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SPD-Politiker Lars Klingbeil: "In neuem Kalten Krieg können wir nur verlieren"


EU, China und USA
In einem neuen Kalten Krieg können wir nur verlieren

MeinungGastbeitrag von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil

Aktualisiert am 30.06.2020Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Wie positioniert sich die EU um Kommissionschefin Ursula von der Leyen, wenn Donald Trumps USA und Xi Jinpings China um Einfluss konkurrieren? Eigenständig, souverän und selbstbewusst, fordert SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil.Vergrößern des Bildes
Wie positioniert sich die EU um Kommissionschefin Ursula von der Leyen, wenn Donald Trumps USA und Xi Jinpings China um Einfluss konkurrieren? Eigenständig, souverän und selbstbewusst, fordert SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. (Quelle: Montage: t-online.de/imago-images-bilder)

Wie sollte die EU mit China umgehen? Sie muss für ihre Werte und Interessen eintreten, schreibt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im Gastbeitrag für t-online.de. Und eine gefährliche Polarisierung vermeiden.

Die Vereinigten Staaten und China ringen um regionale Vormacht und globalen Einfluss. Die Corona-Krise hat die Auseinandersetzung weiter zugespitzt. Vor und hinter den Kulissen üben die zwei Riesen nun in unterschiedlicher Intensität Druck auf alle anderen Länder aus, sich für eine Seite zu entscheiden. Die Rückkehr in eine globale Bipolarität kann aber nicht der richtige Weg für Deutschland und Europa sein. Einem Weg der riskanten Polarisierung, der in einem neuen Kalten Krieg endet, sollten wir uns von Anbeginn an verweigern.

Unbestreitbar beansprucht China heute die Rolle einer Großmacht und verfolgt seine Interessen weit über seine Nachbarschaft hinaus. Pekings Einfluss reicht mittlerweile bis Afrika, Lateinamerika und Europa. Bestes Beispiel ist die Neue-Seidenstraße-Initiative, die sich bis in den Hafen von Duisburg erstreckt. Auch zeigt die Debatte über die 5G-Infrastruktur, dass China längst auch in der deutschen Innenpolitik angekommen ist.

Breite gesellschaftliche Debatte

Unsere Beziehungen zu Peking werden daher nicht nur in Brüssel und Berlin geprägt, sondern von einer Vielzahl von Akteuren beeinflusst. Über die Beteiligung an einem Flughafen entscheiden bei uns die Kommunen. Technologieunternehmen werden von ihren mittelständischen Eigentümern verkauft. Die Aktien großer Konzerne und Banken werden an den Börsen gehandelt. Es liegt im Wesen einer föderalen Demokratie und sozialen Marktwirtschaft, dass Entscheidungen dezentral getroffen werden. Wir müssen unser Verhältnis zu China also in einer breiten gesellschaftlichen Debatte neu bestimmen.

Lars Klingbeil, 42 Jahre alt, ist seit 2017 Generalsekretär der SPD. Er war zunächst 2005 als Nachrücker in den Bundestag eingezogen und ist nun seit 2009 durchgehend Bundestagsabgeordneter.

Sicher, wir werden mit einigen naiven Hoffnungen aufräumen müssen. Wir werden Peking gegenüber klar sagen, wie wir deutsche und europäische Werte und Interessen definieren. Umgekehrt dürfen wir dann nicht überrascht sein, wenn auch China seine Interessen verfolgt. Warum sollte China nicht danach streben, eine führende Technologie- und Industriemacht zu werden? Die Reaktion darauf kann aber nicht Abschottung sein. Für uns Europäer sollte das noch größerer Ansporn sein, technologisch nicht den Anschluss zu verpassen. Eine selbstbewusste Chinapolitik stellt sich offensiv dem Wettbewerb, um den Titel der innovativsten Wirtschaft, des freiheitlichsten Staates und der gerechtesten Gesellschaft.

Klammen Staaten unter die Arme greifen

Um in der Weltordnung von morgen bestehen zu können, muss Europa seine Hausaufgaben machen. Dazu gehört, die eigene Nachbarschaft, vor allem den Westbalkan, enger einzubinden, genauso wie Fortschritte bei der gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Um souverän zu bleiben, muss Europa gerade jetzt seine Kräfte bündeln. Damit klamme Mitgliedstaaten oder Kommunen nicht gezwungen sind, strategische Infrastruktur zu veräußern, müssen wir ihnen bei der Finanzierung solidarisch unter die Arme greifen. Die vorgelegten Pläne zum Wiederaufbau nach der Corona-Krise sind ein bedeutsamer Schritt in die richtige Richtung. Für den Zusammenhalt Europas darf kein Preis zu hoch sein. Der Ball liegt hier bei uns.

Fest in der Wertegemeinschaft des Westens verankert und die europäische Souveränität im Blick, können wir unser Verhältnis zu China so bestimmen, dass es unseren Werten und Interessen dient. Bei wichtigen globalen Fragen, etwa beim Klimaschutz oder der Friedenssicherung, haben wir starke gemeinsame Interessen mit China. Hier müssen wir den Austausch und die Zusammenarbeit mit Peking weiter intensivieren. China kann hier ein wichtiger Partner sein.

In anderen Fragen, etwa bei Demokratie und Menschenrechten, sind unsere Ansichten grundverschieden – etwa wenn China versucht, die internationalen Bemühungen um die Achtung der Menschenrechte immer stärker herauszufordern oder Uiguren und andere Minderheiten interniert. Die Grundfreiheiten der Bürgerinnen und Bürger Hongkongs, nach dem Prinzip "Ein Land – zwei Systeme", müssen gewahrt bleiben. Wo China in Systemrivalität steht, muss Europa geschlossen und unmissverständlich gegenüber Peking auftreten.

Auf einer Vielzahl von Feldern, ganz sicher bei Wirtschaft, Handel, Forschung und Technologie, werden wir selbstbewusst den Wettbewerb mit China annehmen. Deutschland ist heute Chinas größter europäischer Handelspartner. Dennoch liegt für deutsche und europäische Unternehmen noch immer kein gleichwertiger Marktzugang vor. Fairer Wettbewerb muss regelbasiert vonstattengehen. Wir sollten Peking daher beim Wort nehmen und uns gemeinsam für die Stärkung der multilateralen Regeln und Institutionen einsetzen.

Partnerschaft, Wettbewerb und Systemrivalität

Diesen Dreiklang von Partnerschaft, Wettbewerb und Systemrivalität durchzudeklinieren, ist natürlich anspruchsvoller als simples Freund-Feind-Denken. Die reale Welt ist aber auch komplizierter, als uns die Propheten eines neuen Kalten Kriegs weismachen wollen. Wir können unser Verhältnis zu Peking nicht mehr allein aus der bilateralen Perspektive bestimmen. Chinapolitik ist immer auch Weltordnungspolitik.

Statt Säbelrasseln brauchen wir in der Chinapolitik ein robustes Eintreten für unsere Werte und Interessen. Verantwortungsvolle Außenpolitik bedeutet heute nicht über, sondern mit China zu reden. Wer reden will, muss aber den richtigen Ton treffen: souverän, ehrlich und transparent.

Die Beziehungen zu China zum Schwerpunktthema der anstehenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft zu machen, ist daher richtig. Europa muss den Weg einer eigenständigen und souveränen Chinapolitik im Sinne der eigenen Werte und Interessen fortsetzen. Europäische Geschlossenheit ist hier die Voraussetzung, die Fallstricke bipolarer Logiken zu vermeiden.

Die im Gastbeitrag geäußerten Ansichten geben die Meinung des Autoren wider und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online.de-Redaktion.

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