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Merkels Abschied von der Willkommenskultur


Flüchtlinge
Merkels Abschied von der Willkommenskultur

Spiegel Online / Severin Weiland

Aktualisiert am 12.03.2016Lesedauer: 3 Min.
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Angela Mekel bei einer Wahlkampfveranstaltung. Die Zeit des Durchwinkens ist vorbei.Vergrößern des Bildes
Angela Mekel bei einer Wahlkampfveranstaltung. Die Zeit des Durchwinkens ist vorbei. (Quelle: dpa-bilder)

Die Flüchtlinge kommen an der griechisch-mazedonischen Grenze nicht weiter, einen zweiten humanitären Akt durch Deutschland wird es nicht geben. Kanzlerin Merkel hat längst in einen anderen Modus umgeschaltet.

Die Bilder aus Idomeni zeigen Menschen im strömenden Regen, die vor der nassen Kälte in Zelten Schutz suchen. Vor allem Familien haben den schlammigen, unwirtlichen Grenzort bereits verlassen, um sich in griechische Aufnahmelager zu begeben. Die, die noch bleiben, hoffen darauf, weiterreisen zu können.

Doch dazu wird es nicht kommen.

Wer keine gültigen Papiere hat, kann die Balkanroute nicht mehr nach Norden passieren. Sie ist dicht. In Berlin lösen die Bilder an der griechisch-mazedonischen Grenze diesmal keine hektischen Aktivitäten aus. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) reagierte im ZDF sichtlich kühl: Ja, es sei eine "schwierige Situation", doch von den Flüchtlingen sei es "nicht zu viel verlangt, dass sie dorthin gehen, wo Griechenland ihren Platz vorgesehen hat". Er vergaß auch nicht zu erwähnen, dass die "Politik des Durchwinkens jetzt vorbei ist, auch zu Lasten Deutschlands".

De Maizière wirkt geradezu erleichtert, er war zuletzt nicht immer auf Linie mit der Kanzlerin. Ein zweites Durchlassen von Flüchtlingen, wie es Kanzlerin Angela Merkel und ihr österreichischer Kollege Werner Faymann Anfang September vergangenen Jahres vollzogen, wird es nicht geben.

Damals marschierten Tausende über die Autobahn in Ungarn an die österreichische Grenze, es war der Beginn einer Fluchtbewegung, die bis heute rund eine Million Menschen, vor allem aus Syrien und Irak, nach Deutschland gebracht hat. Es folgte eine Welle der Hilfsbereitschaft in Teilen der Bevölkerung, es folgten aber eben auch Anschläge auf Asylunterkünfte und ein Anwachsen der rechtspopulistischen AfD.

Die Lage vor Idomeni ist, das muss man sagen, nicht das Ergebnis von Merkels Politik. Erst seitdem Österreich und die Balkanstaaten ihre Grenzen sukzessive geschlossen haben, hat sich die Situation verändert. Grenzsperrungen, so unschön sie sind, zeigen Wirkung. Am Donnerstag erreichten nur noch 500 Flüchtlinge die bayerische Grenze, beim Grenzübergang im österreichischen Spielfeld wurde kein einziger Flüchtling mehr registriert.

Merkel hat sich in den vergangenen zwei Wochen rhetorisch der neuen Lage schleichend angepasst. Zwar arbeitet die Kanzlerin weiter an dem großen Plan, mit der Türkei zu einem Abkommen zu kommen, das den illegalen Flüchtlingsstrom in legale Bahnen lenken und den Schleppern die Geschäftsgrundlage entziehen soll. Zugleich kritisiert sie auch weiterhin das Schließen der Balkanroute durch die EU-Partner, weil das zu einem Rückstau von Flüchtlingen in Griechenland führt. "Wir können es uns nicht in 27 Ländern nett machen und ein Land allein mit dem Problem lassen", lautete einer ihrer markanten Sätze.

Doch ist das nur ein Teil des Sounds.

Längst hat die CDU-Vorsitzende einen Schlusspunkt hinter ihre Willkommenspolitik aus dem Spätsommer 2015 gesetzt. Kürzlich stellte einer ihrer schärfsten Kritiker, CSU-Chef Horst Seehofer, gegenüber dem SPIEGEL fest: "Es gibt eine Wende in der Flüchtlingspolitik durch die weitgehende Schließung der Balkanroute."

Merkels Kurskorrektur lässt sich sogar auf ein Datum festlegen: Am 1. März, einen Dienstag, empfing sie in Berlin den kroatischen Ministerpräsidenten Tihomir Oreškovi. Bei dieser Gelegenheit wurde sie zu den Bildern von Idomeni gefragt. Merkel wurde deutlich: "Es gibt Übernachtungsmöglichkeiten und Aufenthaltsmöglichkeiten in Griechenland, und die müssten auch von den Flüchtlingen genutzt werden", sagte sie. Und: "Es gibt eben nicht ein Recht darauf, dass ein Flüchtling sagen kann: Ich will in einem bestimmten Land der Europäischen Union Asyl bekommen."

FDP-Chef Lindner attackiert Merkel

Diese Aussagen hat Merkel in den vergangenen Tagen in Interviews mit überregionalen und regionalen Zeitungen variiert. Sie ist zurzeit medial stark präsent - am Sonntag sind Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.

Nur eines kommt in den Interviews bislang nicht vor: Selbstkritik. Dass ihr Österreich und die Balkenstaaten mit den Grenzschließungen eine Atempause verschafft haben, hat die Kanzlerin mit keinem Wort gewürdigt.

FDP-Chef Christian Lindner, dessen Partei vor den Landtagswahlen im Aufwind ist, kritisierte das am Freitag auf SPIEGEL ONLINE scharf: "Eine Aufgabenteilung - manche in Europa arbeiten auf den Friedensnobelpreis hin und andere müssen sich die Hände schmutzig machen - funktioniert nicht. So wird es keine europäische Lösung geben."

Auch in Merkels eigener Partei beobachten Kritiker ihrer Flüchtlingspolitik den Kurs mit Argwohn. "Nicht nur in Österreich ist man über die harte Kritik der Bundesregierung an Tageskontingenten und Grenzschließungen, vorsichtig formuliert, überrascht und enttäuscht", sagt der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach zu SPIEGEL ONLINE. Man wundere sich schon darüber, dass die Regierung mit Erleichterung über den deutlich geringeren Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland reagiere, "aber die Maßnahmen, die dazu geführt haben, von derselben Regierung weiterhin strikt abgelehnt werden".

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