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Lambsdorff bei "Markus Lanz": "Warum kann der Friseur aufmachen, aber der Buchladen nicht?"


Corona-Talk bei "Markus Lanz"
"Die Leute wollen geimpft werden und sie wollen ihre Freiheit zurück"

Eine TV-Kritik von Nina Jerzy

Aktualisiert am 03.03.2021Lesedauer: 4 Min.
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Alexander Graf Lambsdorff (Archivbild): Der FDP-Politiker kritisierte das Krisenmanagement der Regierung bei "Markus Lanz".Vergrößern des Bildes
Alexander Graf Lambsdorff (Archivbild): Der FDP-Politiker kritisierte das Krisenmanagement der Regierung bei "Markus Lanz". (Quelle: imago images)

Alexander Graf Lambsdorff (FDP) verlangt logische Öffnungen. Das Prinzip "Friseur: ja, Buchladen: nein" verstehe kein Mensch, kritisiert er bei Lanz. Virologe Ulrich warnt: Stufenpläne sind nur so gut, wie es das Virus erlaubt.

Die Gäste

  • Timo Ulrichs, Virologe, Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften
  • Alexander Graf Lambsdorff, FDP-Fraktionsvize im Bundestag
  • Petra Bahr, Regionalbischöfin aus Hannover, Mitglied im Deutschen Ethikrat
  • Simone Lange (SPD), Oberbürgermeisterin Flensburgs
  • Elmar Theveßen, ZDF-Amerikakorrespondent

Pünktlich zum meteorologischen Frühlingsanfang stehen die Zeichen endlich auf Lockerungen. Schulen, Friseure und Gartencenter sind in vielen Bundesländern nach drei Monaten Lockdown wieder auf. Die Freude hält sich bei FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff jedoch in Grenzen. Denn erstens geht ihm das nicht schnell genug. Zweitens findet er, die Strategie leider nicht logisch, wie viele andere Bürger. "Was die Menschen nicht verstehen ist: Warum kann der Friseur aufmachen, aber der Buchladen nicht?", kritisierte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion am Dienstagabend bei "Markus Lanz". Er verlangte auch bei hohen Inzidenzzahlen "kontrollierte, verantwortliche Öffnungen" und vom Bund-Länder-Gipfel am Mittwoch klare Regeln für bestimmte Inzidenzgrenzwerte: "Wir brauchen einen verlässlichen Stufenplan, wo die Menschen wissen, woran sie sind."

"In Berlin reden alle von Lockerungen", stellte Lambsdorff fest. "Niemand kann das wirklich machen, ohne gleichzeitig die Verantwortung dafür zu übernehmen, diese Pandemie unter Kontrolle zu halten. Das ist ganz klar. Es geht nicht um eine verantwortungslose Öffnung." Er kritisierte aber, dass zu oft über Lappalien diskutiert wird. "Mir platzt so ein bisschen der Kragen, wenn ich höre: Wir müssen mehr den Ton treffen. Die Leute wollen nicht den Ton getroffen haben. Die Leute wollen getestet werden, sie wollen geimpft werden und sie wollen ihre Freiheit zurück."

Corona-Lockerungen ab wann?

Ein Plan für stufenweise Lockerungen liegt offenbar vor dem Corona-Gipfel in der Schublade. Laut Medienberichten sind vier Öffnungsschritte im Gespräch. Allerdings herrscht noch Uneinigkeit darüber, ob der strenge Inzidenzwert von 35 weiterhin als Maßstab gelten soll oder ob Lockerungen auch bei bis zu einer Inzidenz von 100 möglich sein können. "An Inzidenzwerte von 35 kann ich ja noch lange nicht denken", kommentierte die zugeschaltete Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD). Ihre Stadt ist aktuell bei einem sehr hohen Inzidenzwert von 154. Trotzdem könne es nicht sein, dass Flensburg zur Lockdown-Insel werde, während rundherum alles öffne, widersprach die Sozialdemokratin: "Das halten wir wirtschaftlich nicht aus." Sie forderte vom Bund-Länder-Gipfel "Signale, dass man auch bei höheren Inzidenzwerten kontrollierte Öffnungen durchaus denken darf".

"Stufenpläne sind immer nur so gut, wie sich das Virus verhält", mahnte Virologe Timo Ulrichs bei Lanz mit Blick auf die wieder steigenden Infektionsraten. "Der Ruf nach Öffnungen ist sehr laut. Aber wir können es uns eigentlich angesichts dieser Zahlen nicht leisten, groß zu öffnen, ohne da kontrolliert etwas mitlaufen zu lassen, zum Beispiel die Antigen-Schnelltests und vor allem nur eine Öffnung nach der anderen, damit wir in der Lage bleiben, die Sache schnell wieder unter Kontrolle zu bringen."

Der Virologe hielt kontrollierte Öffnungen also für möglich. Er warnte aber davor, auf den letzte Metern noch den hart erkämpften Schutz für Hochrisikogruppen zu verspielen. Denn bei der Impfquote gelte weiterhin: "Leider sind wir noch nicht so weit." Sehr gute Fortschritte attestierte er hingegen der Impfkampagne in den USA. Während der Sendung kam die dazu passende Eilmeldung herein: US-Präsident Joe Biden hat angekündigt, dass bis Ende Mai genug Impfstoff für alle Erwachsenen vorhanden sein soll. Möglich wird das durch den neu zugelassenen Wirkstoff von Johnson & Johnson, der zusätzlich in zwei Werken des Pharmakonzerns Merck in den Vereinigten Staaten produziert werden wird.

Neuer Impfstoff kann Wende bringen

"Man nennt ihn den Game Changer", berichtete der aus Washington, D.C., zugeschaltete ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen. Denn hier reiche bereits eine Dosis für die Immunisierung aus. "Das macht für viele Menschen auch den Unterschied. Die würden eine Impfung riskieren, aber nicht zwei." Theveßen berichtete von Plänen, bis Ende 2021 in den USA eine Milliarde Dosen des neuen Impfstoffs herzustellen. Dies eröffne die Perspektive, auch andere Länder zu versorgen und so die Entstehung neuer Mutanten zu verhindern. Gerade bei diesem Punkt attestierte Virologe Ulrichs dem neuen, in der EU noch nicht zugelassenen Wirkstoff von Johnson & Johnson "Game Changer"-Potenzial.

Der Mediziner räumte aber ein, dass auch Experten immer noch oft im Nebel stochern, was Corona angeht, auch in Bezug auf Vorsichtsmaßnahmen. "Es gibt viel zu wenig Daten dazu, wie Übertragungen eigentlich stattfinden", sagte der Mediziner. Lambsdorff verwies da auf die neue Risikobewertung des Robert Koch-Instituts für verschiedene Branchen. Einzelhandel und Hotels wird darin, gemeinsam mit Treffen im Freien, ein lediglich niedriges individuelles Infektionsrisiko bescheinigt.

Für die Theologin Petra Bahr sind es genau solche wechselnden Einschätzungen, die der Bevölkerung so zusetzen. "Sehr, sehr viele Menschen mussten in diesem Land alleine sterben, aber beim Friseur war die Menschenwürde plötzlich im Spiel. Diese Widersprüche sind wirklich nicht erträglich."

Bahr attestierte Deutschland derzeit geradezu eine "Sehnsucht nach Stufenplänen". Nur leider halte sich die schleichende Katastrophe nicht an Pläne. "Vielleicht stehen wir uns als Deutsche da auch selbst im Weg. Denn wir stellen ja plötzlich fest, dass wir so toll gar nicht sind wie wir dachten."

Verwendete Quellen
  • "Markus Lanz" vom 2. März
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