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Corona-Ausbruch bei Tönnies: Die Gesundheit wird für Profite aufs Spiel gesetzt


Corona-Ausbruch in Fleischfabrik
"Das Hygienekonzept muss komplett versagt haben"

Von dpa, aj

Aktualisiert am 18.06.2020Lesedauer: 4 Min.
Außenansicht des Firmengeländes vom Fleischwerk Tönnies: Bei dem Schlachtereibetrieb in Rheda-Wiedenbrück sind Hunderte Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet worden.Vergrößern des BildesAußenansicht des Firmengeländes vom Fleischwerk Tönnies: Bei dem Schlachtereibetrieb in Rheda-Wiedenbrück sind Hunderte Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet worden. (Quelle: David Inderlied/dpa)
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Hunderte Mitarbeiter haben sich beim Fleischhersteller Tönnies im Landkreis Gütersloh mit dem Coronavirus infiziert. Die Reaktionen von Kritikern der Branche kamen prompt. Ein Überblick.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) mahnt angesichts des Coronavirus-Ausbruchs in einer Fleischfabrik in Rheda-Wiedenbrück zu Wachsamkeit. Das Beispiel zeige, "wie schnell" sich ein Virus verbreite, "wenn Abstände nicht eingehalten werden, wenn Unterkünfte nicht in Ordnung sind, und es warnt uns, immer nochmal ein zweites Mal hinzuschauen", sagte Laschet am Mittwoch nach dem Ende der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin.

Mit getroffenen Lockerungen von coronabedingten Maßnahmen habe der Fall nichts zu tun, "weil in der gesamten Zeit des Shutdowns, als alles geschlossen war, natürlich die Lebensmittelindustrie – auch die Fleischindustrie – gearbeitet hat".

Sprunhafter Anstieg der Fälle bei Tönnies sorgt für Wirbel

Am Mittwoch war der sprunghafte Anstieg der Infektionszahlen beim Schlachtereibetrieb Tönnies bekanntgeworden. Die Zahl der positiv auf das Coronavirus getesteten Mitarbeiter lag am Mittwochabend bei etwa 660. Rund 7.000 Menschen sind den Angaben des Kreises zufolge in Quarantäne. Um eine Ausbreitung des Virus einzudämmen wurde die Schließung von Schulen und Kitas im gesamten Kreis verfügt.

Bei einem großangelegten Corona-Reihentest durch die Gesundheitsbehörden nach einem Ausbruch in einer Fleischfabrik im Kreis Coesfeld im Mai waren bei Tönnies zunächst nur wenige Fälle festgestellt worden. "Und jetzt haben wir wenige Wochen später diesen großen Ausbruch. Das heißt: Man muss wachsam bleiben", sagte Laschet.

Reaktionen von Kritikern der Fleischbranche

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestsg, Anton Hofreiter, nannte die Zustände unhaltbar: "Die Gesundheit der Beschäftigten wird für die Profite der Fleischbarone aufs Spiel gesetzt."

Auch für die SPD ist nach dem erneuten Ausbruch in der Fleischindustrie klar, "Geschäftsmodell und Infektionsgeschehen hängen zusammen", wie die Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, sagte. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Das Hygienekonzept muss komplett versagt haben."

Auch Greenpeace kritisierte, Branchengrößen wie Tönnies nähmen massive Infektionsrisiken in Kauf und gefährdeten die ganze Region. "Die Politik verkennt die Dimension des Problems. Die Produktion von Billigfleisch funktioniert nur auf Kosten von Gesundheit, Tier und Umwelt", teilte die Naturschutzorganisation mit.

Brinkhaus: Ein "Weiter so" darf es nicht geben

Der Unions-Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus, der für den Wahlkreis Gütersloh I im Bundestag ist, sagte dem "Westfalen-Blatt", dass die Ursachen für das Infektionsgeschehen aufgeklärt werden müssten. "Ein "Weiter so" mit dem Versprechen, "Wir werden in Zukunft alles besser machen", kann es bei Tönnies im Interesse der Beschäftigten, aber auch aller Menschen im Kreis Gütersloh nicht geben", so der CDU-Politiker.

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Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte am Mittwoch nach einem Treffen der Länderregierungschefs mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU), in dem unter anderem über das weiteren Vorgehen in der Corona-Pandemie beraten wurde, man müsse "endlich über die Arbeits- und Lebensbedingungen dieser Menschen reden". "Und ich finde, man muss diese Arbeits- und Lebensbedingungen endlich unterbinden, weil das haben weder die Tiere verdient, noch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verdient, noch wir Verbraucher."

Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) kündigte an, erneut in ganz NRW alle Schlachthofbelegschaften mit Werkvertragsarbeitern auf das Virus testen zu lassen, um festzustellen, ob es sich bei dem Ausbruch um eine Ausnahme handele oder nicht. In den vergangenen Wochen war es an mehreren Standorten in Deutschland, darunter auch beim Tönnies-Konkurrent Westfleisch im Kreis Coesfeld, zu Ausbrüchen des Coronavirus gekommen.

Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen machten in den vergangenen Monaten immer wieder Schlagzeilen und lösten eine Debatte über die Missstände bei Arbeits- und Unterbringungsbedingungen der häufig aus Osteuropa stammenden Beschäftigen aus. "Wir brauchen da neue Standards. Insbesondere bei den Unterkünften müssen Bedingungen sein, die so etwas verhindern, und da arbeiten Bund und Länder eng zusammen", sagte Laschet. Die Bundesregierung reagierte auf die Vorfälle und kündigte ein Verbot der Werkverträge speziell für die Fleischindustrie an.

NGG für sofortiges Verbot von Werkverträgen in Fleischindustrie

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) forderte ein umgehendes Verbot von Werkverträgen. Er erwarte von der Politik, "dass diesem kranken System nun endlich ein Ende gemacht wird und der Beschluss der Bundesregierung mit dem Verbot von Werkverträgen ohne Abstriche im Gesetzgebungsverfahren umgesetzt wird", sagte der stellvertretende NGG-Bundesvorsitzende, Freddy Adjan, der Funke Mediengruppe. Die Fleischwarenindustrie sieht die Umsetzung des von der Bundesregierung angekündigten Verbots von Werkverträgen dagegen skeptisch.

Die Präsidentin des Bundesverbandes der Fleischwarenindustrie, Sarah Dhem, sagte dagegen der "Neuen Osnabrücker Zeitung", sie habe "starke Zweifel, dass sich das Verbot bezogen auf nur eine einzige Branche so durchsetzen lässt". Werkverträge kämen nicht nur in Schlachthöfen, sondern auch in nachgelagerten Unternehmen der Fleischwirtschaft wie etwa Wurstfabriken zum Einsatz. Werde der Werkvertrag verboten, stünden einige Unternehmen vermutlich kurzfristig vor erheblichen Personalproblemen. Ihre Branche könne keine hohen Stundenlöhne wie etwa Automobilhersteller zahlen.

Dhem sagte zu den Problemen: "Wir müssen da ganz klar etwas ändern. Es nervt mich einfach, dass es die Branche nicht schafft, Ordnung reinzukriegen." Schwarze Schafe in der Fleischwirtschaft machten immer wieder "mittelständischen, ordentlich arbeitenden Betrieben" das Leben schwer. Gute und einheitliche Kontrollen seien daher wichtig, so die Unternehmerin aus Niedersachsen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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