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Iran-Raketen auf Israel: Wie Donald Trump gegen Kamala Harris punkten will


Raketen aus dem Iran
Trump wittert seine Chance


Aktualisiert am 03.10.2024Lesedauer: 6 Min.
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Donald Trump nutzt Irans Angriffe als Attacke gegen Kamala Harris.Vergrößern des Bildes
Donald Trump nutzt Irans Angriffe als Attacke gegen Kamala Harris. (Quelle: Carlos Barria)

Die Raketenangriffe des Iran auf Israel spitzen auch den amerikanischen Wahlkampf zu. Während Trump mit alarmierenden Botschaften seine Wähler mobilisieren will, stellt sich den Demokraten die Frage: Wie reagieren Biden und Harris auf die Eskalation?

Bastian Brauns berichtet aus Washington

Ausgerechnet am Tag des heftigen Raketenangriffs des Iran auf Israel veröffentlichte der amerikanische Außenminister Antony Blinken einen ausführlichen Gastbeitrag. Er erschien in dem bekannten Diplomatie-Magazin "Foreign Affairs" unter dem Titel "Amerikas Strategie der Erneuerung – Wiederaufbau von Führerschaft für eine neue Welt".

Das Timing hätte kaum unglücklicher sein können. Denn angesichts der neuerlichen Eskalation im Nahen Osten wirkte dieser Aufsatz beinahe wie das unfreiwillige Einverständnis des eigenen Scheiterns als Weltmacht, die gestaltet. Zumindest kann man diesen Eindruck gewinnen, wenn man die amerikanische Außenpolitik durch die Brille des Präsidentschaftswahlkampfes betrachtet.

Für komplexe Aufsätze, so wie jenen von Blinken, in denen man die langen Linien aufzeigt, ist in Wahrheit gerade keine Zeit. Zumindest kümmert sich darum kaum jemand. Es ist vielmehr eine Zeit für die schnellen, kurzen und leicht verfangenden Botschaften. Und niemand beherrscht diese Technik besser als Donald Trump.

Noch während die rund 200 Raketen auf Israel regneten, teilte der Republikaner gezielt ein Wahlkampfvideo, in welchem er ein düsteres Bild der Welt und der amerikanischen Führerschaft zeichnete.

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Zugleich ließ er die Amerikaner mit einem für Trump typischen Posting wissen: "Schaut euch die Welt heute an – seht euch die Raketen an, die gerade im Nahen Osten fliegen, seht euch an, was mit Russland/der Ukraine passiert, seht euch die Inflation an, die die Welt zerstört. NICHTS VON DEM IST PASSIERT, ALS ICH PRÄSIDENT WAR!" Wie er konkret die Konflikte verhindern oder lösen würde, bleibt Trump weiterhin schuldig. Sein bislang einziges Argument ist er selbst. Vor ihm hätte die Welt, samt ihren Bösewichten, Respekt. Wer ihn wählt, solle darauf einfach vertrauen.

Zwei komplett konträre Ansätze

Und somit offenbarten sowohl der lange Aufsatz des amerikanischen Außenministers Antony Blinken als auch die knappen Botschaften von Donald Trump an diesem Tag, wie unterschiedlich die Sichtweisen auf die amerikanische Weltpolitik sind.

Für die aktuelle demokratische Regierung von Joe Biden und Kamala Harris ist die Lage sowohl komplex als auch klar. Dem aggressiven Verhalten des Iran sei am besten beizukommen, indem man langfristig immer weiter den diplomatischen Druck erhöht und die militärische Präsenz in der Region zur Abschreckung verstärkt. In Blinkens außenpolitischem Aufsatz wurde die Schuld für die aktuelle Situation der vergangenen Trump-Regierung angelastet.

Stellvertretend für die Biden-Regierung kritisierte er Trump scharf dafür, aus dem Iran-Atomdeal ausgestiegen zu sein. Der Ausstieg habe "Teherans Atomprogramm aus seiner Einhegung befreit" und untergrabe somit die Sicherheit der USA und ihrer Partner. Darum habe sich die Biden-Regierung auch immer für eine Rückkehr zu einem Atomabkommen eingesetzt und gleichzeitig ein strenges Sanktionsregime aufrechterhalten.

