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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: Das überzeugt keine AfD-Wähler


Missglückte Rede des Bundespräsidenten
Oberlehrer der Nation

MeinungEine Kolumne von Liane Bednarz

14.08.2023Lesedauer: 6 Min.
Meinung
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Bundespräsident SteinmeierVergrößern des Bildes
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will mit seinen Reden den Zusammenhalt der Gesellschaft fördern. Seine letzte wird dazu nicht beitragen. (Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa/dpa)

Er wollte das Richtige, tat aber das Falsche: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnt in einer Rede vor Verfassungsfeinden und spielt damit der AfD in die Hand.

Wenig hat die Bundesrepublik Deutschland so sehr geprägt und zu einer offenen, pluralistischen Gesellschaft heranreifen lassen wie das Grundgesetz. Grund genug für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, dessen Entstehung vor 75 Jahren kürzlich gebührend zu feiern. Vom 10. bis 23. August 1948 erarbeitete der "Verfassungskonvent" auf der bayerischen Insel Herrenchiemsee einen Entwurf, der schließlich in das Grundgesetz mündete und am 24. Mai 1949 in Kraft trat.

Der deutsche Bundespräsident – Redehoheit statt politischer Macht

Steinmeier hielt anlässlich des Jubiläums an jenem historischen Ort eine eindringliche Rede. Ort und Anlass hätten nicht besser geeignet seien können, um die Gefahren, die unserer Verfassung und damit unserer Demokratie aktuell drohen, zu thematisieren. Doch seine Worte waren dafür alles andere als gut geeignet. Sie erreichten wohl eher das Gegenteil von dem, was sie bezwecken sollten.

Die Publizistin und Juristin Liane Bednarz
Die Publizistin und Juristin Liane Bednarz (Quelle: Privat)

Die Autorin

Liane Bednarz, 49 Jahre, ist eine liberal-konservative Publizistin. Sie ist promovierte Juristin und Mitglied der CDU. Sie hat diverse Bücher veröffentlicht, darunter 2015 "Gefährliche Bürger: Die neue Rechte greift nach der Mitte" und 2018 "Die Angstprediger. Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern".

Man muss dazu wissen: Reden des Bundespräsidenten können, wenn klug ausgearbeitet, ein Ereignis sein, ist er doch qua Amt das Staatsoberhaupt Deutschlands. Sie sollten zum Denken anregen und im besten Falle einen gesellschaftlichen Widerhall haben. Man denke nur an die Rede von Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985, in der er klar sagte, dass der 8. Mai 1945, also der Tag der Kapitulation Hitler-Deutschlands, kein Tag der Niederlage, sondern ein Tag der Befreiung war.

Anders als etwa die Präsidenten in den USA und Frankreich sind die Kompetenzen des Bundespräsidenten nämlich sehr begrenzt – das Amt hat eher repräsentative Funktion und soll integrierend wirken. Das wurde damals in Herrenchiemsee so festgelegt. Man wollte verhindern, dass ein mit großen Kompetenzen ausgestatteter Präsident zum Totengräber der Demokratie werden kann – so wie es einst Reichspräsident Paul von Hindenburg wurde. Am sogenannten "Tag von Potsdam", dem 21. März 1933, hatte Hitler sich nach dem Staatsakt zur Eröffnung des Reichstags vor dem damals 86-jährigen Hindenburg verneigt. Mit dem Handschlag der beiden Männer galt die Unterstützung Hindenburgs für Hitler als besiegelt. Danach begann die NS-Diktatur.

Gut gemeint ist nicht gut gemacht

Angesichts dieser Historie war es richtig, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Herrenchiemsee-Jubiläum dazu nutzte, um vor der Gefahr des Rechtsextremismus zu warnen, auch wenn er allgemeiner von "Extremismus" sprach.

Nur: Gut gemeint ist oftmals nicht gut gemacht. Im angloamerikanischen Sprachraum gibt es dafür den Slogan: "The road to hell is paved with good intentions" (Der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert). Denn falls Steinmeier und seine Redenschreiber vorhatten, Wähler zu erreichen, die Extremisten ihre Stimme geben, und sie für die Mitte zurückzugewinnen – dieser Versuch ist fehlgeschlagen.

