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Olaf Scholz kontert: Gespräch mit Klimaaktivisten verstörte mich nachhaltig


Oma-Aktivistin (81) warnt Scholz
"Das sollte Ihnen Angst machen"


Aktualisiert am 07.06.2023Lesedauer: 5 Min.
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Olaf Scholz beim Europafest in Falkensee Anfang Juni 2023. Der Kanzler legte sich bei der SPD-Veranstaltung mit Zwischenrufern an.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz beim Europafest in Falkensee Anfang Juni 2023. Der Kanzler legte sich bei der SPD-Veranstaltung mit Zwischenrufern an. (Quelle: IMAGO/Sebastian Rau/photothek.de)

Olaf Scholz stellt sich auf RTL den Fragen von Bürgern. Eine 81-jährige Aktivistin der "Letzten Generation" wirft ihm Populismus vor. Der Kanzler kontert.

"Mit wem rede ich heute: mit dem neuen Kanzler on fire oder dem, der eher was wegscholzt?" Moderatorin Pinar Atalay bekam die Antwort in der Sondersendung "RTL Direkt Spezial – Am Tisch mit Olaf Scholz" am Dienstag umgehend. "Ich freue mich auf die Fragen und die Antworten, die ich geben kann", erwiderte ihr Gast gewohnt bedächtig.

Der SPD-Politiker blieb in der Fragerunde mit Bürgern tatsächlich keine Antwort schuldig. Mehr als einmal aber lautete seine Replik auf existenzielle Sorgen schlicht: "Das ist nicht so."

Die 81-jährige Klimaaktivistin Regine Springorum von der "Letzten Generation" verlor daher schnell die Geduld mit dem Bundeskanzler. "Herr Scholz, ich bin jetzt dran!", fiel die ehemalige Lehrerin dem Regierungschef gleich zu Beginn der rund einstündigen Sendung ins Wort. Seine Aussage, die Aktionen der "Letzten Generation" seien "völlig bekloppt", wies die wegen des Klimas besorgte Großmutter als "populistisch und billig" zurück: "Das wird der Würde Ihres Amtes nicht gerecht."

Scholz wettert gegen "Letzte Generation"

Die Scholzsche Retourkutsche folgte auf dem Fuße. "Das ist der Würde der Demokratie nicht angemessen, dass man lauter Straftaten begeht", kommentierte der Kanzler die Straßenblockaden der Klimaaktivisten. Solche Aktionen würden "nur Ärger und Widerstand" auslösen.

"Die Solidarisierungswelle steigt gewaltig", widersprach die 81-Jährige aus Niedersachsen. Sie warnte: "Das sollte Ihnen Angst machen." Doch der Kanzler gab sich unbeeindruckt. "Das sagen immer alle, die ganz komische Aktionen machen", ließ er die Seniorin abblitzen.

Scholz erinnerte dann selbst daran, dass er sich nach der Bundestagswahl mit Vertretern der "Letzten Generation" getroffen hatte, die zuvor in den Hungerstreik getreten waren. "Das war ein Gespräch, das mich übrigens nachhaltig verstört hat", erinnerte er sich. Denn beide Seiten hätten nur aneinander vorbeigeredet.

Er habe bei der Unterredung von neuen Windrädern oder Stromleitungen berichtet. "Und dann kommt immer nur: 'Ja, aber das ist mir ganz unwichtig. Es geht um die Ziele." Das ernüchternde Fazit des Regierungschefs lautete: "Das ist natürlich für eine Welt, die ganz konkret ist, nicht konkret genug."

Facharbeiter: "Es passiert bei uns nichts"

Die Bürgersprechstunde mit Scholz im Fernsehsender RTL war schon die zweite ihrer Art. Im Mai 2022 war das Format schon einmal ausgestrahlt worden. Damals hatte Chris Rücker (58), Schmelzer im Stahlwerk in Eisenhüttenstadt, von Scholz jede Menge Zusagen zum Schutz der Arbeitsplätze bekommen.

"Es passiert bei uns nichts", bilanzierte der Facharbeiter nun in der Sendung. An anderer Stelle tut sich nach Ansicht des 58-Jährigen hingegen leider zu viel. "Habeck will sich etablieren mit irgendwelchen Gesetzen", warf Rücker mit Blick auf die Regelung zu Gasheizungen dem Bundeswirtschaftsminister von den Grünen vor.

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"Was alles mal gut war, ist jetzt auf einmal alles schlecht. Das kann doch nicht sein", gab der Schichtführer am Hochofen der Ratlosigkeit vieler Bürger Ausdruck. "Es kommt mir so vor wie mit der Brechstange – dass jetzt alles auf einmal losgehen muss."

Scholz verteidigt Heizungsgesetz

"Das ist keine Überforderung", widersprach Scholz hingegen, was das umstrittene Verbot neuer Gasheizungen ab 2024 anbelangt. Für den Kanzler hakt es hier weniger an der Sache selbst. Für ihn müssten die Bürger nur richtig verstehen, worum es wirklich gehe.