Anhand der Eskalation im Nahen Osten machte Blinken auch die Verbindung zwischen Russlands Krieg in der Ukraine und dem Iran deutlich. Er stellte fest, dass Putin nunmehr auf die Unterstützung von Verbündeten wie dem Iran angewiesen ist, weil sie ihm beim Bau von Drohnenfabriken und der Lieferung von ballistischen Raketen helfen. Diese Ausrichtung unter revisionistischen Staaten stelle eine umfassendere Bedrohung für die globale Stabilität dar, so Blinken.

Die negativen Auswirkungen dieser Beziehungen auf den Nahen Osten seien nicht zu unterschätzen. Blinken wies in seinem Artikel darauf hin, dass Russland einst die Bemühungen des UN-Sicherheitsrats unterstützt habe, iranische atomare Ambitionen einzuschränken. Jetzt ermögliche der Kreml dagegen das Atomprogramm des Iran und erleichtere dessen destabilisierende Aktivitäten. Dieser Wandel habe Russland schließlich von einem Unterstützer Israels zu einem Unterstützer seiner Feinde, wie der Hamas, gemacht. Tatsächlich war der russische Premierminister Michail Mischustin gerade noch im Iran zu Besuch. Kurz darauf startete Teheran seinen Angriff auf Israel.

Ein eskalierender Konflikt

Der Raketenbeschuss stellt einen der heftigsten Angriffe auf Israel in der jüngeren Geschichte dar. Während die Luftabwehrsysteme Israels, unterstützt von US-Marineeinheiten, einen Großteil der eingehenden Raketen abfangen konnten, nannte Jake Sullivan, der nationale Sicherheitsberater der USA, den Angriff eine "schwerwiegende Eskalation". Welche Konsequenzen es geben werde, sei allerdings bisher nicht klar. US-Präsident Biden führe dazu mehrere direkte Gespräche mit der israelischen Regierung.

Übersetzt heißt das: Der amerikanische Präsident wird einmal mehr versuchen, den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu davon abzuhalten, noch härter zurückzuschlagen. In den vergangenen Tagen hat die US-Regierung bereits mögliche Szenarien für eine Eskalation zwischen dem Iran und Israel geprüft.

Die optimistischste Reaktion würde sich am Vorgehen im April orientieren, als die USA, Israel, Jordanien und die europäischen Verbündeten schon einmal fast alle iranischen Raketen und Drohnen erfolgreich abgefangen hatten. Schon damals hatte Biden dem israelischen Premierminister dazu geraten, diesen "Erfolg zu nutzen". Darum war die israelische Reaktion damals wohl auch eher zurückhaltend gewesen.

Ein folgenreiches Szenario, das man in Washington nun fürchtet, wäre ein israelischer Angriff auf die Nuklearanlagen des Iran, wo teils Uran so aufbereitet wird, dass es innerhalb von Tagen oder Wochen in waffenfähiges Material umgewandelt werden könnte. Die Sorge ist groß, dass Israel sich dieses Mal nicht mit einer harmlosen Antwort begnügt. Im Weißen Haus fürchtet man mitten im Wahlkampf einen Flächenbrand im Nahen Osten.

Die aktuelle Situation im Nahen Osten zeigt damit, wie regionale Auseinandersetzungen zwischen Israel, dem Iran und den Verbündeten von Teheran im Gazastreifen, im Libanon und im Jemen weitreichende Auswirkungen auf die US-Außenpolitik und die inneramerikanische Politik haben können. Es ist nicht nur ein kritischer Moment für Israel und den gesamten Nahen Osten, sondern auch für das politische Klima in den Vereinigten Staaten.

Trumps Angriff auf Harris’ Außenpolitik

Trump behauptete in einer ebenfalls während des laufenden iranischen Angriffs verbreiteten Pressemitteilung: "Wir haben keine Führung, niemanden, der das Land lenkt. Wir haben einen nicht existierenden Präsidenten in Joe Biden und eine vollkommen abwesende Vizepräsidentin, Kamala Harris, die zu beschäftigt ist, Spendengelder für den Wahlkampf in San Francisco einzusammeln."

