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Klimastreik vor der Wahl: "Laschet wäre auch ohne Kandidatur eine Reizfigur"


Klimastreik vor der Wahl
"Laschet wäre auch ohne Kandidatur eine Reizfigur"

InterviewVon Nils Kögler

24.09.2021Lesedauer: 4 Min.
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Armin Laschet diskutiert mit "Fridays for Future"-Aktivistin Luisa Neubauer: Der Unionskandidat steht besonders in der Kritik der Klimabewegung.Vergrößern des Bildes
Armin Laschet diskutiert mit "Fridays for Future"-Aktivistin Luisa Neubauer: Der Unionskandidat steht besonders in der Kritik der Klimabewegung. (Quelle: Manngold/imago-images-bilder)

Zwei Tage vor der Bundestagswahl ruft "Fridays for Future" zum globalen Klimastreik auf. Wie positioniert sich die Bewegung zur Bundestagswahl – und wie groß ist ihr Einfluss? Ein Experte klärt auf.

"Im ganzen Land und auf der ganzen Welt gehen wir am 24. September auf die Straßen – für den Wandel, für Klimagerechtigkeit. (...) Denn Klimagerechtigkeit wird das wahlentscheidende Thema." So hat die "Fridays for Future"-Bewegung ihren heute stattfindenden globalen Klimastreik in Deutschland beworben.

Doch welche Haltung vertreten die Aktivisten gegenüber Parteien und Kanzlerkandidaten? t-online hat mit Moritz Sommer vom Institut für Protest- und Bewegungsforschung gesprochen, der bereits zu "Fridays for Future" geforscht hat.

t-online: Herr Sommer, wie positioniert sich "Fridays for Future" zur Bundestagswahl und den Parteien?

Moritz Sommer: Letztendlich formuliert die Bewegung eine Generalkritik an allen Parteien. Keine der großen Parteien wird ihrem Anliegen eigentlich gerecht. Auch keines der Parteiprogramme ist ihrer Meinung nach konkret genug und dazu geeignet, wirklich das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Selbst die Grünen werden da nicht von der Kritik ausgenommen, obwohl zwischen den Zeilen deutlich wird, dass das noch die große Partei ist, die am ehesten diesem Ziel nahekommt.

Eine Nähe der Bewegung zu den Grünen erscheint doch zunächst logisch. Wie glaubhaft ist es, dass die Bewegung keine Partei unterstützt?

Es muss natürlich unterschieden werden zwischen "Fridays for Future" als Bewegung und den einzelnen Aktiven. Wir haben unter Demonstrierenden Umfragen gemacht – allerdings schon eher zu Beginn der Bewegung, also 2019 – da hat sich gezeigt, dass über 40 Prozent die Grünen wählen würden, der Höchstwert.

Dennoch lässt sich "Fridays for Future" nicht von den Grünen vereinnahmen und gibt als Bewegung umgekehrt auch keine Wahlempfehlung. Sie machen im Gegenteil sogar darauf aufmerksam, dass auch die Grünen aus ihrer Sicht zu wenig tun.

Rüttelt "Fridays for Future" mit ihrer Kritik nicht auch am Markenkern der Grünen als Klimaschutzpartei?

Das mag bei einzelnen so wirken, aber das ist kein großes Problem für die Grünen. Die Partei hat im Gegenteil sehr stark von "Fridays for Future" profitiert. Der Beginn der Bewegung 2019 und die Stimmenzuwachse in den Umfragen für die Grünen fallen zum Teil stark zusammen. Die Grünen haben von dem Bedeutungszuwachs des Themas Klimaschutz profitiert und es gibt auch personell Überschneidungen. Einige, die bei der Bewegung aktiv sind, treten bei Wahlen für die Grünen an. Ich würde also nicht sagen, dass das eine Gefahr darstellt.

Wenn 40 Prozent von "FFF" die Grünen wählen, für wen entscheiden sich denn die übrigen 60 Prozent?

