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Manöver im Asowschen Meer: Dritte Kampfzone zwischen Russland und der Ukraine


Die dritte Kampfzone zwischen Russland und der Ukraine

dpa, Friedemann Kohler, Andreas Stein, Ansgar Haase

Aktualisiert am 27.11.2018Lesedauer: 5 Min.
Der Vorfall zwischen der russischen Küstenwache und einem ukrainischen Marineboot: Russland zufolge fuhren drei ukrainische Schiffe unbefugt durch russische Hoheitsgewässer, während die Ukraine behauptet, dass eines ihrer Boote von einem russischen Küstenwachschiff gerammt wurde.Vergrößern des BildesDer Vorfall zwischen der russischen Küstenwache und einem ukrainischen Marineboot: Russland zufolge fuhren drei ukrainische Schiffe unbefugt durch russische Hoheitsgewässer, während die Ukraine behauptet, dass eines ihrer Boote von einem russischen Küstenwachschiff gerammt wurde. (Quelle: dpa-bilder)
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Der Westen ist alarmiert: Der Konflikt zwischen Moskau und Kiew weitet sich aus. Doch warum haben Wladimir Putin und Petro Poroschenko Gründe weiter zu zündeln?

Im Osten nichts Neues? Der fast vergessene Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ist mit Vehemenz zurück – an einer neuen Front auf dem Meer, mit neuer Gewalt und mit möglichen Auswirkungen bis zu Nato und EU in Brüssel. Auf dem Schwarzen Meer vor der Küste der Halbinsel Krim spielten sich am Sonntag Jagdszenen ab. Zwei kleine Patrouillenboote vom Typ Gjursa der ukrainischen Marine und ein Schlepper versuchten, durch die Meerenge von Kertsch ins Asowsche Meer einzulaufen.

Doch erst rammte ein Schiff der russischen Küstenwache den Schlepper, später schossen die Russen und brachten die drei Schiffe auf. Zwar haben Russland und die Ukraine einander einmal freie Schifffahrt in dem flachen Asowschen Meer versprochen. Doch seit Moskau die Krim annektiert und durch eine Brücke erschlossen hat, verteidigt es die wichtige Meerenge von Kertsch als sein alleiniges Hoheitsgebiet.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko versicherte sich in der brenzligen Lage seiner Drähte nach Westen. Er sprach am Montag mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Russland nannte das Verhalten der ukrainischen Schiffe eine Provokation. Es warnte die westlichen Länder davor, sich auf die Seite Kiews zu schlagen. Die Eskalation kommt wenige Tage, bevor sich Merkel, der russische Staatschef Wladimir Putin, US-Präsident Donald Trump und andere Spitzenpolitiker bei G20 in Argentinien treffen.

Bei der EU und bei der Nato sorgt das Aufschaukeln für Besorgnis. Beide wollen die Ukraine so gut wie möglich mit friedlichen Mitteln bei der Abwehr russischer Feindseligkeiten und Provokationen unterstützen. Nur mussten sie in der Vergangenheit immer wieder feststellen, dass auch die Kiewer Seite nicht auf Entspannung setzt.

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Mögliche Motive für eine Zuspitzung haben beide Staatschefs

Die Ukraine hat die Krim 2014 verloren. Russland verleibte sich die Halbinsel ein nach einem international nicht anerkannten Referendum. Aus Moskauer Sicht wurde der historische Fehler korrigiert, dass der sowjetische Parteichef Nikita Chruschtschow die Krim 1954 von Russland der Ukraine übertragen hat.

Im Osten der Ukraine führt Russland ebenfalls seit 2014 verdeckt Krieg. Seine Militärmacht versteckt sich hinter den separatistischen Kämpfern der sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk. Mehr als 10 000 Menschen sind im Kohlerevier Donbass bislang getötet worden. Weder Separatisten noch die Ukraine halten sich an die eigentlich geltende Waffenruhe. Eine Friedenslösung, ausgehandelt unter deutscher und französischer Vermittlung, steckt fest.

In den letzten Monaten hat die Ukraine unerwartete Erfolge erzielt - auf ganz anderem Gebiet. Das Oberhaupt der weltweiten Orthodoxie, der ökumenische Patriarch von Konstantinopel, der in Istanbul sitzt, will der Ukraine eine eigene, von Russland unabhängige Kirche geben. Für Moskau und seine orthodoxe Kirche wäre der Verlust von Millionen Gläubigen in der Ukraine ein schwerer Schlag. Die Eskalation auf dem Schwarzen Meer könnte auch damit zusammenhängen.

Poroschenko hat ein offensichtliches Motiv

In Kiew wurde die Aktion sofort mit der für März erwarteten Präsidentenwahl verbunden. Der Amtsinhaber liegt in Umfragen abgeschlagen hinter der Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko. Selbst um den Einzug in eine Stichwahl müsste er bangen. Deshalb die Eskalation gegen Russland? Armee und Kirche sind zwei Schwerpunkte in seinem Vorwahlkampf.