So gut seine Absichten auch gewesen sein mögen, mit seiner Rede hat er der AfD, die in Teilen bereits als rechtsextremistisch beziehungsweise als Verdachtsfall für Rechtsextremismus eingestuft ist, eher in die Hände gespielt. Zwar waren zentrale Teile seiner Ansprache gut und richtig, andere dafür aber umso problematischer.

Die richtigen Worte findet er nur am Anfang

Im Neuen Schloss auf der Insel im Chiemsee sagte Steinmeier zunächst vollkommen zu Recht, dass eine Verfassung wie das Grundgesetz "harte und härteste Auseinandersetzung" vertrage, aber "Verfassungsfeinde" "nicht integrieren" könne. Verfassungsfeinden wollte er damit kundtun, dass die Verfassung nicht in ihrem Sinne dehnbar ist. Zugleich deutete er damit aber auch an, individuelle Menschen, die in den Extremismus abgeglitten sind, nicht aufzugeben, vielmehr zu versuchen, sie über inhaltliche Auseinandersetzungen zu erreichen.

Das ist insofern wichtig, als vor allem der Rechtsextremismus sich in den letzten Jahren erheblich ausgeweitet hat. Fielen früher nur "Alte Rechte", also etwa Neonazis und Kameradschaften mit NS-Ideologie, unter diesen Begriff, so sieht der Verfassungsschutz inzwischen auch bei der "Neuen Rechten" und ihrem politischen Arm, der AfD, entsprechende Tendenzen.

Der Thüringer Parteichef Björn Höcke etwa wurde von Thomas Haldenwang, dem Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, bereits im März 2019 als "Rechtsextremist" bezeichnet. Im Jahre 2021 legte der Landesverfassungsschutz nach und stufte die ganze Thüringer AfD als "gesichert rechtsextremistisch" ein, wogegen sie nun juristisch vorgehen will. Im April nannte der Bundesverfassungsschutz auch die Partei-Jugendorganisation "Junge Alternative gesichert rechtsextremistisch.

Die Bundespartei wiederum ist bekanntlich seit 2022 ein „Verdachtsfall" für Rechtsextremismus. Haldenwang wird nicht müde, vor den verfassungsfeindlichen Strömungen in der AfD zu warnen, wie zuletzt anlässlich ihres Parteitags in Magdeburg. Seit dem Aufkommen aggressiver Corona-Leugner hat seine Behörde die "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" als neue Extremismuskategorie im Blick.

Steinmeier erinnert richtigerweise in seiner Rede daran, dass es "im Kampf gegen den Extremismus eine historische Lehre" gebe, "die sich wie ein roter Faden durch den Verfassungsentwurf von Herrenchiemsee zieht". Nämlich: "Eine Demokratie muss wehrhaft sein gegenüber ihren Feinden. Niemals wieder sollen demokratische Freiheitsrechte missbraucht werden, um Freiheit und Demokratie abzuschaffen."

Dann kippt die Rede

Aber dann kippen Steinmeiers Worte, was er sagt, wirkt kontraproduktiv. Denn im Folgenden greift er Menschen individuell an, ermahnt sie wie ein Oberlehrer. Steinmeier im O-Ton:

"Wir alle haben es in der Hand, die Verächter unserer Demokratie in die Schranken zu weisen. Wir alle – jede Politikerin und jeder Politiker, aber eben auch jede Bürgerin und jeder Bürger – wir haben eine gemeinsame Verantwortung für unsere Demokratie. Wir müssen sie schützen."

"Kein mündiger Bürger kann sich auf mildernde Umstände herausreden, wenn er sehenden Auges politische Kräfte stärkt, die zur Verrohung unserer Gesellschaft und zur Aushöhlung der freiheitlichen Demokratie beitragen".

