Hier spricht ein Abgeordneter anonym ΓΌber Moskaus Macht in Deutschland
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Moskaus Macht in Deutschland ist offenbar riesig. Gerade haben russische Staatsmedien mit gezielter Desinformation den Fall um eine angebliche Vergewaltigung in Berlin ausgeschlachtet; bezahlte Trolle hetzen und verleumden seit Monaten im Netz. MilitΓ€rexperten sprechen von "hybrider KriegsfΓΌhrung". t-online.de sprach mit einem Bundestagsabgeordneten ΓΌber Putins Einfluss. Seinen Namen mΓΆchte der Politiker lieber nicht verΓΆffentlicht sehen - aus gutem Grund.
Herr Abgeordneter, warum sprechen wir hier anonym miteinander?
Weil es eine Grenze der Hasswellen gibt, die meine Familie und ich noch ertragen. Weil es schwierig ist, sich gegen diese Hasswellen zu verteidigen, ohne gerichtsfeste Beweise. Und weil es unangenehme Diskussionen in der eigenen Fraktion mit sich brΓ€chte.
Ihr Kollege Roderich Kiesewetter von der CDU hat sich dieser Tage namentlich zitieren lassen, als er auf finanzielle Verquickungen der AfD mit dem Kreml hinwies - und dafΓΌr nach unseren Informationen einen ziemlichen Shit-Storm kassiert.
Seinen Mut und seine Kraft bewundere ich. Meine Entscheidung ist sicher weniger mutig als seine.
Durch die AffΓ€re um die angebliche Vergewaltigung einer 13-JΓ€hrigen in Berlin und die Hetze der russischen Staatsmedien, ist deutlich geworden, in welchem AusmaΓ sich Russland in Deutschland einmischt. Erleben Sie diesen Einfluss schon lΓ€nger?
Es ist seit lΓ€ngerem von den deutschen Geheimdiensten zu hΓΆren, dass Moskau sich in Deutschland "engagiert".
Wo zeigt sich das?
Es begann mit dem massiven Ausbau des deutschsprachigen Dienstes von Russia Today. Dann kam Ruptly, eine Bilderagentur, die Fernsehnachrichten nach der Facon von Putin produziert und unter dem Marktpreis verkauft. Es ist auch seit langem bekannt, dass Pegida und viele der Ableger Gelder aus Moskau bekommen. Nun der Fall der angeblichen Vergewaltigung und die neuen Spenden fΓΌr die AfD. Wer die russische Destabilisierungsstrategie nicht sieht, ist blind oder ignorant.
Sogar Russlands AuΓenminister Sergej Lawrow hat sich in die AffΓ€re eingemischt und ist von BundesauΓenminister Steinmeier zurecht gewiesen worden. Zeigt das nicht, dass man sich in Berlin durchaus nicht von Moskau auf der Nase herumtanzen lΓ€sst?
Das ist ja auch richtig so. Die Bundesregierung macht da eine gute Arbeit gegen diese Frontverlagerung Moskaus.
Experten sagen, Russland unterstΓΌtze massiv rechtsradikale und rechtsextreme Parteien innerhalb der EuropΓ€ischen Union. Haben auch Sie Hinweise darauf?
Es ist offenkundig. In Bulgarien, in Ungarn, aber auch in Skandinavien sieht man das die ganze Zeit. Und nun wird es auch in Deutschland immer sichtbarer. Schauen Sie sich einfach mal die Bilder der "Delegationen" an, die aus Westeuropa auf die Krim fahren oder auf dubiose Konferenzen in St. Petersburg. Da sind sogar Vertraute von Marine Le Pen dabei.
Warum tut Moskau das?
Moskau will keine starke EU. Deshalb stΓ€rkt es gern Europa-feindliche KrΓ€fte. Γber all dem schwebt im Kreml allerdings die Paranoia, dass "der Westen" einen Regime-Wechsel in Russland wolle. Das ist absurd, fΓΌhrt aber zu diesen vielen Versuchen einer Frontverlagerung in unsere StΓ€dte. Wenn wir mit einer gefakten Vergewaltigung und Hass-erfΓΌllten Demonstranten beschΓ€ftigt sind, werden wir uns kaum mehr um die Opposition in Moskau oder um die Ost-Ukraine kΓΌmmern.
Wie stark ist Russland im deutschen Politik-Betrieb?
HΓ€tte man mir vor drei Jahren erzΓ€hlt, es gΓ€be eine "fΓΌnfte Kolonne" Moskaus in Deutschland, ich hΓ€tte die Aussage amΓΌsiert in meiner Akte der besten VerschwΓΆrungstheorien abgeheftet. Heute sieht man dauernd Ex-Korrespondentinnen mit markanten Frisuren in Talkshows, von denen alle Eingeweihten wissen, dass sie auf der Payroll Putins stehen.
Wie wichtig ist es wirtschaftlich?
Dass nicht nur die russische, sondern auch die deutsche Wirtschaft unter den Sanktionen gegen Russland leiden, ist klar. Dass sie deshalb dagegen lobbyieren, ist verstΓ€ndlich. Nur darf die Politik diesem Druck nicht nachgeben und damit VΓΆlkerrecht und eigene GlaubwΓΌrdigkeit aufs Spiel setzen.
Gibt es in Deutschland auch bei Bundestagsparteien so etwas wie eine heimliche Zusammenarbeit mit Moskauer Stellen?
Das ist mir nicht bekannt. Es gibt bei den Linken eine krasse Pro-Putin-Rhetorik. Ich denke aber, dass sie mit antiamerikanischen und traditionellen pro-Moskau-Reflexen zusammenhΓ€ngt. Das Problem ist nicht die Linke, sondern ein Horst Seehofer, der mit seiner Reise als Ego-Shooter die Politik der Bundesregierung unterlΓ€uft, Moskau unter Druck zu setzen.
Aber die Bundesregierung sagt, die Reise wΓ€re mit ihr abgesprochen.
Was sollte sie denn sonst sagen? "Frau Merkel hat nun noch eine Baustelle mit Seehofer offen?" Nein, es ist richtig, dass das Kanzleramt nun beschwichtigt. Nur ist eine Politik des Dialogs, wie sie Frau Merkel und Steinmeier betreiben, richtig. Seehofer aber fΓ€hrt hin und sagt vorher schon, dass die Sanktionen aufgehoben gehΓΆren. Das ist Sabotage. Und spielt Putin in die Karten. Glauben Sie etwa, er wird die Rolle der russischen Staatsmedien im Falle der vorgetΓ€uschten Vergewaltigung ansprechen? Niemals!
Was wΓΌrde passieren, wenn Sie all dies offen sagen wΓΌrden?
Streit in der Fraktion, orchestrierter digitaler Shit-Storm bis hin zu absurden Gerichtsverfahren. Und wenn ich besonders ernst genommen werde, Youtube-Drohungen von Putin-Freund und SchlΓ€chter Kadyrow.
Sollten Sie als Abgeordneter des Bundestages und Teil der Legislative nicht dennoch aufstehen und das Problem offen ansprechen?
Ich finde, das sollten die Geheimdienste tun, die sitzen an der Quelle.
Die Fragen stellte Christian Kreutzer