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Joe Manchin: Der Mann, der US-Präsident Joe Biden zerstören könnte


US-Senator Joe Manchin
Der Mann, der die Präsidentschaft von Joe Biden zerstören könnte

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns

Aktualisiert am 28.06.2021Lesedauer: 6 Min.
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Kompromiss um jeden Preis? Joe Manchin (rechts) treibt Joe Biden vor sich her.Vergrößern des Bildes
Kompromiss um jeden Preis? Joe Manchin (rechts) treibt Joe Biden vor sich her. (Quelle: imago-images-bilder)

Die Demokraten haben im Kongress eine Mehrheit – aber sie ist hauchdünn. Ausgerechnet der demokratische Senator Joe Manchin blockiert die Initiativen von Joe Biden. Scheitert der Präsident an ihm?

Der Mann, der das Leben des US-Präsidenten zusehends schwer macht, liebt seine Heimat mehr als seine Nation. So jedenfalls wirkt es auf den ersten Blick. Denn Heimat heißt bei Joe Manchin: West Virginia. Hier ist der US-Senator der Demokraten zu Hause. Hier war Manchin früher schon mal Gouverneur. Hier wurde er zum vehementesten Widersacher seiner eigenen Partei sowie seines Präsidenten Joe Biden und zum Buhmann einer ganzen Nation. Zumindest jenes Teils, der sich als progressiv bezeichnet.

Wer ist dieser Mann und was macht ihn zur Reizfigur in den eigenen Reihen? Das politische Leben von Joe Manchin ist geprägt von seinem unbedingten Willen, politisch zu überleben. Das unterscheidet ihn nicht von den meisten anderen Politikern. Aber in seinem Bundesstaat braucht er einen besonders ausgeprägten Überlebenswillen. Zumindest als Demokrat. Denn West Viriginia ist fest in der Hand der Republikaner. Bei den Präsidentschaftswahlen 2016 und 2020 bekam Donald Trump hier fast 70 Prozent der Stimmen. Trotzdem gewann Joe Manchin schon zweimal den Senatssitz für die Demokraten. Er ist ein bisschen wie ein Sozialdemokrat, der in Bayern unerwartet Karriere gemacht hat.

Deshalb tut Manchin sehr viel, um überparteilich zu wirken. Trägt er einen Mundschutz, ziert diesen selbstverständlich das Emblem von West Virginia. Keine Gelegenheit lässt er aus, um seine tiefe Verbundenheit auszudrücken – selbst der Geburtstag seiner Ehefrau fällt praktischerweise mit dem Gründungstag des 35. US-Bundesstaates zusammen.

"Happy Birthday to West Virginia & to my lovely wife, Gayle", schrieb er am 20. Juni auf seinem Instagram-Account. Dazu ein Foto mit ihr, Arm in Arm, posierend oberhalb eines von grünen Wäldern gesäumten Flusstales. Gayle wurde 74 Jahre alt und West Virginia 158. Manchins politische Botschaft dazu: Jeder in West Virginia solle stolz darauf sein, "wie weit wir schon gekommen sind und wie weit wir noch gehen werden".

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Manchin ist die Hassfigur der Demokraten

Es klingt wie ein Selbstlob auf ihn. Denn Joe Manchin ist es, der angesichts der Übermacht der Republikaner in West Virginia tatsächlich schon weit gekommen ist. Und viele Demokraten fragen sich, wie weit er noch gehen wird. Denn ausgerechnet der 73 Jahre alte Demokrat im US-Senat lässt den eigenen Präsidenten Joe Biden bei seinen Gesetzesvorhaben stolpern.

Der andere Joe, so die Kritik von Manchins Gegnern, verhalte sich wie ein verkappter Republikaner und gefährde damit die ohnehin hauchdünne Senatsmehrheit. Im Moment gibt es de facto ein Patt: 50 Republikanern stehen 48 Demokraten und zwei unabhängige Senatoren gegenüber, die fast immer mit den Demokraten stimmen. Laut Verfassung entscheidet im Falle eines Patts die Stimme der Vizepräsidentin Kamala Harris, die dem Senat vorsitzt. Es gibt damit eine Mehrheit von einer Stimme für die Demokraten.