Die Linke spielt mit rund zwölf Prozent eine relevante Rolle. Die AfD wurde natürlich gar nicht genannt. Und die Regierungsparteien der CDU/CSU und SPD sind mit Prozentsätzen im niedrigen einstelligen Bereich nur marginal vertreten. Ein sehr großer Anteil hatte sich zum Zeitpunkt unserer Umfrage aber noch für keine Partei entschieden.

Sind Nicht-Wähler in den Reihen der Bewegung zu befürchten? Immerhin ist die Bewegung mit keiner Partei so richtig zufrieden.

Dazu habe ich keine Ergebnisse, aber ich halte es für denkbar. In Berlin gibt es zwar beispielsweise die Klimaliste, die versucht, die Unzufriedenen mit einem noch radikaleren Klimaprogramm abzuholen. Aber ich kann mir vorstellen, dass es einige gibt, die gar nicht wählen werden. Auf der anderen Seite zeigen unsere Umfragen, dass die Aktiven bei "Fridays for Future" politisch sehr interessiert sind und auch im Vergleich zu den Teilnehmenden anderer Demonstrationen durch ein hohes Maß an Vertrauen in die Demokratie auffallen.

Eine Ablehnung der Parteien oder der institutionellen Politik als solche betreiben sie nicht. Deshalb denke ich, dass diejenigen, die auch mit den Grünen unzufrieden sind, doch in dem Sinne strategisch denken. Sie werden immer noch glauben, dass sie mit einer grünen Kanzlerin und starken Grünen in der Regierung mehr erreichen können und mehr Gehör finden als beispielsweise unter einem Kanzler Laschet.

Auf Demonstrationen und in den sozialen Netzwerken mobilisieren die Aktivisten besonders gegen Laschet.

Sie beurteilen die Kanzlerkandidaten eben nach ihren Klimaprogrammen bzw. den Programmen ihrer Parteien. Laschet ist der Kandidat der CDU/CSU, die für die Bewegung als Inkarnation des Versäumens einer guten Klimapolitik steht, und bekommt deshalb diese Frustration und diesen Ärger ab. Bei ihm ist es zudem so, dass er schon Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen war, als es die Auseinandersetzungen mit den Aktivisten um den Hambacher Forst gab. Deshalb kann ich mir vorstellen, dass er auch ohne Kanzlerkandidatur eine große Reizfigur für die Bewegung wäre.

Durch ihre Bekanntheit hat "Fridays for Future" mittlerweile viel Aufmerksamkeit. Gibt es belastbare Zahlen darüber, wie viele Menschen sie mittlerweile erreicht und welchen Einfluss das auf die Meinungsbildung vor der Bundestagswahl hat?

Da gibt es keine belastbaren Zahlen und das ist natürlich wissenschaftlich schwer zu messen. Generell nimmt der Klimawandel als Thema deutlich mehr Raum ein, das hängt natürlich auch damit zusammen, dass "Fridays for Future" mobilisiert. Ein Indiz für den Zusammenhang sind die Politbarometer seit 2019, in denen die drängendsten Probleme in der deutschen Gesellschaft abgefragt werden. Da können Sie nachverfolgen, wie das Thema Klimawandel parallel mit dem Aufstieg von "Fridays for Future" den Spitzenplatz erreicht.

"Fridays for Future" ist als eine Jugendbewegung bekannt. Entspricht das überhaupt noch der Wahrheit?

Grundsätzlich ja, es sind inzwischen aber auch Erwachsene viel stärker vertreten. Die Jugendlichen haben es geschafft, einen breiten Bevölkerungskreis anzusprechen, mit ihren Eltern und in den Schulen mit den Lehrerinnen und Lehrern zu diskutieren. Mit ihren Verbündeten, den "Scientists" und "Parents for Future", haben sie das Thema auch in Kreise außerhalb der Schulen und Universitäten getragen. Die Bewegung hat sich also demographisch gewandelt, aber trotzdem sind der Kern, der die Demos organisiert, immer noch die Jugendlichen.

Herr Sommer, danke für das Gespräch.

Verwendete Quellen
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