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"Krieg gegen Taliban ist verloren" – Ströbele zieht Bilanz zu Afghanistan


Ströbele zieht Bilanz
Afghanistan: Der Krieg gegen die Taliban ist verloren

MeinungEin Gastbeitrag von Hans-Christian Ströbele

Aktualisiert am 24.02.2019Lesedauer: 3 Min.
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Oktober 2012: Bundeswehrsoldaten am Beobachtungsposten OP North in der Provinz Baglan.Vergrößern des Bildes
Oktober 2012: Bundeswehrsoldaten am Beobachtungsposten OP North in der Provinz Baglan. (Quelle: EST&OST/imago-images-bilder)

Was haben 18 Jahre Krieg in Afghanistan bewirkt? Die Bilanz ist ernüchternd. Und die Bundesregierung weigert sich, Tatsachen anzuerkennen.

Die Bundesregierung hat letzte Woche die Verlängerung des Mandats der Bundeswehr für den Kriegseinsatz in Afghanistan wieder um ein Jahr beschlossen. Zum achtzehnten Mal. Dieser Krieg gegen die Taliban dauert damit schon länger als Erster und Zweiter Weltkrieg zusammen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen spricht von Verlängerung des Einsatzes noch um Jahre. Der Bundestag befasste sich mit dem Mandat am Freitag in erster Lesung und wird es vermutlich, wie schon so oft, abnicken. Obwohl niemand mehr an einen Sieg in dem Krieg glaubt. Die Sicherheitslage ist in den letzten zehn Jahren immer schlechter geworden. Die afghanische Regierung kontrolliert nur noch weniger als die Hälfte des Landes. Schwere Anschläge mit vielen Opfern nehmen zu.

Jedes Jahr starben über 3.000 Menschen in dem Krieg, mehr als doppelt so viele wurden verletzt. Die Bundeswehr bildet Soldaten der afghanischen Armee aus, die voll von den USA finanziert wird. Mehr als ein Drittel der Soldaten türmt jedes Jahr, auch von der Bundeswehr ausgebildete. Sie gehen nach Hause oder zu den Taliban, häufig mit ihren Waffen, oder verstecken sich. Die militärische Lage ist hoffnungslos. Der Krieg gegen die Taliban ist verloren.

Gesetzlose, die die "Drecksarbeit" erledigen

Trump hat angekündigt, die US-Truppen abzuziehen. So wie sie 1975 gescheitert nach zehn Jahren mörderischem Krieg aus Vietnam abrückten. Präsident Obama hatte einen Abzug angekündigt, dann aber nicht vollbracht. Allein die USA haben für den Krieg schon mehr als eine Billion Dollar ausgegeben. Die 13.000 US-Soldaten beteiligen sich eh nur noch eingeschränkt am Kampf. Aber der US-Geheimdienst CIA finanziert Tausende Söldner aus zahlreichen Ländern, Gesetzlose, die niemandem verantwortlich sind. Sie sind zuständig für die "Drecksarbeit", etwa mörderische Kommandounternehmen und Folter.

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Trumps Unterhändler verhandelt mit Talibanführern in Dakar über Abzug und Frieden, ohne die afghanische Regierung einzubeziehen und ohne Konsultation der NATO-Verbündeten wie Deutschland. Auf der Sicherheitskonferenz in München, kritisierte die Bundesregierung – Kanzlerin Merkel und Ministerin von der Leyen – Trump wegen der Ankündigung des schnellen Truppenabzugs und der bilateralen Verhandlungen. Sie fordern, die USA müssten den Taliban harte Bedingungen stellen und offenlassen, ob und wann sie die Truppen abziehen. Als wenn die USA in einer Position wären, Bedingungen stellen und durchsetzen zu können.

Die Bundesregierung ist uneinsichtig

Die Lage war 2011, als ich in Kabul war, noch anders. In einem Gespräch forderte der Industrieminister der ehemaligen Taliban-Regierung, der über vier Jahre in Guantanamo gelitten hatte, Verhandlungen. Nach Kriegsende seien sie auf Hilfe angewiesen. Ein Talibanvertrauter, der selbst auf der schwarzen Liste gestanden hatte, wies auf die vielen Veränderungen im Land hin. Seine Töchter seien zur Schule gegangen und studierten. Er schlug die Aufnahme von Taliban in die afghanische Regierung vor.

Aber Bundesregierung und Kanzlerin sind uneinsichtig und verkennen die Lage in Afghanistan. Die Kanzlerin beklagt, in Deutschland sei so große Überzeugungskraft notwendig gewesen, um den Kriegseinsatz damit zu rechtfertigen, dass die Sicherheit unseres Landes am Hindukusch verteidigt werde. Sie bezieht sich auf eine Rede des früheren Ministers Struck. Das war schon damals falsch und dumm. Die Taliban haben nie Deutschland oder ein anderes NATO-Land bedroht oder gar angegriffen. Kein Taliban war an den Anschlägen am 11.9. 2001 in New York und Washington beteiligt. Die Attentäter kamen aus Saudi Arabien und anderen Golfstaaten. Sie bereiteten die Anschläge in Deutschland und des USA vor.

Nur ein rascher Abzug der Invasionstruppen verhindert, dass noch weiter Tausende Menschen in dem Krieg sterben, schwer verletzt oder zur Flucht gezwungen werden. Dazu kommen Zerstörungen und Milliarden Kriegskosten. Vor allem werden weiterer Hass geschürt und damit neue Kämpfer für die Taliban rekrutiert – und den IS. Der IS wird in Afghanistan immer stärker. Die Taliban könnten dies verhindern.

Weitere Mittel für den Wiederaufbau sind nötig

Bedingungen für den Abzug können die USA jetzt nicht mehr durchsetzen. Aber sie könnten viel Geld für Wiederaufbau und Entwicklung Afghanistans zusagen, wenn Menschen- und Bürgerrechte und besonders die Rechte der Frauen und Mädchen in Afghanistan gewahrt werden. Ein Bruchteil der Finanzmittel für den Krieg wären mehr als der ganze Haushalt der ehemaligen Taliban-Regierung. Das könnte Ergebnis der Gespräche sein.


Aber dafür müssten Bundesregierung und die noch verbliebenen Verbündeten erstmal die Tatsachen in Afghanistan anerkennen. Sie müssten von Krieg als Fortsetzung der Politik Abschied nehmen. "Uneingeschränkte Solidarität mit den USA" war 2001 nach den Anschlägen die Begründung für den deutschen Kriegseintritt. Jetzt dauert er schon 18 Jahre. Haben die damaligen Politiker ein solches Ende bedacht?

Die in Gastbeiträgen geäußerte Meinung ist die der Autoren und entspricht nicht unbedingt derjenigen der t-online.de-Redaktion.

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