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Außenministerin Baerbock in Ostukraine: Überraschender Besuch in Charkiw


Erstmals seit Kriegsbeginn
Baerbock besucht überraschend Ostukraine

Von t-online
Aktualisiert am 10.01.2023Lesedauer: 4 Min.
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Ostukraine: Außenministerin Baerbock besuchte die zerstörte Stadt Charkiw. (Quelle: t-online)
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Ihr Besuch wurde aus Sicherheitsgründen geheim gehalten: Außenministerin Annalena Baerbock hat das ostukrainische Charkiw besucht, wie Aufnahmen zeigen.

Außenministerin Annalena Baerbock hat als erstes deutsches Kabinettsmitglied seit Beginn des russischen Angriffskriegs die Ostukraine besucht. Die Grünen-Politikerin machte sich am Dienstag in der lange umkämpften Stadt Charkiw ein Bild von der Situation der Menschen dort. "Charkiw – belagert, zerschossen, befreit", sagte Baerbock bei ihrer Ankunft. "Diese Stadt ist Sinnbild für den absoluten Irrsinn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine."

Baerbock wurde bei dem aus Sicherheitsgründen zunächst geheim gehaltenen Besuch vom ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba und dem ukrainischen Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, begleitet. Sie ist als erstes deutsches Kabinettsmitglied seit Beginn des russischen Angriffskriegs in die Ostukraine und das lange umkämpfte Charkiw gereist. Die nur gut 20 Kilometer von der Grenze zu Russland entfernte Millionenstadt war auch in jüngster Zeit russischen Angriffen ausgesetzt.

Baerbock in der Nacht mit Sonderzug unterwegs

Weil der Luftraum über der Ukraine nach wie vor gesperrt ist, fuhr Baerbock in der Nacht im Sonderzug von Polen aus zunächst in die Hauptstadt Kiew. Von dort aus nahm sie zusammen mit Kuleba und ihrer Delegation am Morgen um kurz nach 7.00 Uhr Ortszeit den regulären Intercity Express 722 nach Charkiw. Auf der Strecke verkehren moderne koreanische Züge, die von der Ukraine für die Fußball-Europameisterschaft 2012 angeschafft worden waren.

Baerbock besichtigte nach der Begrüßung durch Gouverneur Oleh Synjehubow und Bürgermeister Ihor Terechow am Bahnhof in Charkiw zunächst ein zerstörtes Umspannwerk. 15 Mal sei dieses schon angegriffen worden, erzählte ein Mitarbeiter. Die Infrastruktur für die Energieversorgung ist Hauptziel der seit Monaten laufenden russischen Raketenangriffe.

Powerbanks und Malstifte für verletzte und kranke Kinder

Im Kinderkrankenhaus Nr. 16 kam die Ministerin, selbst Mutter von zwei kleinen Mädchen, mit Patienten und deren Eltern zusammen. Als Geschenke brachte sie unter anderem Malstifte und Powerbanks mit – wegen der russischen Angriffe fällt oft der Strom aus. Eine Ärztin berichtete über die hohe Qualität der Behandlung, aber auch über Probleme. "Der Krieg greift auch die Seelen der Kinder an", sagte sie. Hier lebten die mutigsten Menschen der Welt, entgegnete Baerbock. Das habe sie auch ihren Töchtern gesagt. Sie wolle der Welt zeigen, wie stark die Menschen von Charkiw und vor allem die Kinder seien, diesem Krieg zu trotzen.

Die Ministerin ließ sich auch den bei russischen Angriffen schwer beschädigten nordöstlichen Stadtteil Saltiwka zeigen. Angesichts der russischen Attacken auf die Infrastruktur besichtigte sie eine zerstörte Heizkesselanlage, besuchte den Wärmeraum einer Schule und sprach mit Mitarbeitenden eines Heizkraftwerkes. In Charkiw herrschen derzeit in der Nacht bis zu zweistellige Minustemperaturen.

Im Wärmeraum der Schule tauschte sich die Ministerin mit Lehrerinnen und Schülern einer bereits am 27. Februar zerstörten Schule aus. Die Schule gehört zu einer vom Auswärtigen Amt 2008 ins Leben gerufenen Initiative von 1.800 Partnerschulen mit einer besonderen Deutschlandbindung – sogenannten Pasch-Schulen.

