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Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker totDeutschland verliert eine "moralische Instanz"


Trauer um Richard von Weizsäcker
Deutschland verliert eine "moralische Instanz"

Von dpa, t-online
Aktualisiert am 31.01.2015Lesedauer: 4 Min.
Richard von WeizsäckerVergrößern des BildesRichard von Weizsäcker (Quelle: dpa-bilder)
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Der Tod des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker hat über die Parteigrenzen hinweg große Betroffenheit ausgelöst. Deutschland habe einen "großartigen Menschen und ein herausragendes Staatsoberhaupt" verloren, erklärte Bundespräsident Joachim in seiner Rede. Linksfraktionschef Gregor Gysi sprach von einer "herausragenden Persönlichkeit". Weizsäcker war am Samstag im Alter von 94 Jahren in Berlin gestorben.

"Richard von Weizsäcker hat sich um Deutschland verdient gemacht. Mit vielen Menschen in unserem Land und in vielen anderen Ländern der Welt trauere ich um unseren früheren Bundespräsidenten. In großer Dankbarkeit verneige ich mich vor einem großen Deutschen", so Gauck weiter.

Zuvor hatte der amtierende Bundespräsident seinen Vorgänger bereits in einem Kondolenzschreiben an die Witwe Marianne Freifrau von Weizsäcker als eine "moralische Instanz" gewürdigt. "Die Erinnerung zu bewahren und hieraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, waren ihm wichtige Anliegen, gerade auch im Hinblick auf die junge Generation", betonte Gauck.

Kauder: "Seine Stimme blieb für uns alle wichtig"

Nach Ansicht von Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) hat der Verstorbene "Deutschlands Ansehen in der Welt gemehrt". In seiner Zeit als Mitglied der Bundestagsfraktion habe er die Deutschland- und Ostpolitik mitgeprägt. "Richard von Weizsäcker hat die Versöhnung und Aussöhnung mit unseren Nachbarn in Europa und mit Israel als eine besondere Verpflichtung und Aufgabe empfunden und gelebt", erklärte Kauder. Er habe dies im Bewusstsein der geschichtlichen Verantwortung Deutschlands getan.

Als Präsident aller Deutschen habe von Weizsäcker nach der Wiedervereinigung bei der Herstellung der inneren Einheit Deutschlands mitgewirkt. "Auch nach seiner Amtszeit blieb seine Stimme für uns alle wichtig."

"Deutschland würdig vertreten"

SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel hat von Weizsäcker als Wegweiser in wichtiger Zeit gewürdigt. "Richard von Weizsäcker hatte die Gabe und den Intellekt, den Menschen Orientierung zu geben und Deutschland in der Welt würdig zu vertreten", erklärte Gabriel im Namen der Parteiführung.

Aus den Reihen der Grünen heißt es von den beiden Vorsitzenden Simone Peter und Cem Özdemir: "Mit Richard von Weizsäcker verliert Deutschland den Bundespräsidenten der deutschen Einheit und einen engagierten Kämpfer für demokratische und freiheitliche Rechte. (...) Als Alt-Präsident warb er für ein Zuwanderungsgesetz, weil es für ihn Antwort auf die Frage geben soll: "Wie lernen wir zusammenzuleben in einer Zeit, in der wir zusammenwachsen, ob wir wollen oder nicht."

"Tag der Befreiung"

Unvergessen bleibe seine Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes. "Seine Einordnung dieses Tages als Tag der Befreiung hat das Geschichtsverständnis der Deutschen nachhaltig beeinflusst. Diese Rede wird für immer als Zäsur in den Geschichtsbüchern seinen Platz haben", so Gabriel.

Diese Rede hatte im In - und Ausland für Aufsehen gesorgt. Zudem habe von Weizsäcker frühzeitig die Ostpolitik von Willy Brandt und sein Bemühen um Aussöhnung unterstützt, vor allem auch mit den polnischen Nachbarn.

"Mit großer persönlicher Glaubwürdigkeit und dadurch erworbener Autorität mahnte Richard von Weizsäcker stets eine emanzipierte Bürgerlichkeit an, die aus dem Versagen der Vergangenheit Konsequenzen zieht." Die Bedeutung, so Gabriel weiter, die von Weizsäcker der Europäischen Union und der verlässlichen Rolle der Deutschen darin immer zugemessen hat, sei eine der wichtigsten Lehren. "Die Bürger und Bürgerinnen werden Richard von Weizsäcker als einen in Deutschland und im Ausland besonders verehrten Bundespräsidenten in Erinnerung behalten."

Weizsäckers Diktum, wonach der 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 zu trennen sei, "ist eine nicht revidierbare Grundlage für unser Selbstverständnis und Handeln geworden", erklärte Gauck. Der einstige Präsident habe weltweit für ein Deutschland gestanden, "das seinen Weg in die Mitte der demokratischen Völkerfamilie gefunden hatte". Mit seinen Äußerungen 1985 habe das damalige Staatsoberhaupt "Geschichte geschrieben", erklärte CDU-Generalsekretär Tauber.

Würdigung von Gysi

Linken-Fraktionschef Gregor Gysi hat von Weizsäcker als "herausragende Persönlichkeit" gewürdigt. "Er hat ein bewegtes und unterschiedliches Leben geführt. Zunächst Offizier im Zweiten Weltkrieg, kam er Schritt für Schritt zu der Erkenntnis, welches verbrecherische Regime die Nazidiktatur war", erklärte Gysi.

"Als Bundespräsident setzte er sich für eine Verständigung und Aussöhnung mit Osteuropa ein. Er engagierte sich auch für eine engere Verbindung zwischen den beiden deutschen Staaten." Besonders hervor hob Gysi die Rede zum 40. Jahrestag der Befreiung vom Hitler-Regime im Jahr 1985: "Er benannte alle Opfer des Hitlerregimes, darunter erstmalig als herausragender Bundespolitiker, auch die Kommunistinnen und Kommunisten", lobte Gysi. "Er war ein Mann der hohen politischen Kultur, die wir auch heute noch dringend benötigen."

Grüne: "Integrität wird uns fehlen"

Andere Mitglieder der Grünen bezeichnen von Weizsäcker als "wunderbaren Menschen, großen Staatsmann und Intellektuellen". "Seine moralische Integrität wird uns allen fehlen", teilten die Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt mit.

Von Weizsäcker habe Deutschland und das Bild von Deutschland verändert. "Wie kaum ein anderer Politiker hat er in seiner Zeit als Bundespräsident Vertrauen in das demokratische Deutschland geschaffen." Sein offenes und warmherziges Auftreten habe in der Welt Menschen ihre Vorbehalte und Ängste gegenüber Deutschland genommen.

Der in Stuttgart geborene Diplomatensohn war 1969 für die CDU in den Bundestag eingezogen. 1981 wurde er Regierender Bürgermeister von Berlin, als die Stadt noch geteilt war. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung setzte er sich als Bundespräsident ab 1984 für eine Aussöhnung mit dem Ostblock und Gespräche mit der DDR ein. Seine letzte Rede als Staatsoberhaupt nutzte Weizsäcker 1994, um Ausländerhass und Rechtsextremismus zu verurteilen.




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