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Joe Biden empfängt Xi Jingping: US-Präsident ist zu gutgläubig – hochriskant


Bidens Treffen mit Xi Jinping
Das ist beunruhigend

  • Bastian Brauns
MeinungVon Bastian Brauns

Aktualisiert am 16.11.2023Lesedauer: 4 Min.
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"Wichtigste bilaterale Beziehung der Welt": So verlief das Treffen zwischen Biden und Xi. (Quelle: reuters)

In seiner Beziehung zu Xi Jinping setzt Joe Biden auf Vertrauen und seine lange Bekanntschaft mit Chinas Machthaber. Der US-Präsident wirkt dabei viel zu gutmütig.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

Geht es um Xi Jinping, erzählt Joe Biden gerne seine Lieblingsgeschichte. Es ist die einer langen und guten Bekanntschaft. Seitdem er amerikanischer Vizepräsident war, und Xi noch chinesischer Vizepräsident, hätten die beiden sich bis heute schon über 68 Stunden lang getroffen. Mehr als 25.000 Kilometer seien sie gemeinsam gereist. Und mehr als 10 Stunden habe er sich mit dem chinesischen Präsidenten sogar unter vier Augen unterhalten.

Auch in Kalifornien, beim Treffen der beiden mächtigsten Staatschefs der Welt, betonte Joe Biden, als er Xi Jinping gegenübersaß: "Herr Präsident, es ist gut, Sie wiederzusehen", "Wir haben in den letzten 10 bis 12 Jahren viele Stunden miteinander verbracht" und "Wir kennen einander schon lange", sagte der US-Präsident. Und auch Chinas Staatschef klang freundlich, als er ihm lächelnd erwiderte: "Ich denke an Ihre damalige Reise nach China, als ich noch Vizepräsident war. Ich erinnere mich sehr lebendig an unseren Austausch."

Joe Biden wirkt zu gutgläubig

Nur über eines dürfen die netten Erinnerungen dieser beiden älteren Herren – der eine 80, der andere 70 – nicht hinwegtäuschen: Persönliche Begegnungen sind in der Diplomatie zwar viel wert. Aber am Ende zählt, wie ihre Staaten in der Realität miteinander umgehen. Und da sieht es zwischen den USA und China zunehmend düster aus. Wirtschaftliche Handelskriege, militärisches Wettrüsten und knallharte Geopolitik kennzeichnen die Beziehung der beiden Weltmächte inzwischen, aber keine Freundschaft. Immer offener tragen sie ihre Rivalitäten aus. Jeden Moment können diese in echter Feindschaft münden. Mit Folgen für die ganze Welt.

In dieser Lage ist es verständlich, dass der US-Präsident um Verständigung ringt. Joe Biden aber läuft dabei Gefahr, viel zu sehr auf das zu vertrauen, was er "face-to-face discussions" nennt, also eben persönliche Gespräche. Sicher stünde es noch schlimmer um den Weltfrieden, würden die USA und China nicht miteinander reden. Aber Joe Bidens rosarote Brille, mit der er auf die vermeintlich gute Bekanntschaft mit Xi Jinping blickt, wirkt angesichts der Herausforderungen durch China naiv.

China handelt immer aggressiver

Denn diese reichen von Xis immer wieder angekündigter Wiedereingliederung Taiwans, zur Not mit militärischer Gewalt, über eine vielfältige Unterstützung Russlands im Krieg gegen die Ukraine, bis zum Ölkauf im Iran und den engen Beziehungen zum kommunistischen, atomar bewaffneten Bruderstaat Nordkorea. Hinzu kommen Daten- und Ideenklau, Spionage und massive Desinformationskampagnen nicht nur in Amerika, sondern auf der ganzen Welt.

An jedem Tag, der verstreicht, schafft die autoritäre Regierung in Peking neue Fakten und weitet ihren Einfluss überall auf dem Planeten aus. Das Nachsehen haben nicht nur die USA, sondern auch die verbündeten Demokratien, von Japan über Südkorea bis Europa. Zwar war es auch Joe Biden, der Xi Jinping öffentlich mal einen Diktator nannte. Wie sehr das Weiße Haus aber inzwischen vor diesem einknickt, zeigen die schon vorab gestreuten Erwartungen an das Gipfeltreffen.