Wenn, ja wenn Joe Manchin mitspielt. Doch er droht fast immer mit Blockade: Ob es um wichtige Gesetzesvorhaben der Demokraten für milliardenschwere Investitionen in die Infrastruktur geht, um schärfere Waffengesetze, um den Klimaschutz, um eine Reform zum Schutz des Wahlrechts oder um das Einwanderungsrecht. Das Politikmagazin "The New Republic" bezeichnete Manchin deshalb schon als den "König des Senats".

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Der Senat ist ein kompliziertes Gebilde. Um zu verhindern, dass Gesetzesinitiativen nicht immer weiter blockiert werden, braucht es häufig 60 von 100 Stimmen. Wenn aber selbst bei den Demokraten die Reihen wegen Manchins Sonderweg nicht geschlossen sind, fällt es den Republikanern noch leichter, sich gegen überparteiliche Kompromisse zu stellen.

Zumal der republikanische Minderheitsführer Mitch McConnell die Komplettblockade der Biden-Regierung zum Ziel dieser Wahlperiode erklärt hat. Auch den Versuch der Demokraten, die sogenannte Filibuster-Regel abzuschaffen, mit der die Republikaner Gesetzesvorhaben aufhalten könnten, verhindert Manchin.

Kein Wunder, dass viele Anhänger der Demokraten nicht nur unter Manchins Instagram-Heimatbildern ihrem Unmut über ihn Luft machen. Sie protestieren auf den Straßen, fordern ihn auf, endlich mit seinen Querschüssen aufzuhören. Manchin ist die Hassfigur in den eigenen Reihen. Gerade bei den Progressiven, wie etwa der New Yorker Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez. Folglich ist es auch kein Wunder, dass sich die Anhänger der Republikaner über so einen Demokraten freuen.

Wie aber rechtfertigt er sein Verhalten? Joe Manchin zählt sich zu den moderaten Demokraten. Er gibt an, das eigentliche Anliegen seiner Blockade-Haltung sei es, die oftmals notwendige Überparteilichkeit auf diese Weise überhaupt erst herzustellen. Er inszeniert sich als Republikaner-Versteher, als Bindeglied in dem schon lange tief gespaltenen US-Senat – mit erkennbarem Erfolg.

Joe Biden hatte kürzlich sichtlich Mühe, einen zwischenzeitlichen, überparteilich erzielten Kompromiss zu seinem Infrastrukturplan noch als Erfolg zu verkaufen. Dabei liegt die Investitionssumme, auf die er sich nun mit einigen Republikanern und mit Joe Manchin geeinigt hat, mit 1,2 Billionen US-Dollar weit unter den ursprünglich angekündigten 2 Billionen US-Dollar. Auch bei den parallel laufenden Verhandlungen zu Bidens Investitionsprogramm im Sozialbereich lässt sich der Präsident herunterhandeln. Von der großspurig angekündigten Reichensteuer zur Gegenfinanzierung scheint ebenfalls nichts übrig geblieben zu sein.

Der einsame Ausnahme-Demokrat

Aber warum torpediert Manchin seine eigene Partei und den eigenen Präsidenten? Zum einen ist da seine persönliche Motivation. Ein wichtiger Grund ist eben, dass der Bundesstaat, der gleich westlich der US-Hauptstadt Washington, D.C. liegt, seit Langem stark republikanisch geprägt ist. In kaum einem anderen Staat bekam Donald Trump 2016 und auch 2020 derart viel Zustimmung.

