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Bundestagswahl | Ampel? "FDP-Chef Lindner versucht den politischen Spagat"


FDP-Chef Lindner verhandelt über Ampel
Operation Notausgang


Aktualisiert am 08.10.2021Lesedauer: 5 Min.
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Christian Lindner: Der FDP-Chef will jetzt eine Ampelkoalition sondieren, aber wie lange bleibt er dabei?Vergrößern des Bildes
Christian Lindner: Der FDP-Chef will jetzt eine Ampelkoalition sondieren, aber wie lange bleibt er dabei? (Quelle: reuters)

Christian Lindner wollte mit der Union regieren, nun verhandelt der FDP-Chef mit SPD und Grünen. Die Geschichte eines Mannes, der den politischen Spagat versucht.

Volker Wissing sieht zufrieden aus. Es ist kurz nach 18 Uhr an diesem Donnerstag, die Berliner Abendsonne scheint auf das Berliner Messezentrum "Cube". Drinnen steht Wissing, der FDP-Generalsekretär, freundlich lächelnd, neben Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil.

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Gerade haben die drei mit ihren jeweiligen Verhandlungsteams etwa sechs Stunden lang die Möglichkeit einer Ampelkoalition ausgelotet. Jetzt sagt Lindner: "Das heutige Gespräch macht Mut. Wir spüren die Erwartungen und die Hoffnungen, die die Menschen in uns setzen. Ich bin zuversichtlich, dass die nächste Woche eine gute werden kann.“

Wissing wirkt recht fidel für jemanden, dem seine eigenen Parteifreunde hinter vorgehaltener Hand bescheinigen, "politische Bauchschmerzen" bei diesem Bündnis zu haben.

Denn eigentlich wollten Wissing und vor allem sein Parteichef Christian Lindner ja lieber mit der Union regieren. Noch bis vor wenigen Wochen hatte Parteichef Christian Lindner immer wieder behauptet, es sei praktisch "sicher", dass Armin Laschet Kanzler werde. Und er gab zu verstehen, dass ihm das auch sehr recht wäre.

Was heißt das für die FDP, was heißt das für Christian Lindner?

Doch am Mittwoch verkündete der FDP-Chef dann, dass er stattdessen Sondierungsverhandlungen über ein mögliches Ampelbündnis mit den Grünen und der FDP führen möchte. Und: Es werde "keine Parallelgespräche" mit der Union geben. Der Grund: Auf viele Liberale wirken die Christdemokraten gegenwärtig mehr wie ein Haufen zerstrittener Polit-Egos, weniger wie eine seriöse Regierungspartei.

Der angekündigte Rückzug von Laschet hat an dieser Situation nichts verändert. Im Gegenteil: Die CDU wird in den kommenden Wochen eher noch mehr mit sich beschäftigt sein.

Deshalb nun also Verhandlungen über eine Ampelkoalition, die für die regierungswillige FDP eine Operation Notausgang ist. Dass man sich zwischen den Parteien bereits angenähert hat, wurde am Donnerstagabend deutlich. Nicht nur Wissing, auch Lars Klingbeil und Michael Kellner zeigten sich am Donnerstagabend zuversichtlich.

Aber: Was heißt das für die FDP, was heißt das für Christian Lindner? (Wobei das fast dasselbe ist, trotz Volker Wissing.)

Die Liberalen stehen vor der Frage, um welchen Preis sie regieren wollen. Und sie versuchen nun zu klären, welche Zugeständnisse sie den Grünen und der SPD abringen können – bevor sie wieder nicht regieren, statt schlecht regieren wollen. Denn die Parteibasis und auch etliche Wähler dürften nicht um jeden Preis in ein Regierungsbündnis gehen wollen. Im schlimmsten Fall könnte nach vier Jahren Regierung schon wieder Schluss sein. So wie 2017.

Rote Linie Steuern, rote Linie Klimaschutz

Ein FDP-Funktionär sagt: "Wir bewegen uns mit dieser Koalition ins linke Spektrum hinein. Also können wir auch erwarten, dass uns Grüne und SPD entsprechend weit entgegenkommen." Am Donnerstag wurde noch wenig über die inhaltlichen Kompromisslinien klar, das Gespräch diente eher der ersten Annäherung. FDP-General Wissing hatte aber bereits angekündigt, dass es keinen "Flickenteppich aus den Parteiprogrammen" geben dürfe.

Der wichtigste Standpunkt der FDP lautet: keine Steuererhöhungen. Das war der große Wahlkampf-Song von Lindner, den dieser praktisch bei jeder Veranstaltung sang. Grüne und SPD werden dieses Vorhaben vermutlich mittragen.