Die Ukrainer zeigten Baerbock zudem die am zentralen Platz der Freiheit liegende Gebietsverwaltung von Charkiw, die am 1. März von russischen Raketen zerstört worden war. Dabei wurden in der zweitgrößten ukrainischen Stadt 29 Menschen getötet. Direkt nach dem Einmarsch in die Ukraine waren die Russen kurz in Außenbezirke der Stadt vorgedrungen.

Sie konnten sich dort aber nicht festsetzen und wurden schnell wieder herausgedrängt. Aus dem Gebiet Charkiw mussten sie sich im September weitgehend zurückziehen – nach einer ukrainischen Offensive, die die Russen hinter den Fluss Oskil drängte.

Kuleba fordert die Lieferung von Leopard-Panzern

Außenminister Kuleba drängte bei dem Besuch auf die Lieferung von Leopard-Panzern. "Diese Panzer brauchen wir, um unsere Städte, Dörfer und alles, was sich unter russischer Besatzung befindet, zu befreien." Das sei nicht nur eine "fixe Idee" der Ukrainer, so Kuleba. Die deutschen Panzer seien nötig, "um unsere Energieinfrastruktur zu retten, um die Ukrainer vor den Verbrechen zu retten."

Der 41-Jährige zeigte sich überzeugt davon, dass Berlin die schweren Kampfpanzer liefern werde. "Je länger diese Entscheidung braucht, umso mehr Menschen werden aufgrund der fehlenden Bewaffnung der ukrainischen Armee sterben", mahnte Kuleba. Zugleich äußerte er seine Dankbarkeit für die bisherigen Waffenlieferungen seit Beginn der russischen Invasion Ende Februar. Die "große Entscheidung" über die deutschen Panzer stehe aber noch aus. "Je schneller diese Entscheidung gefällt wird, umso eher endet dieser Krieg mit einem Sieg der Ukraine", unterstrich der Chefdiplomat.

Baerbock sichert Unterstützung auf dem Weg in die EU zu

Baerbock äußerte sich nicht direkt dazu, sicherte aber der Ukraine dauerhaften Beistand gegen den Angriffskrieg und auf dem Weg in die Europäische Union (EU) zu. Die Menschen in der Ukraine sollten "wissen, dass sie sich auf unsere Solidarität und unsere Unterstützung verlassen können", versicherte die Grünen-Politikerin. Ihr sei wichtig, "dass wir auch in diesem Kriegswinter den Platz der Ukraine in unserer europäischen Familie nicht aus dem Blick verlieren", ergänzt die Ministerin.

Die Bundesregierung wolle konkrete Angebote machen, damit das Land bei der Stärkung des Rechtsstaats, unabhängiger Institutionen, der Korruptionsbekämpfung sowie bei der Angleichung an die EU-Standards vorankomme.

Millionen für Minenräumung und besseres Internet

Baerbock sagte zudem zusätzliche Unterstützung in Höhe von 20 Millionen Euro zur Minenräumung und für Winterhilfe etwa mit Generatoren sowie weitere 20 Millionen Euro für eine bessere Internetversorgung zu. Mit dem Geld zum Ausbau des Satelliten-Internetsystems Starlink könnten 10.000 Bodenstationen finanziert werden, ein Drittel davon sollen den ukrainischen Streitkräften zugutekommen. Die Echtzeitkommunikation ermögliche es den Soldaten, sich bei der Verteidigung ihrer Heimat genau zu koordinieren und besser gegen russische Angriffe zu schützen.

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Zur Unterstützung zählten "auch weitere Waffenlieferungen, die die Ukraine braucht, um ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger zu befreien, die noch unter dem Terror russischer Besatzung leiden", sagte Baerbock. Sie besuchte das Land nur wenige Tage nach der Entscheidung der Bundesregierung zur Lieferung deutscher Schützenpanzer vom Typ Marder, die die Ukraine immer wieder gefordert hatte.

Charkiw ist eine der am stärksten vom Krieg betroffenen Städte der Ukraine. Durch Artillerie- und Raketenangriffe sind laut der Stadtverwaltung mehr als 8.000 Häuser beschädigt worden. Im Stadtteil Saltiwka hat fast jedes Haus Schäden davongetragen. Doch nach der erfolgreichen Gegenoffensive der Ukrainer kehren die Bewohner auch hierher zurück und versuchen trotz täglichen Luftalarms ein normales Leben aufzubauen. Gouverneur Oleh Synjehubow zufolge lebten Ende Dezember wieder rund 1,1 Millionen Menschen in der Stadt – das sind fast 80 Prozent der Vorkriegszahl.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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