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Grenzkontrollen: "Das ist ein großer Fehler"


Grenzkontrollen
"Das ist ein großer Fehler"

MeinungGastbeitrag von O. Nouripour und K. Schulze (Grüne)

Aktualisiert am 11.10.2022Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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GrenzkontrolleVergrößern des Bildes
Kontrollen an der Grenze zu Österreich: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will sie verlängern – die Grünen sind dagegen. (Quelle: Matthias Balk/Archivbild/dpa-bilder)

Die Innenministerin will die bayerische Grenze zu Österreich weiter kontrollieren. Die Grünen finden das falsch, wie Omid Nouripour und Katharina Schulze im Gastbeitrag schreiben.

Seit sieben Jahren gibt es wieder stationäre Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze. Seit sieben Jahren bedeutet das immer wieder kilometerlange Staus und Einschränkungen für Pendler, Touristen, Schulkinder und den internationalen Warenverkehr. Die Auswirkungen und der Schaden für die Wirtschaft sind enorm, die Belastung für die Polizei ist es auch.

Seit sieben Jahren wälzt sich durch die angrenzenden Gemeinden der Ausweichverkehr und belastet die Anwohnenden. Seit sieben Jahren wird eine der größten Errungenschaften der Europäischen Union, die Reisefreiheit für die Bürgerinnen und Bürger Europas, untergraben – gegen den Willen vieler kompetenter Stimmen, etwa der Gewerkschaft der Polizei.

Nouripour und Schulze
Nouripour und Schulze (Quelle: imago images)

Die Gastautoren:

Omid Nouripour, 47, ist Bundesvorsitzender der Grünen. Er führt die Grünen zusammen mit Ricarda Lang seit Anfang des Jahres. Nouripour sitzt seit 2006 im Bundestag. Katharina Schulze, 37, ist Grünen-Fraktionschefin im bayerischen Landtag. Sie ist dort seit 2013 Abgeordnete.

Dabei sieht das Schengenabkommen aus dem Jahre 1985 die Abschaffung der Binnengrenzen der Vertragsstaaten vor, also auch von Deutschland und Österreich. Ein Meilenstein der europäischen Integration. Das Friedensprojekt Europa ermöglicht es heute Menschen, ohne Schlagbäume und Passkontrollen zwischen den Staaten zu reisen.

Wir können uns heute frei und wie selbstverständlich zwischen europäischen Staaten bewegen, um deren Grenzen noch im letzten Jahrhundert blutige Kriege geführt worden sind. Dieses Privileg haben viele Menschen auf der Welt nicht. Die Reisefreiheit ist auch deshalb ein hohes Gut, das wir bewahren und beschützen müssen.

Ein Prestigeprojekt der CSU

So sieht es auch der Europäische Gerichtshof (EuGH). Dieser hat im April dieses Jahres klargestellt, dass es Binnengrenzkontrollen im Schengenraum im Grundsatz nicht geben darf. Bei einer ernsthaften Bedrohung können sie als letztes Mittel zwar angewendet werden, aber allenfalls für sechs Monate.

Damit stehen die stationären Kontrollen in Bayern an der deutsch-österreichischen Grenze im Widerspruch zu europäischem Recht. Die CSU ignoriert bewusst solche rechtsstaatlichen Fakten. Denn in Bayern sind die Grenzkontrollen eng verknüpft mit einem Prestigeprojekt der CSU-Landesregierung: Einer eigenen sogenannten "Bayerischen Grenzpolizei". Gestartet war diese mit der Idee, sie mit eigenen grenzpolizeilichen Befugnissen auszustatten.

Davon ist nichts mehr übrig geblieben, denn der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat auf Klage der Landtagsgrünen die Staatsregierung auf den verfassungsrechtlichen Boden der Tatsachen zurückgeholt: Grenzschutz ist und bleibt Bundessache – und zwar an allen Landesgrenzen.

Die "Bayerische Grenzpolizei" darf zwar so genannt werden, ist aber nichts anderes als die altbekannte Schleierfahndung und leistet lediglich Amtshilfe für die Bundespolizei. Nur und ausschließlich der Bund darf über den Schutz an Deutschlands Grenzen entscheiden – auch an den deutschen Außengrenzen im Bundesland Bayern.

Im Widerspruch zum Koalitionsvertrag

Eine stetige Verlängerung der innereuropäischen Grenzkontrollen widerspricht nicht nur den europäischen Werten, sondern auch dem Koalitionsvertrag der Ampel, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Integrität des Schengenraums wiederherzustellen. Wir sind verpflichtet, das Freiheitsversprechen an die Menschen in Europa einzulösen und den Bedürfnissen der Menschen in den Grenzregionen Rechnung zu tragen.

Es ist deshalb die Aufgabe der Bundesinnenministerin, die Errungenschaften der Europäischen Einigung zu verteidigen und den bestehenden Rechtsrahmen einzuhalten. Die erneute Verlängerung der Grenzkontrollen ist ein großer Fehler. Sicherheit ist auch ohne sinn- und endlose innereuropäische Grenzkontrollen möglich.

Um Sicherheit und Freiheit in Europa zusammenzubringen, brauchen wir mehr grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Polizei- und Sicherheitsbehörden der Mitgliedstaaten. Der Ausbau der gemeinsamen Zentren zur grenzüberschreitenden Polizeiarbeit würde die Zusammenarbeit der beiden Grenzseiten verbessern und effizienter machen.

Anlassbezogene Schwerpunktkontrollen

Eine rechtssichere Alternative zu dauerhaften und wenig effektiven Grenzkontrollen sind anlassbezogene Schwerpunktkontrollen. Dadurch würden auch Pendlerinnen und Pendler deutlich weniger belastet.

Sie würden aber auch die Polizistinnen und Polizisten der Bundespolizei entlasten, die eine enorme Kraftanstrengung anstellen und Überstunden anhäufen, um die Schichten zu bewältigen. Einsatzkräfte, die an anderer Stelle dringend benötigt werden und zum Beispiel an Bahnhöfen für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger da sein könnten.

Das Fazit ist einhellig: Die innereuropäischen Grenzkontrollen sind ineffizient, belasten unsere Polizei und verstoßen gegen das Europarecht. Professionelle Schlepperbanden sind nach Einschätzung von Experten ohnehin so nicht zu stellen, da sie die bekannten Kontrollpunkte einfach umfahren. Anstatt Polizistinnen und Polizisten an die deutsch-österreichische Grenze zu stellen, setzen wir sie lieber in Deutschland ein.

Freiheit und Sicherheit zusammenzubringen, ist eine zentrale Aufgabe der Politik. Grenzkontrollen innerhalb Europas schaffen weder ein Mehr an Freiheit noch mehr Sicherheit. Sie sollten beendet und nicht verlängert werden.

Verwendete Quellen
  • Gastbeitrag von Omid Nouripour (Grüne) und Katharina Schulze (Grüne)
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