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"Anne Will" – Thema Windkraft: Von "Geisterstrom" und Schreckgespenstern


TV-Kritik "Anne Will"
Thema Windkraft: Von "Geisterstrom" und Schreckgespenstern

Von Nina Jerzy

18.11.2019Lesedauer: 4 Min.
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Talkrunde bei "Anne Will": Diesmal ging es in der Sendung um das Thema Windkraft.Vergrößern des Bildes
Talkrunde bei "Anne Will": Diesmal ging es in der Sendung um das Thema Windkraft. (Quelle: NDR/ARD)

Klimaschutz: Gefahr oder Chance für die deutsche Wirtschaft? Diese Frage wurde bei "Anne Will" erst breit und dann kleinteilig diskutiert. Dann kam Christian Lindner auch noch mit "Geisterstrom".

Die Gäste

  • Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Parteivorsitzende
  • Christian Lindner (FDP), Parteivorsitzender
  • Markus Söder (CSU), Parteivorsitzender
  • Claudia Kemfert, Energieexpertin, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

Die Positionen

"Anne Will" konnte leider nicht nahtlos an den "Tatort" anschließen. Am Ende von "Die Pfalz von oben" fuhr Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) nach getaner Arbeit an Windrädern vorbei in den verdienten Feierabend. So idyllisch ist die Lage in Deutschland leider nicht. "Zwischen Konjunkturflaute und Klimaschutz – wie sicher ist Deutschlands Wohlstand?" lautete die Frage des Abends, die dann am Ende in einer detaillierten Diskussion über Stärken und Schwächen der Windenergie abdriftete. Am Anfang aber waren alle noch auf Kurs.

Die gerade wiedergewählte Grünen-Chefin Annalena Baerbock verteidigte die Pläne, die Schuldenbremse zu lockern. "Wir sind kurz vor einer Rezession. Wir bräuchten hier einen neuen Schub für Investitionen und das sollten wir im Rahmen der europäischen Stabilitätskriterien jetzt gemeinsam angehen", forderte sie und unterstrich das mit Blick auf einen "Investitionsstau von 135 Milliarden Euro gerade in den Kommunen": "Eigentlich wäre Geld da." Baerbock forderte eine "sozialökologische Marktwirtschaft" mit Planungssicherheit und neuen Perspektiven für die Industrie. "Wir wollen die Märkte der Zukunft so erschließen, dass sie unsere Lebensgrundlagen nicht zerstören", fasste sie zusammen.

Soziale und ökologische Ziele, bei denen alle in der Gesellschaft mitgenommen werden – so brachte Christian Lindner den notwendigen Balanceakt auf den Punkt. Auch er meinte angesichts nicht ausgegebener Investitionen: "Der Staat schwimmt in Geld." Auf der anderen Seite gebe es hierzulande die höchsten Belastungen für Unternehmen und private Haushalte. Deshalb müsse der Staat seine Möglichkeiten nutzen und Rücklagen abbauen, anstatt neue Schulden zu machen. Er warnte: "Wenn wir wieder anfangen, uns ohne Not zu verschulden, ist das eine Einladung an andere Staaten in Europa, auch wieder Politik auf Pump zu machen" Dann komme die Staatsschuldenkrise des Jahres 2008 ganz schnell wie ein Bumerang zu uns zurück. Lindner brachte unter anderem Sonderabschreibungen für digitale Wirtschaftsgüter ins Gespräch.

Markus Söder sprach sich für eine Senkung der Unternehmenssteuern aus, um den Standort Deutschland wettbewerbsfähig zu halten. "Ich glaube, dass es auf Dauer so kommen wird", zeigte sich der dritte Parteichef in der Runde sicher. Denn es sei nur eine Frage der Zeit, bis der Konsum die Rückgänge etwa bei den Autobauern nicht mehr kompensieren könne. Der bayerische Ministerpräsident warnte vor einem "Kleinkrieg gegen das Auto" und davor, den Wirtschaftszweig, auf dem Deutschland sitzt, vor lauter Umweltbewusstsein abzusägen: "Keine Nation der Welt führt eine so engagierte ideologische Debatte über ihr wichtigstes Wirtschaftsgut." Den von Grünen-Parteichef Robert Habeck angeprangerten "Krieg der Ökonomie gegen die Natur" kommentierte Söder knapp mit den Worten: "Das ist Quatsch."

Der Aufreger des Abends

So breit das Thema der Sendung formuliert war, so kleinteilig wurde häufig gestritten. Wie sinnvoll ist der Einsatz von Wasserstoff, für dessen Produktion viel Strom nötig ist? Allein darüber hätten sich vor allem Lindner und Claudia Kemfert vom Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen die Köpfe heiß reden können und gerieten immer wieder aneinander. Lindner verwies wiederholt auf Probleme fehlender Stromtrassen und -speicherung. Die von ihm angeführten Begriffe wie "Geisterstrom" und "Dunkelflaute" sorgten in der Runde aber eher für Erheiterung, was den FDP-Chef wiederum aufbrachte. "Das sind physikalische Fakten, Frau Kemfert", erwiderte er auf einen Einwurf und meinte: "Sie sind Ökonomin. Hier geht es aber um Physik." "Sie sind aber auch kein Physiker", konterte die Energieexpertin.

"Wir sind mitten in einer Detaildiskussion über Windkraft", beschwerte sich Lindner irgendwann. "Im Jahr 2019 kann man noch nicht einmal eine ganze Sendung über Wirtschaft und Konjunktur machen, ohne dass wir solche Fragen im Detail diskutieren." "Publikumsgast" Jan Christian Lorenzen, Betreiber von Bürgerwindparks in Schleswig-Holstein, wurde von der Moderatorin zum Anlass genommen, im letzten Drittel vorwiegend über die geplante Verschärfung der Abstandsregelung für Windkrafträder zu sprechen. "Das ist eine reine Katastrophe", meinte Lorenzen. "Ich glaube nicht, dass daran die Energiewende scheitert", zeigte sich Söder gelassen. Kein Wunder, das sonnige Bayern setzt bei den erneuerbaren Energien in erster Linie auf Fotovoltaik.

Der Faktencheck

"Geisterstrom": Damit meinte Lindner Entschädigungszahlungen an Produzenten von Windenergie, wenn deren Strom nicht genutzt werden kann, etwa wegen fehlender Trassen. "Geisterstrom – ein neues Wort", warf Kemfert ein. Das stimmt nicht ganz. Zwar hat sich der Begriff bislang nicht durchgesetzt. Neu ist er aber nicht. Eine kurze Websuche zeigt: 2015 schrieb die "Bild"-Zeitung zu der bei Sturmtief "Heini" zu viel produzierten Energie von "Geisterstrom". Am 8. August 2019 hoben erst die "Welt" und einen Tag später "Agrarheute" den Begriff in den Titel von Artikeln. Am 9. August 2019 nutzte ihn auch ein AfD-Abgeordneter im Bayerischen Landtag für eine schriftliche Anfrage.

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