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CDU-Vize Linnemann: Kommt eine Blockade des Bürgergelds?


CDU-Vize Linnemann über Scholz
"An Naivität nicht zu überbieten"

InterviewVon Tim Kummert

Aktualisiert am 01.11.2022Lesedauer: 5 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
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CDU-Vizeparteichef Linnemann: "An dieses Prinzip legt die Ampel jetzt die Axt". (Quelle: via www.imago-images.de)

Carsten Linnemann ist Vizevorsitzender der CDU und soll die Partei erneuern. Ein Gespräch über den Umgang mit der AfD, eine mögliche Blockade beim Bürgergeld der Ampel und die Frage, was Olaf Scholz in China tun sollte.

t-online: Herr Linnemann, was machen Sie aktuell?

Carsten Linnemann: Ich arbeite daran, dass uns als CDU der große Wurf gelingt.

Der soll eben das Grundsatzprogramm für die CDU sein?

Ja. Und wir sind dabei sogar schneller als geplant: Ende nächsten Jahres legen wir den Entwurf erstmals vor, dann gehen wir in die Diskussion mit Wählern und unseren Mitgliedern. Es geht dabei um nicht weniger als eine neue Erkennungsmelodie für die CDU.

Carsten Linnemann: "Wir müssen die AfD inhaltlich stellen, das schon"
Carsten Linnemann: "Wir müssen die AfD inhaltlich stellen, das schon" (Quelle: IMAGO/teutopress GmbH)

Zuständig für die Erneuerung der CDU

Carsten Linnemann, 45 Jahre alt, ist seit 2013 Mitglied im Bundesvorstand der CDU. Er war etliche Jahre Chef des einflussreichen Wirtschaftsflügels der Partei, 2022 machte ihn Parteichef Friedrich Merz zum Vorsitzenden der Programm- und Grundsatzkommission. Linnemann soll die grundsätzlichen Pfeiler der Christdemokraten bestimmen, er selbst gilt als wirtschaftsliberal und pflegt gute Kontakte zum Arbeitnehmerflügel seiner Partei.

Mike Mohring, Ex-Fraktionschef im Thüringer Landtag und dortiger CDU-Abgeordneter sagte vor zwei Tagen, er wolle die "Ausgrenzung" der AfD im dortigen Parlament beenden. Klingt so die neue CDU?

Wir müssen die AfD inhaltlich stellen, das schon. Wir wollen Protestwähler aus deren Lager zurück zu uns als bürgerliche Partei holen, das ebenfalls. Aber natürlich wird es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben, Friedrich Merz sprach berechtigterweise von einer "Brandmauer".

Mohring hatte in Thüringen schon den Kurzzeit-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich von der FDP gemeinsam mit Stimmen der AfD ins Amt gewählt. Droht da einer die selbst errichtete Brandmauer zu durchlöchern?

Nein, überhaupt nicht. Auch Mike Mohring weiß, dass wir mit Blick auf die AfD einen klaren Kurs brauchen. Die CDU arbeitet nicht mit Parteien zusammen, die Extremisten in ihren Reihen dulden.

Mohring sagte weiter: "Wir verschwenden jede Plenarsitzung Stunden damit, AfD-Abgeordnete nicht in die ihnen nach ihrem Stärkeverhältnis zustehenden Gremien zu wählen." Können Sie ausschließen, dass AfD-Politiker in Thüringen mit Stimmen der CDU in Ämter gewählt werden?

Ich sitze nicht im Thüringer Landtag, sondern im Bundestag.

Sie sind Vizevorsitzender der Bundespartei und maßgeblich für den neuen Kurs verantwortlich.

Das stimmt. Deswegen kann ich auch nur nochmals wiederholen: Die CDU schließt eine Zusammenarbeit mit der AfD aus. Aber Sie können nicht von mir erwarten, dass ich geheime Wahlen durchschaue. Das tut keiner.

Sie schließen es also nicht aus. Sie vertrauen Ihren eigenen Parteifreunden nicht, wenn es um die AfD geht.

Ich bitte Sie! Natürlich vertraue ich meinen Parteifreunden.

Mohring ist kein Einzelfall. Vor anderthalb Jahren brachte der CDU-Innenminister Holger Stahlknecht in Sachsen-Anhalt eine Zusammenarbeit mit der AfD ins Spiel. In einem Kraftakt entließ ihn daraufhin der dortige Ministerpräsident Reiner Haseloff. Hat die CDU bei Ihrer Neuaufstellung ein Problem im Osten?

Ich habe selbst im Osten promoviert und zudem war ich kürzlich noch in Freiberg und Großschirma, das sind Hochburgen der AfD. Dabei habe ich zwei Beobachtungen gemacht. Die erste ist: Die Menschen wollen nicht erzogen werden.

Inwiefern?

Es geht dabei um ganz alltägliche Fragen. Ob man noch "Indianer" sagen darf. Oder ob man sich noch einen Winnetou-Film anschauen darf. Oder ob man zum Gendern gezwungen wird.