Bei anderen inhaltlichen Aspekten dürfte die Einigung schon komplizierter werden: Die Grünen etwa wollen der Schuldenbremse eine Regel hinzufügen, die zusätzliche Investitionen ermöglicht. Das lehnt die FDP strikt ab. Spannend dürfte auch die Diskussion ums Tempolimit werden, auch bei der von Grünen und SPD geforderten "Kindergrundsicherung" ist noch kein Kompromiss abzusehen. Diskutiert wird ebenfalls, ob der Kohleausstieg ein wenig vorgezogen wird, die FDP könnte dafür bei einer Erhöhung des Mindestlohns ihren Widerstand aufgeben.

Was für die Liberalen "keine Steuererhöhungen" sind, ist für die Grünen "mehr Klimaschutz": "Die nächste Bundesregierung muss eine Klimaregierung sein" erklärte Robert Habeck am Donnerstag. Das sei die rote Linie der Grünen. Nun hält auch die FDP den Klimaschutz für ein wichtiges Anliegen. Doch setzt die Partei mehr auf technologische Innovationen als auf politische Verbote.

Es könnte eine der Kernfragen der nun intensiven Verhandlungen sein: Wie viel Regulierung macht die FDP mit?

Der Kampf um das Finanzministerium

In der Partei wird bereits mit großer Spannung auf ein Papier gewartet, das am Ende der Sondierungsverhandlungen für eine Ampelkoalition beschlossen wird. Mancher will auch deshalb besonders viele Festlegungen auf liberale Standpunkte, weil vier Jahre bekanntlich lang sein können: Wer weiß, was die vielen linken Jusos in der frisch gewählten SPD-Fraktion nicht noch alles an Inhalten umsetzen wollen? Dann lieber von vornherein eigene Standpunkte festzurren, bevor man überrollt werde, heißt es. Die Angst bei den Liberalen ist groß, dass im Laufe der Jahre die jetzt noch so strahlende FDP wie eine Kerze im Nebel verschwindet.

Ein Ressort dürfte entscheidend dafür sein, ob die FDP als Partei dasteht, die von den anderen über den Tisch gezogen wird: das Bundesfinanzministerium. Als Christian Lindner noch erklärte, wie sicher es sei, dass Armin Laschet Kanzler werde, sagte er auch oft, dass er gern Finanzminister würde. Robert Habeck geht es allerdings genauso. Schließlich geht es um das mächtigste Amt nach dem Kanzler.

Weil es am Ende in der Politik fast immer um Geld geht, säßen die Liberalen an einer entscheidenden Schaltstelle. Die FDP könnte ihren Anhängern zurufen: Guckt mal, was wir für verrückte Ideen der Grünen und der SPD verhindert haben. Auch wenn sie hin und wieder Kompromisse für zusätzliche Aussagen mittragen müsste.

Wohin führt die Operation Notausgang?

Wichtig dafür, wie und ob es mit der Ampelkoalition weitergeht, dürfte auch der persönliche Umgang der Koalitionäre miteinander sein. Das Verhältnis zwischen Christian Lindner und Olaf Scholz ist zumindest ausbaufähig. Scholz gilt zwar als Pragmatiker, aber auch als brillanter Verhandler, der den politischen Gegner so kühl über den Tisch ziehen kann, dass der dabei nicht einmal Reibungswärme spürt.

Bei den Liberalen kommt bereits die Idee auf, dass man ein SPD-Rezept anwendet. Die Sozialdemokraten gingen zwar 2017 mit noch lauterem Zähneknirschen in die Regierungskoalition als jetzt Christian Lindner, doch damals lautete die Absprache: Nach zwei Jahren ziehen wir eine Zwischenbilanz der Regierung – und entscheiden dann, ob und wie wir weitermachen.

Der Drahtseilakt, jetzt doch mitzuregieren, ist für Christian Lindner wegen seiner eigenen Worte gefährlich: Aufgrund seiner "Armin Laschet wird Kanzler"-Erklärung dürften viele FDP-Wähler geglaubt haben, mit ihrer Stimme für die Partei eine konservativ geprägte Regierung zu wählen. Doch nun könnte ihre Stimme die Macht eines SPD-Kanzlers sichern.

Wohin die Regierungsoperation Notausgang für Christian Lindner führt, dürfte frühestens das Eckpunktepapier nach den Sondierungen zeigen. Und spätestens klar ist es im September 2025 – am Wahlabend der nächsten Bundestagswahl.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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