Das größte Problem sei laut Scholz, dass alle denken würden, der Umstieg auf klimafreundliches Heizen müsse in den nächsten anderthalb Jahren passieren. "Tatsächlich passiert alles bis 2045." Ob das Rückers Sorgen angesichts seiner 15 Jahre alten Gasheizung gedämpft hat, bleibt fraglich.

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"Man muss sich Klimaschutz leisten können", gab auch Christoph Golly (38), Vater von vier Kindern, zu bedenken. Er habe wegen der Inflation mit 100 Euro nur noch halb so viel im Einkaufswagen wie früher. "Wann wird sich Arbeit wieder lohnen?", erinnerte der Zerspanungsmechaniker aus Baden-Württemberg den Bundeskanzler an dessen Wahlkampfversprechen.

Kanzler kann den Bürgern die Ängste nicht nehmen

"Danke erst mal auch für die Arbeit, die Sie ja jeden Tag leisten. Es ist ja auch eine große Herausforderung, Vater von vier Kindern zu sein. Deshalb: Mein Respekt", holte der Kanzler zunächst einmal weitschweifig aus. Dann zählte Scholz auf, was die Ampel alles geleistet habe: Mindestlohn und Kindergeld angehoben, Wohngeld für mehr Menschen.

Dass davon Bürger der Mittelschicht nur bedingt profitieren, machte Golly umgehend deutlich. "Bei allem Respekt: Das sind alles so Tröpfchen auf den heißen Stein", stoppte er den SPD-Politiker. "Das Leben an sich ist so teuer geworden. Man kann sich nichts mehr leisten." Er überlege deshalb ernsthaft, ob er nicht einfach Bürgergeld beziehen solle. Denn selbst mit 40 Stunden Arbeit blieben am Ende für seine Familie nur 200, 300 Euro mehr übrig.

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"Auf alle Fälle ist es so, dass alle, die arbeiten, mehr Geld haben als die, die nicht arbeiten. Das ist auch richtig so", sagte Scholz dazu.

"Macht Ihnen das Angst?"

Die Schere zwischen Ängsten der Bürger und Antworten der Politik geht nach Ansicht der Landrätin Nicole Rathgeber (Freie Wähler) immer weiter auseinander und stärkt die politischen Ränder. "Das spielt der AfD in die Karten. Wir müssen auf unsere Demokratie extremst aufpassen. Ich sehe sie mittlerweile in Gefahr. Das macht mir Angst und das macht auch den Bürgerinnen und Bürgern Angst", warnte die Kommunalpolitikerin aus dem Werra-Meißner-Kreis in Nordhessen.

Die Bürger seien angesichts von Pandemie, Ukraine-Krieg und Inflation schlichtweg überfordert und wüssten nicht "Wo fühle ich mich noch sicher?", sagte Rathgeber. "Macht Ihnen das Angst?", wollte Atalay von Scholz wissen. "Das macht mir … Sorgen", erwiderte er.

Die Moderatorin hakte angesichts der guten Umfragewerte für die AfD nach, schließlich sei diese mit einem Ergebnis von 18 Prozent auf dem Niveau der SPD angelangt. Ist die AfD damit eine Volkspartei? "Volkspartei ist eine Frage der inneren Einstellung, ob man viel zusammenführen will oder spalten will", erwiderte Scholz. Er betonte: Wir müssen zusammenhalten, gerade in so bewegten Zeiten wie diesen. "Da darf man nicht drumrum reden und muss dann richtig mit großer Kraft Problem für Problem versuchen, die Dinge zu lösen."

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Kanzler: Will nicht jedem nach dem Mund reden

"Aber müssen wir nicht als Politiker genau an dem Punkt vorne weggehen?", forderte Rathgeber Führungsstärke ein. Politiker müssten sich vor die Bürger stellen "und das Kreuz breitmachen". Das Gefühl habe man aber nicht, so die Landrätin. "Wir fühlen uns alleine gelassen", sagte die Kommunalpolitikerin mit Blick auf die große Zahl von Geflüchteten. "Das mit dem Alleine lassen darf nicht sein und ist auch nicht so", erwiderte Scholz.

Am Ende kam Atalay noch kurz auf die Ukraine zu sprechen. Scholz ging beim Bruch des Kachowka-Staudamms von einer "russischen Aggression" aus, die schlimme Konsequenzen für die Menschen in der Region habe. Sein letztes Telefonat mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin liege schon geraume Zeit zurück. "Ich habe jetzt länger nicht mit ihm gesprochen. Wegen der Kriegsverläufe fand ich, das ist jetzt nicht der richtige Moment. Aber ich habe mir vorgenommen, das wieder zu tun", kündigte Scholz an.

"Seien Sie mehr on fire", verlangte Landrätin Rathgeber zum Schluss von dem Kanzler. Familienvater Golly wünschte sich stärkere Chefqualitäten von Scholz. Der dämpfte die Erwartungen. Gerade angesichts der vielen Krisen sei es wichtig, klar, aber gelassen miteinander zu reden. "Ich bin der Kanzler von allen, aber ich rede nicht jedem nach dem Mund", so Scholz.

Verwendete Quellen
  • "RTL Direkt Spezial – Am Tisch mit Olaf Scholz" vom 6. Juni 2023 (Vorabfassung)
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