So wirkt Joe Manchin zwar in Washington, D.C. wie eine republikanische Ausnahme bei den Demokraten. In seiner Heimat West Virginia aber ist er der einsame Ausnahme-Demokrat. Seine Siege als Senator 2012 und 2018 gelten deshalb als die beeindruckendsten politischen Triumphe in den USA überhaupt. Zudem verleihen ihm seine Erfolge im Feindesland eine Aura der Macht, die er damit auch faktisch besitzt. Dies sichert Manchin Unabhängigkeit von Präsident Biden und seiner eigenen Partei.

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Zum anderen könnte sein Agieren bei den anstehenden Zwischenwahlen 2022 für den Kongress Wähler für die Demokraten mobilisieren. Ob das gelingt, ist aber mehr als fraglich. Denn der Staat ist wie gesagt tief republikanisch geprägt. Manchin ist als Person beliebt. Seine eigene Wiederwahl als Senator würde aber erst wieder 2024 anstehen. Doch selbst wenn sein Agieren den Demokraten auch bei den Wahlen 2022 helfen würde: Was wäre damit für die Demokraten gewonnen, wenn der Preis dafür ist, dass ihre Gesetzesvorhaben so weit verwässert werden, dass sie auch von Republikanern stammen könnten?

Macht Manchin den US-Präsidenten zur "Lame Duck"?

Deshalb vermuten viele, dass Manchins Positionen nicht nur damit zu tun haben, dass er als Demokrat in einem republikanisch geprägten Staat politisch überleben will. Tatsächlich sind Manchins Positionen teils so konservativ, dass dahinter auch tatsächliche Überzeugungen vermutet werden können. Womöglich tickt er wirklich so, dass er kaum noch zu den Demokraten zu passen scheint.

Bis zum Schluss setzte er sich etwa gegen die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe ein. Statt seiner Parteilinie in der die USA tief spaltenden Frage zu Schwangerschaftsabbrüchen zu folgen, setzte er sich ganz im Sinne der republikanisch geprägten Pro-Life-Bewegung dagegen ein. Seine eher liberale Haltung zum Thema Waffenbesitz brachte ihm bereits zeitweilig die Unterstützung der Waffenlobby National Rifle Association (NRA) ein. Sogar für Trumps Kabinett war Manchin schon im Gespräch. Regelmäßig stimmte er im US-Senat für von Trump nominierte Kandidaten.

Aber Manchins Sonderrolle bei den Demokraten hat einen weiteren Aspekt, der wichtig ist. Er ist scheinbar einer der wenigen im Senat, die nach wie vor auf den politischen Gegner zugehen wollen. Während die Demokraten sich in den vergangenen Jahren im Themenspektrum immer weiter nach links orientiert haben, haben sich die Republikaner nicht nur deutlich weiter nach rechts bewegt, sondern dulden inzwischen deutlich antidemokratische Tendenzen in den eigenen Reihen, bis hin zu Anhängern der Verschwörungsideologie QAnon. Mit der Folge, dass überparteiliche Kompromisse kaum noch möglich erscheinen.

Joe Manchin geht fest davon aus, dass seine Taktik der Annäherung und der Suche nach Kompromissen zum Erfolg nicht nur für ihn in West Virginia, sondern im ganzen Land führen kann. Es ist sein Weg, die Spaltung des Landes zu überwinden.

Noch während Joe Bidens Präsidentschaft wird sich zeigen, ob er sich damit irrt. Der US-Präsident hat womöglich nur bis 2022 Zeit, die wichtigsten Vorhaben der Demokraten durchzusetzen. Zu groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass nach den Zwischenwahlen die Mehrheitsverhältnisse im Kongress zugunsten der Republikaner kippen.

Joe Manchin entscheidet also schon jetzt in erheblichem Maße darüber, ob Joe Biden als erfolgreicher Präsident in die Geschichte eingehen wird oder womöglich bereits in der ersten Hälfte seiner Amtszeit als das endet, was vielen Präsidenten erst in ihrer zweiten Amtszeit droht. Sie können eigentlich keine Gesetze mehr durchbringen und sind weitgehend machtlos. Sie fristen ein politisches Dasein als "lahme Ente".

Verwendete Quellen
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