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Washington: Doppelmord-Attentat könnte die USA radikalisieren


Anschlag in Washington
Trump greift zur Keule


Aktualisiert am 24.05.2025 - 10:33 UhrLesedauer: 4 Min.
US-Präsident Donald Trump vor dem Weißen Haus (Archivbild).Vergrößern des Bildes
US-Präsident Donald Trump vor dem Weißen Haus (Archivbild). (Quelle: IMAGO/Pool/ABACA)
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Der antisemitische Anschlag von Washington erschüttert die US-Gesellschaft. Er bringt die Pro-Palästina-Bewegung in Verruf – und Donald Trump nutzt ihn zur Offensive gegen Universitäten.

"Free, free Palestine!" Diese Worte schrie Elias Rodriguez, nachdem er am Mittwochabend vor dem jüdischen Museum in Washington zwei Menschen erschossen hatte. Yaron Lischinsky und Sarah Milgrim, beide Mitarbeiter der israelischen Botschaft, starben noch auf der Straße. Ermordet von einem Mann, der jene politische Losung, die in den USA seit vielen Monaten bei Protesten gerufen wird, nun in rohe Gewalt verwandelt hat.

Es sind nur drei Worte, die Millionen Menschen in vielen Teilen der Welt größtenteils friedlich skandiert haben, um auf die furchtbare humanitäre Situation im palästinensischen Gazastreifen hinzuweisen. Der Schlachtruf war vielfach an Universitäten und auf Demonstrationen für Menschenrechte erklungen. In Washington missbrauchte Rodriguez ihn nun, um seine grausamen Taten zu begründen.

Antisemitismus und Hass auf Juden waren dort schon vielfach zu beobachten. Elias Rodriguez hat nun nicht nur zwei junge Menschen getötet. Sein Doppelmord stellt für viele die Ziele einer ganzen Bewegung infrage und droht, das angespannte politische Klima in den USA weiter zu radikalisieren. Die grausame Tat wird die Wahrnehmung der pro-palästinensischen Bewegung in den USA wohl nachhaltig prägen, mit bitteren Konsequenzen auch für jene, die friedlich für Menschenrechte demonstrieren.

Der Doppelmord war nicht nur ein mutmaßlich gezielter terroristischer Akt, wie ihn die Bundesanwaltschaft einstuft, sondern offenkundig ein antisemitisches Hassverbrechen. Es ist die bittere Bestätigung jener Warnungen, die seit Monaten vor der Radikalisierung in Teilen der pro-palästinensischen Bewegung warnen – einer Bewegung, die sich in weiten Teilen als friedlich und humanitär versteht.

Wer ist Elias Rodriguez?

Gerichtsakten und Medienberichten zufolge hatte Rodriguez keine Vorstrafen. Er ist ein 31 Jahre alter politischer Aktivist aus Chicago, offenbar gebildet, wortgewandt, mit einem Abschluss in Englisch von der University of Illinois. Beruflich war er zuletzt für eine medizinische Non-Profit-Organisation tätig.

Wie sehr es in Rodriguez brodelte, lässt sich an seinen Aktivitäten in sozialen Netzwerken ablesen. "Bombardiert Tel Aviv", "Frohes neues Jahr, Tod Israel", "Tod für Amerika" und "Ich habe für die Hamas gestimmt". All das soll Rodriguez schon kurz nach dem mörderischen Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober 2023, bei dem über tausend Menschen ums Leben kamen, öffentlich geschrieben haben. Es sind Äußerungen, die seine Radikalisierung offenbaren.

Ein mutmaßlich von ihm verfasstes Manifest ist auf den Tag vor dem Attentat in Washington datiert. Es zeigt ebenfalls, wie brandgefährlich Rodriguez ist. Darin spricht er von einem US-gestützten Völkermord, klagt die Mitverantwortung amerikanischer Politiker an und fordert, den Krieg "nach Hause zu bringen".

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Seine Tat bezeichnet Rodriguez im Manifest als ein notwendiges "Theater" und Spektakel. Friedlicher Protest für Gaza habe versagt, schreibt Rodriguez sinngemäß, nun müsse man eben andere Mittel wählen. Er bezieht sich dabei auch auf den amerikanischen Soldaten Aaron Bushnell, der sich im vergangenen Jahr aus Protest gegen die Unterstützung Israels durch die USA im Gaza-Krieg vor der israelischen Botschaft in Washington selbst verbrannt hatte. Rodriguez stilisiert ihn zum Märtyrer.

