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AfD-Landrat in Sonneberg? Höcke will das bundesweite Beben


Erster AfD-Landrat?
Höcke will das bundesweite Beben


Aktualisiert am 25.06.2023Lesedauer: 4 Min.
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Björn HöckeVergrößern des Bildes
Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke: Sein Landesverband gilt dem Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextrem". (Quelle: Bodo Schackow/dpa/dpa)

Erstmals könnte ein AfD-Politiker Landrat in Deutschland werden. Die Wahl im thüringischen Sonneberg befeuert schon jetzt zwei große Sorgen.

Selten ist die Vorfreude in der AfD bei einer lokalen Wahl so groß. "Etwa drei Prozent fehlen nun noch zum ersten AfD-Landrat", twittert Björn Höcke, der dem laut Verfassungsschutz "gesichert rechtsextremistischen" Landesverband vorsteht. "Das wollen und werden wir für Thüringen schaffen!"

AfD-Bundeschefin Alice Weidel wirbt gut gelaunt in einem Video: "Schreiben Sie Geschichte und wählen Robert Sesselmann, den ersten AfD-Landrat."

Tatsächlich sah es für die AfD nie besser aus: An diesem Sonntag könnte sie ihr erstes kommunales Spitzenamt holen. In den vergangenen Wochen stand sie mehrfach kurz davor, scheiterte aber am Ende immer in Stichwahlen: bei der Oberbürgermeisterwahl in Schwerin ebenso wie bei der Landratswahl im brandenburgischen Kreis Oder-Spree.

Robert Sesselmann soll nun schaffen, was anderen nicht gelang. Der Rechtsanwalt und AfD-Landtagsabgeordnete tritt als Kandidat für das Landratsamt im Kreis Sonneberg im Thüringer Wald an. Und seine Chancen sind gut, viel besser als die seiner Kollegen zuvor: In der ersten Runde holte Sesselmann 46,7 Prozent, Amtsinhaber Jürgen Köpper (CDU) kam nur auf 35,7 Prozent.

Nur gut drei Prozentpunkte mehr und Sesselmann hätte die absolute Mehrheit und damit das Amt schon sicher gehabt. So aber entscheidet an diesem Sonntag die Stichwahl.

Während die AfD frohlockt, ist das Entsetzen anderweitig groß. Ausgerechnet in Thüringen, wo Höcke den mit Abstand radikalsten AfD-Landesverband führt, soll nun der Meilenstein gelingen? Viele fragen sich: Wie kann das sein? Und wo wird das hinführen?

Wie kann das sein?

Sesselmann dürfte die Anti-Berlin-Stimmung in seinem Wahlkreis zugutekommen. Der AfD-Politiker machte nämlich vor allem mit bundespolitischen Themen Wahlkampf – für die er als Landrat allerdings gar nicht zuständig ist.

"Mehrwertsteuer senken", "Grenzen sichern" oder "Diesel ist super" steht auf seinen Plakaten. Sein Konkurrent Köpper erzählt in Interviews: Der Ärger über das Heizungsgesetz der Bundesregierung sei in der Region groß, die Stimmung gegen "Die da oben" schlecht.

Zugleich ist Sesselmann in der Region gut vernetzt. Er ist hier aufgewachsen, er lebt und arbeitet in Sonneberg, schon 2018 ist er zur Landratswahl angetreten.

Dass die Thüringer AfD, zu der Sesselmann seit 2016 gehört, vom Verfassungsschutz beobachtet wird, schreckt in Thüringen offenbar nicht weiter ab: In aktuellen Umfragen ist die Höcke-Partei im gesamten Land mit 24 bis 26 Prozent meistens stärkste Kraft – noch vor den Linken, die mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten stellt.

Rechtsextremistische Äußerungen und Orientierungen seien weit verbreitet, attestiert Matthias Quent, Professor für Soziologie an der Hochschule Magdeburg-Stendal, im Gespräch mit der "Tagesschau". "Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, Autoritarismus und nationalistischer Chauvinismus werden in ländlichen Regionen stärker als in urbanen Zentren und im Osten stärker als im Westen gemessen."