Wer zwingt jemanden in Deutschland zum Gendern?

Ich höre es aus so mancher Universität.

Das stimmt nicht. Es gibt teilweise Leitfäden, die eine neutrale Sprache anregen. Einen Zwang zum Gendern gibt es nicht.

Aber es gibt Universitäten, die es erwarten. Das ist doch die klare Botschaft! Jetzt betreiben Sie wirklich Wortklauberei. Und es geht doch weiter, die Debatte um das Volkslied Layla, das wir im Sommer geführt haben, das ist doch alles nicht mehr normal! Die veröffentlichte Meinung ist teilweise eine andere als die öffentliche. Das beschreibe ich übrigens auch in meinem neuen Buch "Die ticken doch nicht richtig".

Was ist die andere Beobachtung, die Sie in Ostdeutschland gemacht haben?

Ostdeutschland litt zwischen 1997 und 2005 unter einer Arbeitslosenquote von bis zu 20 Prozent. Erst als das Prinzip des Förderns und Forderns umgesetzt wurde, ging die Arbeitslosigkeit runter. Die Menschen haben also etwas aus eigener Kraft erarbeitet. Und genau an dieses Prinzip legt die Ampelkoalition in Deutschland nun die Axt.

Weil das Bürgergeld eingeführt werden soll.

Die Agenda 2010 wird damit de facto an den Haken gehängt! Das ist keine Kleinigkeit, die Regierung geht an die Grundfesten der sozialen Marktwirtschaft. Denn nun werden die Sanktionen für die ersten Monate bei Arbeitslosen abgeschafft. Da könnte ernsthaft die Stimmung in der Gesellschaft kippen – nicht nur in Ostdeutschland.

Sie glauben, die Akzeptanz der gesamten sozialen Marktwirtschaft in Deutschland gerät ins Rutschen, weil Arbeitslose im Amt über einen gewissen Zeitraum weniger Auflagen erfüllen müssen?

Ja, davon bin ich überzeugt. Kein Fußballspiel funktioniert ohne Gelbe und Rote Karten. Auch in einem Sozialstaat braucht es Sanktionen für jene, die sich nicht an die Spielregeln halten. Ansonsten wird die Akzeptanz derer, die für diese Leistungen mit ihren Steuern und Beiträgen aufkommen, mehr und mehr schwinden. Und das ist gefährlich.

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SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagt dazu: "Die SPD wird nicht zulassen, dass arbeitende Menschen mit geringem Einkommen gegen Erwerbslose ausgespielt werden." Die Argumentation der CDU sei "schamlos". Spalten Sie die Gesellschaft?

Im Gegenteil. Ich finde, dass die SPD die Gesellschaft spaltet. Die Verkäuferin an der Kasse wird nicht mehr einsehen, warum sie den Sozialstaat mitfinanzieren soll, wenn dem Leistungsempfänger nichts mehr abverlangt wird.

Ihr CDU-Generalsekretär Mario Czaja kritisierte die aktuellen Pläne zum Bürgergeld bereits.

Wenn sich an dem Gesetzesentwurf nichts ändert, werden die unionsgeführten Länder im Bundesrat nicht zustimmen. Und das ist auch richtig so.

Schauen wir zum Schluss auf diese Woche: Am Donnerstag fliegt Olaf Scholz nach Peking. Was muss der Kanzler dort tun?

Seine Naivität abstellen.

Inwiefern?

Seit 2017 müssen chinesische Unternehmen alle Daten weitergeben, wenn die Kommunistische Partei es verlangt. Dem müssen wir in Deutschland mal ins Auge blicken.

Was muss sich grundsätzlich im Umgang mit China ändern?

Es gibt zwei Ebenen, die man klar trennen muss. Handel zwischen Staaten, das muss weiterhin möglich bleiben. Die Welthandelsorganisation setzt hier die Regeln. Aber selbstverständlich dürfen die Chinesen nicht kritische Infrastruktur bei uns aufkaufen. Dass der Bundeskanzler das im Fall eines Hamburger Hafenterminals zugelassen hat, ist an Naivität nicht zu überbieten.

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Wie lässt sich das klarer trennen?

Die US-Amerikaner machen es vor. Sie treiben wie wir Handel mit China, aber chinesische Investitionen in die kritische US-Infrastruktur sind tabu.

Muss man bei den Chinesen auch damit rechnen, dass sie irgendwann den Hahn zudrehen, so wie Putin beim Gas?

Natürlich macht uns die Abhängigkeit von seltenen Erden und anderen Rohstoffen, die wir etwa für die Energiewende brauchen, verwundbar. Aber meine Sorge ist hier etwas anders gelagert. Ich fürchte, dass man uns technologisch aussaugen will. Das muss der Kanzler endlich verstehen.

Herr Linnemann, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Interview mit Carsten Linnemann
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