Angst in jüdischen Gemeinden

Der Doppelmord, der vom FBI als gezielt und kaltblütig beschrieben wird, hat jüdische Gemeinden weltweit erschüttert. "Unsere Gedanken sind bei den Familien der Opfer und allen, die von diesem antisemitischen Gewaltverbrechen betroffen sind", sagte etwa Gil Preuss, Geschäftsführer der Jewish Federation of Greater Washington.

Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald Lauder, teilte mit, der Anschlag sei "eine erschütternde Erinnerung daran, dass die Gefahr, der jüdische Gemeinden ausgesetzt sind, nicht nur eine Geschichte ist – sie ist real und allgegenwärtig." Der dreiste Gewaltakt habe sich zwar auf amerikanischem Boden ereignet, sein Ziel sei aber, "Juden überall auf der Welt in Angst und Schrecken versetzen".

Weltweit haben israelische Botschaften ihre Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. In Städten wie New York, Miami und Chicago wurden Sicherheitsmaßnahmen in jüdischen, muslimischen und christlichen Gemeinden hochgefahren. Die Angst ist greifbar.

Trumps Reaktion: Repression statt Reflexion

US-Präsident Donald Trump hat die Tat direkt als "offensichtlich antisemitisch" bezeichnet und angekündigt, "Radikalismus auszurotten". Nur einen Tag nach dem Doppelmord verkündete seine Regierung, der berühmten Harvard University das Recht zu entziehen, jegliche ausländische Studierende aufzunehmen. Die Begründung lautet, dass die Universität antisemitischen Hass fördere und Gewalt auf dem Campus dulde.

Diese Maßnahme ist jedoch keine direkte Reaktion auf den Mord von Washington. Sie rührt aus einem seit Monaten geführten Streit mit amerikanischen Elite-Universitäten. Trump entzog ihnen bereits Fördergeld in Milliardenhöhe und drohte damit, Steuerprivilegien für die Universitäten abzuschaffen.

"Das ist eine Warnung an alle Universitäten", erklärte Trumps Ministerin für innere Sicherheit, Kristi Noem. Harvard, so der Vorwurf, habe versäumt, gegen pro-terroristische Gruppen vorzugehen. Die Universität selbst bezeichnete die Maßnahme hingegen umgehend als "rechtswidrig" und warnte vor "ernsten Schäden für die Wissenschaftsfreiheit und internationale Glaubwürdigkeit der USA".

Für Kritiker ist dies Teil einer repressiven Strategie der Trump-Regierung: Legitime Kritik an Israels Krieg gegen Gaza werde zunehmend unterdrückt. Der Mord von D.C. könnte nun also als Begründung dienen, um die Zügel weiter anzuziehen. Nicht nur bei Extremisten, sondern auch bei friedlichen Demonstranten. Bereits zuvor kam es zu zahlreichen Verhaftungen. Studierende wie Mahmoud Khalil sitzen wegen ihrer Aktivitäten in Abschiebehaft.

Wenn Protest kriminalisiert wird

Der mutmaßliche Terrorist Elias Rodriguez mag allein gehandelt haben. Aber die Folgen seiner Tat betreffen viele. Der Satz "Free, free Palestine", für viele Ausdruck einer gewaltfreien Forderung nach Gerechtigkeit, droht zum Synonym für Terror zu werden. Das trifft auch palästinensische Aktivisten, die sich klar gegen Gewalt stellen, nun aber kollektivem Verdacht ausgesetzt sind. Die Debatte in den USA droht damit, sich immer weiter in einem reinen Schwarz-Weiß-Denken zu verfangen: Entweder pro-Israel oder pro-Terror. Für Differenzierung scheint immer weniger Platz zu sein.

Dabei hat die Hamas noch immer israelische Geiseln in ihrer Gewalt. Und die Lage in Gaza ist tatsächlich katastrophal. Mehr als 53.000 Menschen sollen dort seit Beginn der israelischen Offensive getötet worden sein, darunter viele Frauen und Kinder. Hunger und dauerhafte Blockaden verschärfen das Leid täglich.

Selbst engste Verbündete wie Kanada, Frankreich und Großbritannien, haben Israel jüngst vor Konsequenzen gewarnt, sollte die Offensive nicht gestoppt werden. Die öffentliche Debatte darüber in den USA wird nach diesem Terrorakt vermutlich noch schwieriger.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der US-Nachrichtenagentur AP
  • Manifest des mutmaßlichen Täters Elias Rodriguez (englisch)
  • Stellungnahme von Ronald Lauder (englisch)

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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