Die Einschätzung des Verfassungsschutzes schrecke nicht ab. Im Gegenteil: "Als rechtsextrem bezeichnet zu werden, wird sogar als Auszeichnung verstanden, weil es eine maximale Distanz zum verachteten politischen Establishment zum Ausdruck bringt", so Quent.

Stichwahl ist für die AfD immer eine Herausforderung

In Sonneberg sind in der ersten Runde allerdings viele gar nicht zur Wahl gegangen. Nicht einmal die Hälfte der rund 19.000 Wahlberechtigten hat teilgenommen. In die hohe Anzahl der Nichtwähler setzt Sesselmanns Konkurrent Köpper seine größten Hoffnungen – und auch die anderen Parteien, die nun allesamt für Köpper trommeln.

Den Strategen in der AfD wäre es lieber gewesen, Sesselmann hätte im ersten Wahlgang gewonnen. Sie kennen ihre bisherige Bilanz: Stichwahlen sind immer schlecht ausgegangen – nicht zuletzt wegen der geschlossenen Mobilisierung der anderen Parteien.

Aber: Ein Landkreis in Thüringen könnte anders ticken, so zumindest die Hoffnung bei der AfD. Sie hofft auf den medialen und öffentlichen Empörungsschrei: Das Ziel müsse sein, die Bundesrepublik zum "Beben" zu bringen, kündigte Höcke an.

CDU-Bürgermeister fordert Kooperation mit AfD

Schon jetzt befeuert die Landratswahl in Sonneberg so zwei große Sorgen: Erstens könnte die Wahl des ersten AfD-Landrats der Partei noch mehr Auftrieb verschaffen. Der ist ohnehin schon groß: Bundesweit fährt die AfD in Umfragen zurzeit Spitzenwerte zwischen 18 und 20 Prozent ein. Damit ist sie dritt- oder sogar zweitstärkste Kraft im Land.

Im Osten ist die Zustimmung noch größer: Nicht nur in Thüringen, sondern auch in Sachsen landet die Partei in Umfragen auf dem ersten Platz. In Brandenburg liefert sie sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der SPD. Und in allen drei Bundesländern finden 2024 Landtagswahlen statt.

Zweitens befürchten nicht wenige, dass die viel beschworene Brandmauer der anderen Parteien hin zur AfD bröckeln könnte, je erfolgreicher sie auf lokaler Ebene wird. Schon jetzt gibt es auf kommunaler Ebene Kooperationen zwischen CDU und AfD. So erklärte der CDU-Bürgermeister des thüringischen Waltershausen, Michael Brychcy, dass er AfD-Abgeordnete im Stadtrat mit einbinde.

Kurz vor der Wahl in Sonneberg sprach Brychcy sich außerdem insgesamt für eine Zusammenarbeit mit der AfD "in Sachfragen" aus, wie der MDR berichtet. Ansonsten komme man auf der Kommunal- und Landesebene im Osten überhaupt nicht mehr voran, argumentiert er.

Für seinen Vorschlag erntete Brychcy massive Kritik. "So wird einer ausgewiesen extrem rechten Partei kontinuierlich der Weg bereitet, wirkmächtig zu werden und Gestaltungsverantwortung zu erhalten", twitterte Steffen Dittes, Fraktionschef der Linken.

Die CDU-Spitze weist Brychcys Ansinnen von sich. CDU-Chef Friedrich Merz, Generalsekretär Mario Czaja sowie der Thüringer Landeschef Mario Voigt lehnen eine Kooperation mit der AfD weiterhin ab und betonen, die Brandmauer zu Rechtsextremisten halten zu wollen.

Zunehmend aber stellt sich die Frage: Wie lange noch?

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • mdr.de: "Vor der Stichwahl zum Landrat: Wie ist die Stimmung im Kreis Sonneberg?"
  • mdr.de: "CDU und AfD: Brychcy für Umdenken, Voigt lehnt Zusammenarbeit ab"
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