"In die Schranken weisen". Das klingt wie ein strenger Vater, der das Wahlvolk maßregeln will. Und die Verweigerung "mildernder Umstände" erinnert an das Urteil aus dem Mund eines Strafrichters. Auch wenn Steinmeier die AfD nicht ausdrücklich beim Namen nennt, ist klar, dass ihre Anhänger gemeint sind, wenn er kurz darauf sagt, "kein mündiger Bürger" könne sich auf "mildernde Umstände herausreden", wenn er die genannten politischen Kräfte "stärkt". Dass er statt "stärkt" nicht "wählt" gesagt hat, dürfte ihm zwar eine Klage der AfD wegen Verletzung der politischen Neutralitätspflicht des Bundespräsidenten ersparen, aber nicht den Vorwurf, mehr als ungeschickt zu agieren.

Wenig überraschend reagierte das (neu)rechte Lager pikiert. Die zum gemäßigten Teil dieser Kreise zählende Wochenzeitung "Junge Freiheit" nannte Steinmeier einen "Verfassungsspalter", der "im Stil linksradikaler Agitatoren Metaphern aus dem Strafrecht" bemühe, "um Wahlentscheidungen zu bewerten" bzw. "unliebsame Wähler" zu maßregeln. Der Vergleich mit "linksradikalen Agitatoren" geht sicher fehl, aber ansonsten hat die Zeitung in der Sache Recht, auch wenn sie der AfD nahesteht und insofern mit Vorsicht zu genießen ist.

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Die falsche Methode

Ja, es ist richtig, dass die AfD sich seit ihrem Bundesparteitag im sächsischen Riesa im Juni 2022 in einem Maße turboradikalisiert hat. Der Vorstand ist seither personell ganz auf Linie des auch sonst längst in der Partei dominierenden völkischen Teils der Partei.

Aber mit einer Maßregelung im Strafrechtsjargon wird man keinen einzigen AfD-Anhänger zurückgewinnen. Im Gegenteil. Rechts gedriftete Bürger reagieren auf eine solche Ansprache extrem empfindlich. Und trotzig. Besonders in Ostdeutschland.

Steinmeier und/oder seine Redenschreiber haben Null, wirklich Null-Komma-Null Gespür dafür gezeigt, dass der Begriff "Rechtsextremismus" bei Wählern der AfD kaum noch als Warnung verfängt. Zu sehr sitzen Letztere längst der neurechten Erzählung auf, der Verfassungsschutz sei ein "Büttel der Regierung". Wer sie erreichen möchte, braucht Langmut, muss genau erklären, warum die Gedankenwelt der AfD so gefährlich ist. Und einsehen, dass die Flucht hin zur AfD in signifikanten Teilen auch und gerade an schlechter Regierungspolitik wie dem vermurksten "Heizungsgesetz" liegt.

Es war ausgerechnet Steinmeier, der erst jüngst im ARD-"Sommerinterview" selbst genau das erkannt hatte. Dort sprach er davon, dass man "das Geschäft der Angstmacher in dieser Gesellschaft nicht noch weiter fördern" dürfe, "sondern eine Konjunktur der Problemlöser" benötige. Die hohen Umfragewerte der AfD seien zwar "beunruhigend", aber dürften "nicht dazu führen, dass wir jede kritische Frage automatisch als Populismus und Rechtsextremismus einordnen." Stattdessen müsse man sich fragen, warum es zu dieser Hinwendung vieler zur AfD komme. Sehr kritisch über die Ampel sagte Steinmeier zudem: "Selbstverständlich müssen sich Regierungsparteien auch fragen, und sie tun es ja, ob man die richtigen Themen hat, ob Themen ausgelassen werden, ob man die richtige Kommunikation wählt (…)."

Das klingt ganz anders als der Steinmeier auf Herrenchiemsee. Regierende und demokratische Politiker daran zu erinnern, einen guten Job zu machen, statt sich gegenseitig zu zerfleischen, ist zielführender, als Wähler zu beschimpfen. Eine solche Rede hätte vielleicht auch einen gesellschaftlichen Widerhall.

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