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Handelsstreit: Deutschland braucht eine neue Trump-Strategie


Handelsstreit
Deutschland braucht eine neue Trump-Politik

MeinungEin Kommentar von Fabian Reinbold, Washington

Aktualisiert am 09.03.2018Lesedauer: 4 Min.
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Angela Merkel und Donald Trump beim Nato-Gipfel im Mai 2017: Zeit, sich von Illusionen zu verabschieden.Vergrößern des Bildes
Angela Merkel und Donald Trump beim Nato-Gipfel im Mai 2017: Zeit, sich von Illusionen zu verabschieden. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)

Donald Trump verhängt Strafzölle für Deutschland und Europa – und lässt nur eine Hintertür offen. Berlin und Brüssel müssen dringend ihre Strategie gegenüber dem US-Präsidenten ändern.

Donald Trumps Entscheidung, globale Strafzölle auf Stahl und Aluminium zu erlassen, wurde auf chaotische Weise getroffen, sie wurde vorgetragen mit zum Teil plumpen Drohungen, doch eines war sie nicht: überraschend.

Man hätte sich drauf einstellen können, einstellen müssen.

Trumps Fixierung auf das amerikanische Handelsdefizit ist ebenso wenig zu übersehen wie seine Absicht, mit protektionistischen Maßnahmen der leidenden US-Industrie zu helfen. Seine Meinung zu Handelsfragen hat Trump sogar schon zu Zeiten klargemacht, in denen sich niemand vorstellen konnte, dass er einmal Präsident werden würde.

Keine Extrawurst für Europa

Deutschland und der EU ist müsste eigentlich klar sein, dass sich diese Politik insbesondere gegen ihre extrem hohen außenwirtschaftlichen Überschüssen richtet. Und dennoch sehen sie so aus, als seien sie kalt erwischt worden. Sie haben gedacht, Trump mit Vergeltungsmaßnahmen gegen Bourbon und Orangensaft abschrecken zu können, und bis zuletzt auf Trumps Einsicht gehofft. Darauf gesetzt, dass der Präsident doch noch jenen Gehör schenkt, die die enge wirtschaftliche Vernetzung von EU und USA betonen. Und darauf, dass man als treuer Verbündeter eine Ausnahmeregelung erhält.

Was für eine Fehleinschätzung!

Zwar hat Trump in Aussicht gestellt, dass "wahre Freunde" sehr wohl von den heftigen Strafzöllen ausgenommen werden könnten. Doch am Donnerstag stellte sich heraus, dass er damit vor allem Kanada und Mexiko meint, mit denen er gerade über ein Handelsabkommen verhandelt, und Australien, das seine Verteidigungsausgaben erhöht hat, so wie Trump es mag. Eine Hintertür lässt er offen: Alle anderen können sich noch Zugeständnisse aushandeln, bis die Strafzölle in zwei Wochen in Kraft treten sollen.

Die bittere Erkenntnis lautet: Unter Trump gibt es keine Extrawurst für Europa, und Deutschland gilt nicht als "wahrer Freund". Trump empfindet die Handels- und Zollpolitik nun einmal tatsächlich als unfair.

Zeit, sich von Illusionen zu verabschieden

Es wirkt deshalb unbeholfen, dass die EU-Handelskommissarin nach der Verkündung Trumps erneut den Anspruch äußert, die EU müsse als treuer Partner Amerikas von den Strafzöllen ausgenommen werden.

Oder wenn der einzige Vertreter der Bundesregierung, der zuletzt nach Washington gereist ist, Transatlantikkoordinator Jürgen Hardt (CDU), sich am Dienstag noch hoffnungsvoll zeigte, dass US-Handelsminister Wilbur Ross Trump zur Vernunft bringen könne. Dabei hatte Ross zuvor bereits klargemacht, dass er Trump folgen werde, wofür auch immer der sich entscheiden würde.

Wichtige Themen entscheidet Trump allein

Bei Trumps Kernprojekten bringt es wenig, auf die bewährten Kanäle zum Kongress und in die Ministerien zurückzugreifen. Die Themen, die Trump wichtig sind, entscheidet er allein. Die Deutschen haben mit dem Außenministerium geredet, doch Trump ignoriert seinen eigenen Außenminister. Die Deutschen setzen auf den Handelsminister, doch der folgt Trump blindlings. Das bedeutet: Die Deutschen müssen ihre Strategie ändern.

Schließlich muss man damit rechnen, dass Trump weitermacht. Der US-Präsident hat sogar Strafzölle auf Autos ins Spiel gebracht, eine Maßnahme, die die Autonation Deutschland empfindlich treffen würde. Jedes zehnte deutsche Auto wird schließlich in die USA exportiert. Soll man da weiter auf das Prinzip Hoffnung setzen?

Trump verknüpft Handels- und Verteidigungspolitik

Die Optionen Berlins sind zwar begrenzt und in Handelsfragen ist die EU federführend. Die hat sich dafür entschieden, Vergeltungsmaßnahmen anzudrohen.

Doch wie sehr es auch an speziell Deutschland hängt, zeigt eine Bemerkung Trumps vom Donnerstag. Im Zusammenhang mit den Strafzöllen hat er sich – wieder einmal – bitter beklagt, dass Berlin nicht genug für die Verteidigung ausgebe und sinngemäß auf Kosten der USA in den Nato-Strukturen lebe.

Es ist ein alter Vorwurf, der allerdings nicht unberechtigt ist, da die Bundesregierung mit Verteidigungsausgaben zuletzt von 1,22 Prozent des BIP das Zwei-Prozent-Ziel der Nato tatsächlich weit verfehlt. Die Bundesregierung interpretiert dieses Ziel allerdings anders und sieht sich auf gutem Weg, doch hat Trump damit bislang nicht im Ansatz überzeugen können.

Das ist ein Versäumnis, das die deutsche Wirtschaft nun teuer zu stehen kommen könnte, weil Trump die Punkte Handels- und Militärpolitik ganz offen miteinander verknüpft.

Merkel muss ran

Diesen Punkt muss die Bundesregierung nun mit Trump direkt klären. Das ist die Aufgabe der Bundeskanzlerin.

Sie und die Bundesregierung haben die Eskalation der Handelskrise verschlafen, weil sie zuletzt nur geschäftsführend im Amt waren. Deutschland war mit sich selbst beschäftigt, fünf Monate Gezerre um die Regierungsbildung haben es außenpolitisch gelähmt. In Washington ist seit November kein Minister mehr vorstellig geworden.

Die Welt wartet nicht auf uns, hatte Merkel in der zähen Zeit selbst einmal gewarnt, und Recht behalten: Trump hat Fakten geschaffen, während Deutschland auf Stand-by war.

Jetzt muss die Bundeskanzlerin einen neuen Weg finden, Trump von seiner Verärgerung über die deutschen Militärausgaben und Handelsüberschüsse abzubringen, die sonst wohl als Begründung für weitere Maßnahmen im Handelskrieg herhalten dürfte. Denn in Amerika stehen wichtige Halbzeitwahlen an und Trump könnte mit weiteren Schutzzöllen bei seiner Wählerbasis punkten wollen.

Am Mittwoch wird Angela Merkel zur Bundeskanzlerin gewählt werden. Sie sollte sich sehr schnell auf den Weg nach Washington machen – um zu verhindern, dass Deutschland zum größten Opfer von Trumps Handelsattacken wird.

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