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Krim-Vorfall: So bewerten Russen und Ukrainer die Eskalation


Krimkrise in den Medien
So bewerten Ukrainer die Eskalation. Und so die Russen

Von Elena Isaeva und Daria Smetanko

28.11.2018Lesedauer: 3 Min.
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Ukrainische Marineboote und russische Küstenwache: Rammmanöver in der Straße von Kertsch.Vergrößern des Bildes
Ukrainische Marineboote und russische Küstenwache: Rammmanöver in der Straße von Kertsch. (Quelle: Tass/dpa-bilder)

Vor der Küste der Krim fallen Schüsse, ein Marineboot wird gerammt, Matrosen werden festgenommen. Wie sehen die Medien in der Ukraine den Vorfall – und wie in Russland? Zwei Stimmungsbilder.

Für Moskaus Staatsmedien sitzt der Provokateur in Kiew

Von Elena Isaeva, Moskau

„Wieder eine Provokation der Ukraine.“ Mit diesen Worten beginnt das Nachrichtenprogramm des russischen Staatssenders "Erster Kanal" am Sonntagabend. Es ist der Tonfall, der die Berichterstattung im offiziellen Fernsehen in den Tagen seither bestimmt.

Die Staatsmassenmedien sind sich einig: Ukrainische Militärschiffe haben illegal die russische Grenze überquert. Russland sei nicht wie sonst üblich von der Ukraine informiert worden, dass die Schiffe die Brücke von Kertsch durchfahren wollten. Deshalb war es eine bewusste Provokation.

Im offiziellen Fernsehen kommen Politologen zu Wort, die der Ukraine eine Inszenierung des Konflikts vorwerfen, um eine Gegenaktion von Russland herauszufordern. Sie sprechen von einem "wahnsinnigen Schritt" des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, um die bevorstehende Wahl doch noch zu gewinnen. Dank seiner Aktion könnte er sich der Unterstützung des Westens und vor allem der USA sicher sein.

Mit der Ausrufung des Kriegsrechts habe es Poroschenko auf die Einschränkung der Pressefreiheit und das Verbot von Demonstrationen und Versammlungen abgezielt. Fernsehsender wie Zeitungen werfen der Ukraine eine irre Panikmache vor. Weit verbreitet ist die Geschichte von den Kindern aus der Nähe von Mariupol, die für die Armee Gräben ausheben würden.

Nach der Verhängung des Kriegsrechts seien in Kiew die Lebensmittelkonserven ausverkauft, heißt es in der Zeitung Komsomolskaja Prawda. In der ukrainischen Hauptstadt würden Keller ausgeräumt, um dort später Bunker zu errichten.

Zurückhaltender ist der Ton in den privaten Massenmedien, die die Situation von verschiedenen Seiten zu betrachten versuchen. Der unabhängige Fernsehkanal Doschd ist der Meinung, dass beide Ländern Vorteile aus dem Konflikt ziehen. "Die patriotische Stimmung steigt, die Politiker haben sich gegenseitig etwas vorzuwerfen", heißt es in einem Kommentar.

Politologen sagen voraus, dass dieser Konflikt zwischen Russland und der Ukraine noch lange andauern werde. Auf beiden Seiten würde man von der Diskussion über das Thema profitieren. Aber eskalieren wolle die Situation niemand.

Dennoch könnte die Konfrontation nachteilige Folgen für die russische Wirtschaft haben, warnen die privaten Massenmedien. Wenn die westliche Welt Russland zum Schuldigen erklärt, könnten neue Sanktionen die wirtschaftliche Situation weiter verschlechtern. Der Rubel habe schon auf die Krise reagiert, glaubt Doschd.

So verwundert es nicht, dass der russische Präsident Wladimir Putin am Mittwoch die stabile Situation der heimischen Wirtschaft beschwor. Trotz der Versuche von außen, den Druck auf Moskau zu erhöhen, würden russische Unternehmen langfristige Pläne entwerfen, so der Präsident.

Die Ukraine diskutiert die Verhängung des Kriegsrechts

Von Daria Smetanko, Odessa

In der Ukraine bestimmen das Schicksal der verhafteten Matrosen und die Verhängung des Kriegsrechts die Berichterstattung in den Medien. Denn an der russischen Aggression besteht kein Zweifel.

Die Bedrohung durch Russland sei ein Fakt, erklärt der Politikwissenschaftler Andrei Gorbenko auf dem Analyseportal "Wort und Tat". "Nach internationalem Recht war es ein Akt der Aggression." Der Sender "Kanal 24" hebt das Recht der ukrainischen Schiffe hervor, die Straße von Kertsch zu passieren. Dieses Recht sei unbestritten. Der Sender fragt zugleich, warum das Kriegsrecht erst jetzt verhängt wurde. "Es trat 2014 nicht in Kraft, als die Krim annektiert wurde. Es trat 2015 nicht in Kraft, während der erbitterten Kämpfe um Debalzewe", schreibt "Kanal 24".

Andere Medien erläutern die Konsequenzen der Verhängung des Kriegsrechts, die zur Ausrufung des Notstands und sogar zur Verschiebung der für März 2019 terminierten Präsidentschaftswahl hätten führen können. Politikwissenschaftler Gorbenko aber verteidigt die Maßnahme. "Es musste etwas unternommen werden. Das Kriegsrecht ist der richtige Weg. Und es ist ein deutliches Signal an den Westen."

Daneben widmen sich die Medien ausführlich dem Schicksal der am Sonntag gefangen genommenen Matrosen. "Ich bin OK. Macht euch keine Sorgen", zitiert Strana.ua den Marinesoldaten Sergei Tsybisow. Gegen ihn und elf seiner Kameraden habe ein Gericht in Simferopol auf der Krim Anklage erhoben. Tsybisows Anwältin sagte dem Portal, ihr Mandant sei geschlagen worden. Er sei aber dennoch gewillt, auszusagen.


Um Hilfe und Unterstützung für die Gefangenen bemühen sich nach Angaben der Nachrichtenagentur Ukrinform lokale Aktivisten auf der Krim. "Die Angehörigen der Matrosen leben weit entfernt und haben keine Möglichkeit, ihnen nahe zu sein", wird der Vize-Chef der Vertretung der Krimtataren zitiert. "Es ist allgemein bekannt, dass es in den Gefängnissen am Nötigsten fehlt. Die Seeleute wurden in Militäruniformen und Stiefeln gefasst. Es ist hart, rund um die Uhr diese Kleidung tragen zu müssen."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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