Ein Eingeständnis der eigenen Schwäche

Es handele sich "nicht mehr um die gleiche Beziehung wie noch vor fünf oder zehn Jahren", sagte ein hoher amerikanischer Regierungsbeamter vorab. Darum richte man das Augenmerk auch gar nicht mehr auf "eine umfangreiche Liste spezifischer Ergebnisse". Man konzentriere die eigenen Ziele vielmehr auf eine "umsichtige Steuerung des Wettbewerbs, die Eindämmung potenzieller Konflikte und die Wahrung offener Kommunikationswege". Im Klartext heißt das: Die Zeiten, in denen die Amerikaner die Chinesen zu bestimmten Zugeständnissen zwingen konnten, sind längst vorbei. Im Weißen Haus nennt man es einen "grundlegenden Sinn für Realismus" in Bezug auf die eigenen Erwartungen an so ein Treffen.

Das wichtigste Ergebnis zwischen Xi und Biden ist darum auch in etwa das Mindeste, was man von zwei atomarem Supermächten erwarten können sollte. Auf höchster militärischer Ebene soll nun immerhin wieder standardmäßig miteinander kommuniziert werden, um Zwischenfälle, die schnell eskalieren können, zu vermeiden. Aber auch angesichts dieses kleinen diplomatischen Erfolgs bleibt der Eindruck bestehen: Zwischen China und den USA geht es heute vielleicht einen Schritt voran, gestern aber ging es noch zwei Schritte zurück.

Das amerikanische Zeitalter ist vorbei

Joe Biden scheint in die gleiche Falle zu tappen wie bereits seine Vorgänger Barack Obama und Donald Trump. Auch diese US-Präsidenten gaben sich dem Glauben hin, sie würden sich gut mit Xi Jinping verstehen, seine Absichten zumindest gut lesen können. Und sie begnügten sich damit, ihren Fokus zwar allmählich in Richtung Pazifik zu lenken und China hie und da für seine aggressive Politik mit Handelsbeschränkungen abzustrafen.

Der amtierende US-Präsident lässt zwar die von Trump eingeführten Sanktionen bestehen. Mit seiner massiven Investitionspolitik versucht er, die USA außerdem auch wirtschaftlich unabhängiger von China zu machen. Das mag den Aufstieg Chinas vielleicht verzögern, aufhalten kann es ihn aber nicht. Wirklich Boden gut machen können die USA gegenüber dem aufstrebenden China nicht mehr. Die im Vergleich zu Chinas wachsender Marine darbende Flotte der US Navy ist dafür nur ein besonders anschauliches Beispiel.

Das von Amerika geprägte Zeitalter geht unweigerlich zu Ende. Das spüren auch die Wählerinnen und Wähler in den USA, die sich händeringend eine härtere Gangart gegenüber China wünschen. Doch Joe Biden konnte letztlich nur höflich darum bitten, China möge die kommenden, demokratischen Wahlen in Taiwan respektieren und nicht zu den eigenen Gunsten beeinflussen. Die USA können letztlich nur noch versuchen, den militärischen Preis für Xi Jinping möglichst hochzutreiben, damit er nicht nach Taiwan greift.

Der Machthunger Chinas bleibt

Joe Biden versucht es derweil weiter mit Freundlichkeit. Es bleibt eine riskante Wette. Nach Angaben des Weißen Hauses ließ er zu Ehren Xi Jinpings beim gemeinsamen Arbeitsessen folgendes Menü servieren: Kräuter-Ricotta-Ravioli, Artischockenchips, gebratenes Estragon-Huhn, dazu Reis-Pilaw mit geröstetem Brokkoli und Rosenkohl. Zum Nachtisch noch etwas Mandel-Baiser-Kuchen und Praliné-Buttercreme an einer Dessertsoße aus roten Trauben.

Liebe geht durch den Magen. Und bei freundschaftlichen Treffen fördert gutes Essen sicherlich auch die Atmosphäre. Nur all das darf nicht darüber hinwegtäuschen: Xi Jinpings Hunger nach Macht bleibt ungestillt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Beobachtungen
  • Presseinformationen des Weißen Hauses
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