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Faktencheck zu "Maischberger": Die Mär von der bösen Minderheitsregierung


Faktencheck zu "Sandra Maischberger"
Die Mär von der bösen Minderheitsregierung

David Heisig

Aktualisiert am 22.02.2018Lesedauer: 3 Min.
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Groko-Talk bei "Sandra Maischberger": In der ARD-Sendung ging es um die geplante große Koalition.Vergrößern des Bildes
Groko-Talk bei "Sandra Maischberger": In der ARD-Sendung ging es um die geplante große Koalition. (Quelle: ARD)

Die SPD-Mitgliederbefragung hat begonnen. Bei Sandra Maischberger ging es schon mal um entsprechende Szenarien zum Ausgang des Votums. Wir unterziehen die Kernaussagen einem Faktencheck.

Von David Heisig

Die Gäste

  • Katarina Barley (SPD), Bundesfamilienministerin
  • Monika Grütters (CDU), Präsidiumsmitglied
  • Annika Klose (SPD), Berliner Juso-Vorsitzende
  • Birgit Kelle, Publizistin
  • Wolfgang Kubicki (FDP), stellv. Bundesvorsitzender
  • Hans-Ulrich Jörges, Journalist

Darum ging es

Eines vorweg: Schön anzuschauen war Maischbergers Sendung nicht. Denn die Diskutanten missachteten jegliche Regeln des Miteinanderredens. So wurde das Ausredenlassen zur Nebensächlichkeit. Hauptsache jede und jeder beanspruchte einen möglichst großen Redeanteil. Auch wenn sie oder er gar nicht gefragt wurde. Rühmliche Ausnahme war Kubicki. Er kam ohnehin kaum dran.

Sandra Maischberger war sichtlich überfordert. Dabei warf sie in ihrer Sendung spannende Fragen auf: Wohin steuern die beiden Volksparteien? Was passiert, wenn die SPD-Mitglieder den Koalitionsvertrag ablehnen? Welche Rolle spielt die AfD im neu aufgestellten Politik-Zirkus?

Bei allem Diskussionschaos konnte man immerhin die Grundstimmungen der einzelnen Diskutanten deuten. Grütters und Barley mussten die Groko-Fahne hochhalten, für einen stabilen Politikbetrieb votieren. Die Neufindung der jeweiligen Parteien müsse parallel laufen. Ablehnung durch die SPD-Basis und Neuwahlen? Für beide ein „Worst-Case-Szenario“.

Klose formulierte für die Jusos, gerade das wäre der Aufbruch zu neuen Ufern, neuer sozialer Politik, losgelöst von Gerhard Schröders Agenda 2010. Ein „Nein“ zum Koalitionsvertrag wäre gelebte Demokratie, ein Aufruf zur Erneuerung, so die Jungsozialistin.

Stimmt das denn überhaupt?

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte? Oder niemand? Worüber überhaupt? Wir haben aus dem Diskussionsgewusel im Maischberger-Studio zwei Kernaussagen extrahiert und unterziehen sie dem Faktencheck:

1. Die AfD ist die lachende Dritte?

Oder bald lachende Zweite. Das könnte man meinen, wenn man aktuelle Meinungsumfragen bemüht. So rechnet das Institut für neue soziale Antworten (Insa) aus, dass die AfD mittlerweile vor der SPD liege. Jörges geißelte jenes Institut mit Sitz in Erfurt zwar als AfD-nah. Aber auch Umfragen anderer Institute – wie Infratest dimap oder der Forschungsgruppe Wahlen – erkennen wachsenden Zuspruch für die Rechtspopulisten.

Barley ging es „auf den Zeiger“, dass in der Sendung wieder über die Konkurrenz gesprochen werde. Doch das lässt sich nicht umgehen. Kubicki betonte, man müsse sich dieser Partei demokratisch stellen. Doch wer wählt die AfD? Dazu hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) eine aktuelle Studie veröffentlicht. Demnach sind es vor allem alte Menschen in dünn besiedelten Regionen. Junge Leute wandern von dort in die Städte ab. Zurück bleibt die Angst der Alten vor Verfall der Infrastruktur.

Landflucht und Überalterung spielen vor allem im Osten und in Teilen des Nordens der Republik eine besondere Rolle. Im Westen wirkt die Beschäftigtenzahl im verarbeitenden Gewerbe besonders auf die Stimmenzahlen ein. Treibend ist die Angst der Arbeitnehmer vor Automatisierung in ihren Betrieben und damit verbundenem Jobverlust. Es mögen eher unterdurchschnittlich Verdienende die AfD wählen. Allein das macht es nicht aus. Es sind vor allem Zukunftsängste, die den Zulauf zu den Rechtspopulisten bedingen. Mehr als die Angst vor Überfremdung.

2. Wäre eine Minderheitsregierung wirklich schrecklich?

Sie könne ja verstehen, dass manche auch in ihrer Partei nach einer Minderheitsregierung schmachteten, so Barley. Ihre Ablehnung begründete die Sozialdemokratin mit politischem Kalkül. Die SPD brächte keine Vorhaben mehr durch, überließe der Union die Zügel. Kubickis trockene Antwort: „Woher wissen sie das denn?“

In der Tat: Die Minderheitsregierung müsste von den Parteien im Bundestag geduldet werden und immer wieder zur Durchsetzung von Gesetzesvorgaben um Mehrheiten kämpfen. Der Göttinger Politikwissenschaftler Stephan Klecha sieht darin eine Chance für mehr Diskurs auf Parlamentsebene, weil Standpunkte abgewogen werden müssen, um Gemeinsamkeiten zu finden. Gegner der Minderheitsregierung kontern mit politischer Instabilität und langer Dauer von Einigungsprozessen.

Auf Bundesebene bereitet vielen der wachsende Einfluss der AfD Sorgen, die bei der Mehrheitsfindung zwangsläufig eingebunden werden müsste. In anderen Ländern funktioniert das mit Minderheitsregierungen aber: In Dänemark, Spanien oder Norwegen regieren Parteien, die für sich keine Mehrheit haben. Auf Bundesebene wäre die Minderheitsregierung indes ein Novum.

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