsende Kritik an Bidens Nahostpolitik, wodurch sich der US-Präsident zunehmend zum Handeln gedrängt sieht. Besonders die geplante Offensive auf die Stadt Rafah sieht man in Washington kritisch, immerhin sollen sich dort bis zu 1,5 Millionen palästinensische Binnenflüchtlinge befinden.

Auch deswegen scheint sich die US-Regierung offenbar entschlossen zu haben, den Druck auf Netanjahu deutlich zu erhöhen. So veröffentliche das US-Nachrichtenportal "Axios" am Mittwoch, dass Biden Israel dazu dränge, bis Mitte März eine Erklärung zu unterschreiben. Darin sind vor allem zwei Punkte relevant: Einerseits soll Israel versichern, internationales Recht einzuhalten, wenn es US-Waffen im Gaza-Krieg einsetzt. Andererseits soll sich Netanjahu schriftlich dazu verpflichten, humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu lassen.

Sollte Israel nicht unterschreiben, würde Biden die Waffenlieferungen an die israelische Armee stoppen, berichtet "Axios". Das ist eine Ansage mit Nachdruck.

Netjanjahu braucht Nachschub aus den USA

Der Vorstoß kommt durchaus überraschend. Israel ist der wichtigste Verbündete der Amerikaner im Nahen Osten und wird nicht nur von der Hamas bedroht, sondern auch vom Iran und der radikalislamistischen Hisbollah im Libanon. Es ist nicht im Interesse der USA, dass Israel sich nicht mehr verteidigen kann.

Deswegen nutzt Biden nun offenbar diese Erklärung, um Netanjahu zum Einlenken zu bewegen. Er möchte vor allem den Demokraten in den USA im Wahljahr Handlungsbereitschaft signalisieren und weiß natürlich, dass Israel sicherheitspolitisch extrem von den USA abhängig ist.

Es geht Washington aber nicht darum, Netanjahu in eine Niederlage zu treiben. Vielmehr sind Waffenlieferungen das einzige wirkungsvolle Druckmittel, das die USA momentan haben. Und Washington ist zuversichtlich, dass man die Zusicherungen bekommt, erklärte bereits ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA.

Es ist also wahrscheinlich, dass sich Netanjahu auf eine Unterzeichnung einlässt. Immerhin braucht er für den Krieg Nachschub aus den USA. Seit dem 7. Oktober sind bereits 14,3 Milliarden Dollar an Militärhilfen geflossen, das geht aus Daten vom Recherchedienst des US-Kongresses hervor. Mehr Hilfen sind aber aktuell noch in Planung.

Aber ob diese Zusicherungen die humanitäre Lage im Gazastreifen verbessern werden, ist trotzdem unklar. Denn schon jetzt erklärt die israelische Führung, sich an das Völkerrecht zu halten. Und falls es doch zu Kriegsverbrechen kommt, könnte Netanjahu weiterhin auf Zeit spielen. Denn auch er setzt darauf, dass sein Freund Donald Trump die US-Wahl im November gewinnt. Von Trump verspricht er sich vor allem freie Hand in dem Krieg, denn vom ehemaligen US-Präsidenten hörte man zur Eskalation des Nahostkonflikts nur ein Statement: Mit ihm wäre das nicht passiert.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website