Newsblog zum Krieg in Nahost Satellitenbilder zeigen Zerstörung in Isfahan

Die Atomenergiebehörde bestätigt Schäden bei einer Nuklearanlage. Oppositionelle fordern den Rücktritt von Ajatollah Chamenei. Alle Entwicklungen im Newsblog.
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Sonntag, 22. Juni
Atombehördenchef: Niemand kann Schäden in Fordo beurteilen
Nach dem US-Angriff auf Atomanlagen im Iran hat der Chef der Internationalen Atomenergieagentur IAEA, Rafael Grossi, dem UN-Sicherheitsrat den seiner Behörde bekannten Zustand der drei attackierten Anlagen beschrieben.
An der gut befestigten unterirdische Uran-Anreicherungslage Fordo seien Krater zu sehen, sagte Grossi bei einer Dringlichkeitssitzung des Gremiums in New York. "Zu diesem Zeitpunkt ist niemand – auch nicht die IAEA – in der Lage, unterirdische Schäden an Fordo zu bewerten." In Isfahan seien anscheinend Tunneleingänge, die zur Lagerung von angereichertem Material benutzt worden seien, getroffen worden. In Natans sei eine Kraftstoffanreicherungsanlage getroffen worden. Der Iran habe die IAEA darüber informiert, dass es außerhalb der drei Anlagen keinerlei Strahlungsanstieg gegeben habe.
Grossi rief den Iran dazu auf, Inspektoren seiner Agentur zu den Anlagen zu lassen. Er appellierte an alle Beteiligten, zur Diplomatie zurückzukehren. "Wir haben ein Zeitfenster für die Möglichkeit zur Rückkehr zu Dialog und Diplomatie. Wenn dieses Fenster schließt, werden Gewalt und Zerstörung undenkbare Höhen erreichen, und das globale Nichtverbreitungsregime, wie wir es kennen, könnte bröckeln und zusammenbrechen."
Netanjahu: Werden Angriffe vorerst nicht einstellen
Laut Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist sein Land dem Ziel sehr nahe gekommen, die Bedrohung durch ballistische Raketen und das iranische Atomprogramm zu beseitigen. "Wir werden unsere Aktionen nicht über das hinaus fortsetzen, was nötig ist, um sie zu erreichen, aber wir werden auch nicht zu früh aufhören", sagte Netanjahu vor Reportern. Wenn die Ziele erreicht seien, sei die Operation abgeschlossen und die Kämpfe würden eingestellt.
"Ich habe keinen Zweifel daran, dass dieses Regime uns auslöschen will, und deshalb haben wir diese Operation eingeleitet, um die beiden konkreten Bedrohungen unserer Existenz zu beseitigen: die nukleare Bedrohung und die Bedrohung durch ballistische Raketen", sagt Netanjahu. "Wir gehen Schritt für Schritt auf diese Ziele zu. Wir sind sehr, sehr nahe daran, sie zu erreichen."
Staatssender meldet Explosionen in Teheran
Im Osten der iranischen Hauptstadt Teheran ist es nach Angaben des staatlichen Fernsehens zu Explosionen gekommen. Dort seien mehrere Militärstützpunkte, berichtete der iranischen Staatssender IRIB. Unter anderem befindet sich dort ein hochsensibler militärischer Komplex in der Vorstadt Partschin.
Nach Angaben des israelischen Militärs greifen die Streitkräfte derzeit militärische Infrastruktureinrichtungen in Teheran und im Westen des Irans an. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Iranischer Außenminister in Moskau eingetroffen
Inmitten des Kriegs mit Israel und kurz nach den US-Angriffen auf den Iran ist der iranische Außenminister Abbas Araghtschi am Sonntag zu Gesprächen in Russland eingetroffen. Wie die staatliche iranische Nachrichtenagentur Irna meldete, waren Gespräche mit Kreml-Chef Wladimir Putin und weiteren hochrangigen russischen Vertretern vorgesehen. Dabei sollte es demnach um regionale und internationale Entwicklungen "nach der militärischen Aggression" der USA und Israels gegen den Iran gehen.
Das Gespräch mit Putin sollte am Montag in Moskau stattfinden, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Araghtschi hatte zuvor bei einem Treffen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) in der türkischen Metropole Istanbul gesagt, die USA hätten mit ihren Angriffen auf den Iran "eine sehr dicke rote Linie überschritten". Sein Land sei "angegriffen und überfallen" worden und werde mit "legitimer Selbstverteidigung" antworten. Russland ist ein Verbündeter des Iran, der wiederum das russische Vorgehen in der Ukraine unterstützt.
Israel hatte am 13. Juni einen Großangriff auf den Iran gestartet, um nach eigenen Angaben gegen das fortgeschrittene iranische Atomprogramm vorzugehen und bombardiert seitdem insbesondere Atomanlagen und militärische Einrichtungen in dem Land. Der Iran bestreitet, dass er nach der Atombombe strebt und attackiert Israel seitdem mit Raketen und Drohnen.
Satellitenbilder zeigen Schäden in Isfahan
Das Unternehmen Maxar hat nach dem Angriff der USA auf den Iran neue Bilder der Atomanlage in Isfahan veröffentlicht. Auf den Satellitenbildern sind dunkle Flächen zu sehen, an denen mutmaßlich die Anlage beschossen wurde.
Die Anlage wurde nach Angaben der USA mit mehr als zwei Dutzend Marschflugkörper des Typs Tomahawk angegriffen, die von U-Booten abgefeuert wurden. Die bunkerbrechenden Bomben des Typs GBU-57 kamen laut den USA nur bei den Angriffen auf die Anlagen Fordo und Natans zum Einsatz.
Auch die UN-Atomaufsichtsbehörde IAEA bestätige am Abend, dass Teile des iranischen Nuklearkomplexes beschädigt wurden. "Wir haben festgestellt, dass Eingänge zu unterirdischen Tunneln auf dem Gelände getroffen wurden", teilt die IAEA mit. Anfang Juni hatte es geheißen, ein Großteil des am höchsten angereicherten Urans des Irans sei unterirdisch in Isfahan gelagert.
Iran: Oppositionelle fordern Rücktritt von Chamenei
Nach den US-Angriffen auf iranische Atomanlagen haben führende Oppositionelle des Iran das geistliche Oberhaupt des Landes, Ajatollah Ali Chamenei, zum Rücktritt aufgefordert und ein Ende des Blutvergießens verlangt. Der im Exil lebende Sohn des einstigen Schahs, Reza Pahlavi, rief Chamenei nach über einer Woche Krieg mit Israel in einer eigenen Erklärung zum Rückzug auf. Auch Marjam Radschawi von den Volksmudschaheddin forderte in einer eigenen Erklärung seinen Rücktritt.
Wo sich Chamenei derzeit aufhält, ist unklar. Israel hat nicht ausgeschlossen, den seit 1989 amtierenden 86-Jährigen zu töten. Oppositionsgruppen gehen davon aus, dass sich der Hardliner in einem Bunker tief unter der Erdoberfläche versteckt hält und nur mit wenigen Beratern in Kontakt steht.
- Eigene Recherche
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters