t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikAuslandUSA

USA: Jetzt kommt es zum Showdown zwischen Joe Biden und Donald Trump


Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.

Trump gegen Biden
Jetzt kommt es zum Showdown

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns

Aktualisiert am 01.09.2022Lesedauer: 6 Min.
"Neuwahlen sofort": Donald Trump fordert seine Wiedereinsetzung als US-Präsident oder eine Wiederholung der Wahl 2020.Vergrößern des Bildes
"Neuwahlen sofort": Donald Trump fordert seine Wiedereinsetzung als US-Präsident oder eine Wiederholung der Wahl 2020. (Quelle: IMAGO/Brian Cahn)
News folgen

Der US-Präsident ist entschlossen, endlich Klartext zu reden: Mehr denn je attackiert er Donald Trump. Doch die Strategie ist hochriskant.

Eigentlich wollte sich Joe Biden diese Woche in Wilkes-Barre im Bundesstaat Pennsylvania dazu äußern, wie er die Schusswaffengewalt in den USA bekämpfen will. Doch dann drohte der US-Präsident seinen politischen Gegnern ausgerechnet mit Kriegsrhetorik.

Er habe eine Botschaft für jene "mutigen rechten Amerikaner", die vorgeben, es gehe ihnen nur um Unabhängigkeit und Sicherheit im Land, sagte Biden. Wenn jene Leute glaubten, unter diesem Vorwand die Vereinigten Staaten bekämpfen zu können, dann bräuchten sie "etwas mehr als eine Handfeuerwaffe". Biden sagte, sie würden dann schon "eine F-15 benötigen", also ein Kampfflugzeug.

Es ist nicht das erste Mal in letzter Zeit, dass der US-Präsident ungewöhnlich scharf und aggressiv vor allem gegen Rechtsextremisten und Trumps Anhängerschaft austeilt. Biden scheint es mit Trump und seiner Ideologie aufnehmen zu wollen.

Nur wenige Meilen vom Stadtzentrum Washingtons entfernt, hielt der US-Präsident vor einigen Tagen ebenfalls eine bemerkenswerte Rede. Vor Vertretern seiner eigenen Partei schlug Joe Biden westlich des District of Columbia, in dem kleinen Vorort Bethesda, einen neuen, einen deutlichen Ton gegenüber den Republikanern an.

Wenige Monate vor den wichtigen Zwischenwahlen im November, bei denen die Sitze in beiden Kammern des Kongresses neu verteilt werden, geht es für den Präsidenten um alles. Und es geht Joe Biden dabei um eine finale Auseinandersetzung mit seinem Amtsvorgänger Donald Trump, der womöglich kurz vor der Bekanntgabe einer erneuten Kandidatur steht.

"Was wir derzeit sehen, ist entweder der Beginn oder die Totenglocke einer extremen MAGA-Philosophie. Es ist nicht nur Trump. Es ist die gesamte Philosophie", sagte Joe Biden, der in seinen Reden kaum jemals den Namen seines Vorgängers erwähnt.

Trumps Erfindung, eben jene "Make America Great Again"-Philosophie, bezeichnete Biden vor seinen demokratischen Zuhörern als "semi-fascism", als Halb-Faschismus. Auf einer weiteren Wahlkampfveranstaltung im Bundesstaat Maryland sagte er einen Tag später noch: "Ich respektiere konservative Republikaner. Ich respektiere diese MAGA-Republikaner nicht."

Abteilung Attacke aus dem Weißen Haus

Seither diskutiert Amerika, ob diese Attacke taktisch klug war oder nicht. Kritiker verweisen auf eine Äußerung Hillary Clintons aus ihrem Präsidentschaftswahlkampf von 2016. Sie hatte die Hälfte von Trumps Anhängern als "Basket of Deplorables", als einen Haufen von Erbärmlichen bezeichnet. "Sie sind rassistisch, sexistisch, homophob, fremdenfeindlich, islamfeindlich", sagte sie damals. Clinton selbst schrieb in ihrem Buch "What Happened", dass dieser Satz ein Grund für ihre Wahlniederlage gewesen sei.

