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Wachsende Kritik am RKI-Chef: Was erlaube Wieler?!


Wachsende Kritik am RKI-Chef
Was erlaube Wieler?!

Von Sebastian Späth

Aktualisiert am 08.02.2022Lesedauer: 4 Min.
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Lothar Wieler (l.) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach: In der Ampel-Koalition ist ein Streit über die Zukunft des RKI-Chefs entbrannt.Vergrößern des Bildes
Lothar Wieler (l.) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach: In der Ampel-Koalition ist ein Streit über die Zukunft des RKI-Chefs entbrannt. (Quelle: Chris Emil Janßen/imago-images-bilder)

Lothar Wieler gehört zu den wichtigsten Corona-Beratern der Regierung. Doch die Kritik am RKI-Chef nimmt zu, die FDP fordert sogar seinen Rausschmiss. Dazu wird es aber wohl nicht kommen.

Am Wochenende hat Wolfgang Kubicki mal wieder einige seiner berüchtigten verbalen Giftpfeile abgeschossen. Seine Ziele: der grüne Koalitionspartner und Lothar Wieler, der Chef des Robert Koch-Instituts.

In einem Facebook-Post warf der FDP-Vize den Grünen "Nibelungentreue zur Politik der Vorgängerregierung und dem Robert Koch-Institut" vor. RKI-Chef Wieler derweil trage die volle Verantwortung für die aus FDP-Sicht gravierenden Probleme in der Gesundheitsbehörde.

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In der Wortwahl war Kubicki für seine Verhältnisse eher zurückhaltend, schließlich titulierte er seinen SPD-Kollegen Karl Lauterbach einst äußerst ungalant als "Spacken". Die nun erhobenen Vorwürfe dagegen wiegen schwer. Auch wenn sie nicht überraschend kommen.

Neuer Lieblingsgegner der FDP

Es scheint, als habe die FDP in Wieler ihren neuen Lieblingswidersacher gefunden. Erst am Freitag ging ihr designierter Generalsekretär Bijan Djir-Sarai den Behördenchef wegen seiner vermeintlich wiederholten Fehler scharf an. Was überraschte: Führende SPD-Vertreter hielten sich mit einer Verteidigung Wielers auffallend zurück, lediglich einige Grünen-Politiker sprangen für ihn in die Bresche.

Seither ist klar: Wieler hat nicht mehr die Rückendeckung der gesamten Koalition. Es mehren sich Gerüchte, der RKI-Chef stehe auf der internen Abschussliste.

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Das ist insofern überraschend, als der Posten des RKI-Chefs nicht gerade als Schleudersitz bekannt ist. Wieler leitet die Behörde seit fast sieben Jahren, seine beiden Vorgänger waren sogar jeweils fast 20 Jahre im Amt.

Doch seit zwei Jahren dominiert eben die Pandemie. Und sie offenbarte nicht nur die Schwächen des Föderalismus, sondern auch, dass Deutschlands öffentliches Gesundheitswesen nicht in dem Zustand ist, in dem es sein sollte. Dass noch immer vorwiegend mit Faxen oder PDFs gearbeitet wird, ist nur eines von vielen Problemen. Und: Es drängt sich auch nicht unbedingt der Eindruck auf, als stünde die Republik im Februar 2022 viel besser da als im März 2020, als Corona das Land mit voller Wucht traf.

Hat die FDP also womöglich recht? Ist dafür auch Wieler verantwortlich und entsprechend nicht mehr tragbar?

Was sich leichter beantworten lässt als diese Frage: Nicht nur die Ungeduld der Politik mit Wieler scheint größer denn je. Auch die Geduld Wielers mit der Politik war schon mal größer. Das Zerwürfnis offenbarte sich erstmals im November. Damals hatte die neue Ampel-Mehrheit im Bundestag gerade die epidemische Lage nationaler Tragweite auslaufen lassen. Bundesweite Lockdowns waren damit trotz der anrollenden Omikron-Welle nicht mehr möglich. Wieler sah darin – wie viele andere Wissenschaftler auch – ein Politikversagen. Dass die von der neuen Virusvariante ausgehende Gefahr weniger groß ist als bei Delta, wusste damals noch fast niemand.

Bei einer Online-Diskussion mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) schimpfte Wieler, dass er es nach 21 Monaten "auch schlichtweg nicht mehr ertragen" könne, dass die Politik nicht beherzter die Warnungen der Wissenschaft befolge. Selten zuvor hatte der RKI-Chef sich so wenig Mühe geben, seinen Frust über die Politik zu verbergen. Und selten zuvor hatte er seinen Aufgabenbereich als Berater der Politik so deutlich überschritten, um öffentlich Kritik zu üben.

Eigenwillige Aktionen

Doch seine einstige Besonnenheit lässt der 61-jährige RKI-Chef in jüngster Zeit auch an anderer Stelle vermissen. Stattdessen irritiert er mit eher eigenwilligen Aktionen und fast schon aufmüpfigen Auftritten. Bereits im Dezember verscherzte es sich Wieler mit vielen Ministerpräsidenten: Kurz vor ihrem Treffen mit Kanzler Olaf Scholz drängte Wieler auf deutlich schärfere Kontaktbeschränkungen vor Weihnachten. Viele Länderchefs fühlten sich bloßgestellt, weil längst klar war, dass Verschärfungen politisch nicht mehr durchsetzbar waren.

Im Januar veranlasste das RKI dann überraschend die Verkürzung des Genesenenstatus von sechs auf nur noch drei Monate. Deutschland ging damit einen Sonderweg, denn in der EU gelten weiterhin die sechs Monate. Für die Betroffenen kam die Maßnahme nicht nur aus heiterem Himmel, viele verloren dadurch auch ihren 2G-Status, also das Recht, etwa in Restaurants zu gehen. Offenbar war die Änderung auch nicht mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach abgesprochen. Dabei sollte es mit dem neuen Gesundheitsminister, der auch Wissenschaftler ist, endlich mehr Geschlossenheit geben.

Auch FDP-Chef Christian Lindner erhob "große Zweifel" an Wielers - ebenso unangekündigter wie überraschender - Entscheidung. "Die fachliche und die Kommunikations-Entscheidung lag in den Händen von Herrn Wieler und ich glaube, man darf sagen, dass das außerordentlich unglücklich war", sagte er dem Fernsehsender RTL.

Glücklich ist das alles nicht. Aber reicht es auch für eine Entlassung? Eher nicht.

Nicht unwahrscheinlich ist deshalb, dass hinter den FDP-Attacken etwas anderes steckt: der koalitionsinterne Streit um den richtigen Zeitpunkt für Corona-Lockerungen. Die Liberalen wollen diese so schnell wie möglich, SPD und Grüne sind eher vorsichtig. Ein mahnender RKI-Chef ist deshalb eher ein Unterstützer der Zurückhaltenden.

Und dennoch: Ein Wechsel an der Spitze des RKI ist zum jetzigen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich. Nicht nur, weil sich Olaf Scholz bereits hinter ihn gestellt hat. Und auch Lauterbach dies am Dienstag tat.

Es gibt eine durchaus berechtigte Hoffnung, dass in wenigen Wochen das Schlimmste der Pandemie überstanden ist. Zumindest vorerst. Auf den letzten Kilometern noch einen Behördenchef auszutauschen, ergibt wenig Sinn. Der oder die Neue müsste sich erst lange einarbeiten – und würde außer Symbolpolitik wie einer kritischen Bestandsaufnahme wenig bis nichts bewegen können.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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