Erst Mitte November hatte Poroschenkos Armeefreund Igor Kononenko in einem Interview spitzfindig angemerkt: "Unsere 'Kniffe' haben Sie noch gar nicht gesehen." Jedoch hat der Präsident bisher weder seine Kandidatur angekündigt, noch wurde die Wahl vom Parlament offiziell für den 31. März 2019 angesetzt. Einen Tag nach dem Zwischenfall auf See verhängte Poroschenko für vorerst 30 Tage das Kriegsrecht. Damit ließe sich die Wahl sogar verschieben.

Der Oppositionspolitiker Juri Boiko, selbst möglicher Kandidat, hält es für ausgemacht, dass es um Sabotage der Präsidentenwahl geht. "Denn der amtierende Präsident des Landes begreift, dass die Umfragewerte ihm nicht erlauben zu gewinnen", sagte er dem TV-Sender 112. Dagegen versicherte die Poroschenko-treue Parlamentsvize Irina Geraschtschenko auf Facebook, die Wahl werde stattfinden: "Der Kriegszustand bedeutet nicht das automatische Ausfallen der Wahl." Poroschenko fürchte weder Putin noch Wahlen.

Für Putin geht es um mehr als den Ärger über die ukrainische Kirche

Die Ausweitung auf eine dritte Front im Asowschen Meer hat sich seit Monaten abgezeichnet. Ein Abriegeln des Binnenmeeres würde die Ukraine wirtschaftlich treffen. Die Häfen Mariupol und Berdjansk, nach Umschlagsmenge die Nummern fünf und acht in der Ukraine, wären blockiert. "Putin versucht mit ein paar Schüssen, aus dem offenen Asowschen Meer ein Meer zu machen, das nur ihm gehört", kommentierte der oppositionelle Wirtschaftsexperte und Politiker Wladimir Milow.

Auch der Kremlchef ist nach seiner triumphalen Wiederwahl vom März innenpolitisch unerwartet unter Druck geraten. Die russische Bevölkerung nimmt ihm eine Rentenreform nachhaltig übel. Deshalb ein Ablenkungsmanöver? Die Heimholung der Krim hat seiner Popularität schon 2014 geholfen.

Während des jüngsten Zwischenfalls schwebten russische Kampfhubschrauber über der Krim-Brücke. Moskau kündigte mehr Patrouillenflüge zum Schutz der Halbinsel an. Auch dies ist eine Eskalation, denn Luftstreitkräfte haben seit 2014 keine Rolle mehr im Konflikt der Nachbarn gespielt.

Bei einem für Montag einberufenen Sondertreffen von Nato- und EU-Botschaftern in Brüssel sollte es zunächst darum gehen, einen Überblick über die jüngsten Ereignisse zu bekommen. "Das, was wir bislang haben, beruht vor allem auf den Darstellungen der Ukraine", erklärte ein EU-Diplomat. Vor einer eindeutigen Bewertung oder gar Konsequenzen müsse eine Stellungnahme aus Moskau abgewartet werden.

Die USA haben Russland im UN-Sicherheitsrat eine "skandalöse Verletzung" der ukrainischen Souveränität vorgeworfen. Die wiederholten "gesetzlosen Handlungen" Russlands machten es unmöglich für US-Präsident Donald Trump, eine normale Beziehung zu Moskau aufzubauen, sagte die UN-Botschafterin der USA, Nikki Haley, bei einer Dringlichkeitssitzung des Rates in New York.

Die Gruppe der derzeitigen und künftigen europäischen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats - Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Polen, die Niederlande, Schweden, Belgien und Italien - stellten sich nach der Sitzung demonstrativ hinter die Ukraine. In einer Mitteilung riefen die Länder zur Zurückhaltung und Deeskalation auf und betonten ihre Anerkennung der territorialen Integrität der Ukraine. "Es darf Russland nicht erlaubt sein, die Geschichte neu zu schreiben und neue Realitäten auf dem Boden zu schaffen", hatte der stellvertretende britische Botschafter Jonathan Allen zuvor während der Sitzung gesagt.

Hoffnungen auf militärische Unterstützung darf sich die Ukraine nicht machen. Sie ist kein Nato-Mitglied und gehört nicht zur EU. Niemand wolle die Regierung in Kiew ermuntern, den Konflikt mit Russland weiter eskalieren zu lassen, heißt es in Brüssel. Und niemand wolle in einen bewaffneten Konflikt mit Russland hineingezogen werden. Doch mehr politischer Druck - vielleicht neue EU-Sanktionen - könnten das Mittel der Wahl sein, sollte sich die Lage nicht entspannen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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