Doch das ist sechs Jahre her. Seither hat sich viel getan in den Vereinigten Staaten. Die Trumpisten haben sich weiter radikalisiert. Rechtsradikale Gruppierungen wie die "Proud Boys", die "Oath Keepers" oder die "Patriot Front" verbreiten Angst. Der Sturm auf das Kapitol und die zahlreichen laufenden Ermittlungen gegen den Ex-Präsidenten Donald Trump sind beinahe täglich das politische Hauptthema. Grund genug für viele Unterstützer Joe Bidens, endlich Klartext zu reden.

Tatsächlich haben die Worte des US-Präsidenten eine neue Qualität. Joe Biden, der Versöhner, der Respekt sonst stets für alle einfordert, erklärt, er habe keinen Respekt für Halb-Faschisten. Für die einen ist das eine notwendige Selbstverständlichkeit. Für andere ist es ein Affront, der das Land weiter spalten könnte. Die Entscheidung im Weißen Haus aber scheint gefallen zu sein: Für Biden und seine Demokraten ist die Zeit von vorsichtiger Ängstlichkeit und anbiedernder Versöhnung vorbei. Getragen von plötzlich immer besseren Umfragewerten, schwenken sie um auf Attacke. Von 37,5 Prozent im Juli schnellte die Zustimmung für Biden innerhalb weniger Wochen auf 42 Prozent.

Was Biden mit seiner Wortschöpfung "Semi-Faschismus" meint, dürfte jedem geläufig sein, der die Entwicklungen in der Republikanischen Partei verfolgt. Die Grand Old Party (GOP) ist auf ihre Galionsfigur Donald Trump zugeschnitten. Noch nie in ihrer Geschichte hat eine Figur sie so dominiert. Abweichler wie etwa die konservative, aber Trump-kritische Liz Cheney werden gnadenlos aussortiert und durch Trumpisten ersetzt.

Vorbereitungen auf einen Bürgerkrieg?

Aktuelle Veröffentlichungen von geleakten Videos und Fotos von der Trump-freundlichen, sogenannten "Patriot Front" zeigen, wie sich das extrem rechte Spektrum auf bürgerkriegsartige Zustände vorzubereiten scheint. Kampftrainings und Marschübungen mit Schutzschilden und Nazisymbolen. Vonseiten der meisten Republikaner und erst recht der Trumpisten werden derlei Auswüchse wie so oft schweigend ignoriert und damit still geduldet.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Flankiert werden solche paramilitärisch-gewalttätigen Vorbereitungen, die an den Sturm aufs Kapitol erinnern, immer wieder von Äußerungen aus der ersten Reihe der Republikaner. Zuvorderst durch Donald Trump. Obwohl der Ex-Präsident in einem Wochenend-Posting auf seiner eigenen Social-Media-Plattform "Truth" seine Worte sorgsam wählte, war seine Botschaft deutlich: Die Beamten des derzeit mit Ermittlungen gegen ihn betrauten FBI sollten nicht weniger als meutern. "Wann werden die großartigen Agenten und andere im FBI sagen: 'Wir werden das nicht mehr hinnehmen?'", fragte Trump rhetorisch.

In einem weiteren Posting forderte er seine sofortige Wiedereinsetzung als Präsident oder sofortige Neuwahlen. "Verkünden Sie den rechtmäßigen Gewinner oder halten Sie JETZT Neuwahlen ab!" Schuld an der vermeintlich gefälschten Wahl 2020 seien etwa das FBI oder der Digitalkonzern Meta, zu dem Facebook gehört. Dessen Chef Mark Zuckerberg habe gezielt eine Enthüllungsgeschichte über Joe Bidens Sohn Hunter unterdrückt.

Trump steht wegen der derzeitigen Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft unter Druck wie lange nicht. Dass der Ex-Präsident zahlreiche "Top Secret"-Dokumente einfach geklaut und auf seinem Anwesen in Mar-a-Lago im Bundesstaat Florida gelagert und auch nach mehrmaliger Aufforderung nicht herausgerückt hat, könnte ihm womöglich tatsächlich eine Anklage einhandeln.

Loading...
Loading...