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Ziel solcher Kritik ist es, die Amerikaner über seine treuen Anhänger hinaus hinter sich zu versammeln. Trump will das Bild von sich als einem starken Anführer verstärken, der in der Lage ist, globale Gegner, einschließlich des Iran, in Schach zu halten.

Biden und Harris waren in Wahrheit weder abwesend noch auf Wahlkampftour. Der Präsident und seine Vizepräsidentin saßen während des laufenden Angriffs im sogenannten Situation Room des Weißen Hauses und ließen sich fortlaufend über die aktuellen Entwicklungen von ihren nationalen Sicherheitsberatern informieren. Biden hatte das US-Militär vor Ort angewiesen, Israel bei der Verteidigung gegen iranische Angriffe zu unterstützen und Raketen abzuschießen, die auf das Land gerichtet werden.

Für Trump ist die Eskalation zwischen dem Iran und Israel aber eine weitere Gelegenheit, die Biden-Regierung und insbesondere Harris als schwach in Bezug auf die nationale Sicherheit darzustellen. Das Bild eines oder einer fähigen "Commander-in-Chief" ist zentral für das amerikanische Selbstverständnis und damit für viele auch wahlentscheidend, vornehmlich für Konservative und Unabhängige.

Trump verteidigte seinen Rückzug von 2018 aus dem früheren Iran-Atomdeal, den er als gescheiterte Politik bezeichnete. Der Atomdeal habe aggressive Handlungen des Iran in der Region überhaupt erst ermöglicht. Trump behauptete weiter, seine Strategie des "maximalen Drucks" habe den Iran während seiner Präsidentschaft effektiv neutralisiert, während der diplomatischere Ansatz von Barack Obama, Biden und jetzt Harris Teheran zu aggressivem Handeln ermutigt habe.

Die möglichen politischen Folgen für die USA

Fest steht: Für Harris und die Demokraten könnte der Zeitpunkt dieser Eskalation kaum ungünstiger sein. Am Ende dieses dramatischen Wahlkampfs könnte sich tatsächlich eine Wahrnehmung verfestigen, dass die USA die Kontrolle im Nahen Osten verlieren. Trumps aggressive Rhetorik zur Außenpolitik wirkt zu diesem Eindruck nur wie ein verstärkender Katalysator. Die andauernde Krise gibt ihm weitestgehend kostenloses Wahlkampfmaterial, um Harris' Untauglichkeit für die Weltbühne zu illustrieren.

Harris hat nun immerhin die Chance, dass ihre Strategie der Zurückhaltung insbesondere bei den eigenen Wählern Anklang finden kann. Bekanntermaßen haben gerade die Demokraten ein Problem in den eigenen Reihen, weil ein bedeutender Teil von arabischstämmigen Amerikanern das Vorgehen Israels und Bidens Unterstützung des Landes kritisiert.

Einige Republikaner forderten nach der Iran-Attacke eine deutliche, auch militärische Antwort der USA. In Anbetracht solcher Forderungen könnten sich diese Wähler womöglich wieder stärker hinter Harris versammeln. Und es könnten sogar konservative Menschen gewonnen werden, die weitere militärische Interventionen nach den Kriegen im Irak und in Afghanistan strikt ablehnen.

Doch Trumps Rhetorik ist geschickt, weil sie eben darauf setzt, dass er allein schon der Garant für Frieden sei. Für Harris bleibt es als Amtsinhaberin hingegen ein Balanceakt, einerseits etwa ein direktes militärisches Eingreifen der USA und eine heftige Reaktion Israels zu verhindern und andererseits Israel durch eher defensive Maßnahmen weiterhin zu unterstützen. Sie sitzt buchstäblich zwischen allen Stühlen und ist darüber hinaus nicht mal die Präsidentin, sondern nur die Stellvertreterin.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Überlegungen
  • Pressemitteilungen von Donald Trump (Englisch)
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