Riskant für das ganze Land

Einer seiner vehementen Unterstützer, der Senator Lindsey Graham, schürte dazu gezielt die Angst vor Volksaufständen, sollte Trump wirklich angeklagt werden. In einem Interview beim Sender Fox News sagte der Mann, der vor kurzem mit dem CDU-Chef Friedrich Merz gemeinsam in Deutschland auftreten sollte: "Wenn es eine Anklage gegen Donald Trump wegen Missbrauchs geheimer Informationen nach dem Clinton-Debakel gibt … wird es Aufstände in den Straßen geben." Graham spielte dabei auf zahlreiche E-Mails der ehemaligen Außenministerin Hillary Clinton an, die diese einst von einer nicht-offiziellen Privatadresse verschickte hatte und dafür nicht angeklagt wurde. Donald Trump verbreitete ein Video dieses Graham-Interviews dann sogleich auf seinem "Truth"-Profil.

Die Angst vor Aufständen, ja vor einem echten Bürgerkrieg, ist in den USA immer wieder gemessen worden. Zuletzt hatte eine Umfrage von YouGov ergeben, dass 43 Prozent der Amerikaner glauben, ein Bürgerkrieg im kommenden Jahrzehnt sei sehr wahrscheinlich oder einigermaßen wahrscheinlich. Anhänger der Republikaner erwarten demnach ein solches Szenario deutlich eher als Demokraten: 54 Prozent von ihnen glauben, ein Bürgerkrieg sei sehr wahrscheinlich oder einigermaßen wahrscheinlich. 65 Prozent der Befragten sind überdies der Meinung, dass die politisch motivierte Gewalt seit 2021 zugenommen habe.

Experten erwarten zwar keinen echten Bürgerkrieg, wie den Civil War. Im Sezessionskrieg, aus dem im 19. Jahrhundert die heutigen Vereinigten Staaten hervorgingen, kämpfte die Konföderation der vereinigten Südstaaten gegen die Nordstaaten. Stattdessen wächst heute mit der Spaltung die Sorge vor immer wieder aufflammenden, bewaffneten Unruhen. So hochgerüstet, wie die Privathaushalte in den USA sind, wäre das Risiko eines Flächenbrandes zumindest nicht klein.

Duell in Pennsylvania

Die Sorgen der Demokraten vor solchen Szenarien scheinen auch ungeachtet des beginnenden Wahlkampfs für die Zwischenwahlen im November groß zu sein. Für diesen Donnerstag hat das Weiße Haus eine weitere Rede von Joe Biden angekündigt. Dieses Mal soll der US-Präsident vor der geschichtsträchtigen Independence Hall in Philadelphia, ebenfalls in Pennsylvania, sprechen.

Das Thema der kommenden Rede von Joe Biden ist bereits bekannt. Das Weiße Haus teilte mit, der US-Präsident werde über den "fortwährenden Kampf um die Seele der Nation" sprechen und damit wohl auch wieder über die "semi-faschistischen" Entwicklungen bei den Republikanern, die noch immer zu seinem Amtsvorgänger halten.

Donald Trump wird am Samstag bei einer Rallye ausgerechnet in Wilkes-Barre auftreten. Also genau dort, von wo aus Biden die rechten Amerikaner gerade davor warnte, mit Waffengewalt gegen die Vereinigten Staaten vorzugehen.

Diese öffentlichen Redegefechte von Biden und Trump gelten als erster Showdown zwischen dem amtierenden und dem ehemaligen Präsidenten und werden als Auftakt für den Wahlkampf gewertet. Pennsylvania gilt als "Battleground" und "Swing State", also als extrem umkämpfter Bundesstaat zwischen Demokraten und Republikanern.

Über Donald Trumps Auftritte und seine Zukunft wird seit Wochen spekuliert. Im Zweifel wird es in seiner neuerlichen MAGA-Rede vor allem um ihn selbst gehen. Sollte er am Samstag tatsächlich seine erneute Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2024 ankündigen, würde die Fieberkurve im Kampf um den Kongress rasant ansteigen. Die FBI-Durchsuchungen und eine drohende Anklage könnten ihn jedoch am Ende doch davon abhalten.

Denn Trump würde mit diesem taktischen Zug volles Risiko gehen. Der Druck auf ihn als neuerlicher Kandidat und auch auf Biden würde gleichermaßen riesige Dimensionen annehmen. Der verantwortliche Verlierer der Zwischenwahlen im November dürfte kaum noch infrage kommen für eine erfolgreiche Kandidatur – weder bei den Demokraten noch bei den Republikanern.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website