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Grüne gegen Linke: Wer gewinnt den Kampf um die Jugend?


Linkspartei im Aufwind
Machtkampf auf der linken Spur

Von dpa, tos

29.06.2025 - 07:57 UhrLesedauer: 4 Min.
Linken-Führungsfigur Heidi Reichinnek: Ihre Partei hat in den vergangenen Monaten ein großes Wachstum erlebt.Vergrößern des Bildes
Linken-Führungsfigur Heidi Reichinnek: Ihre Partei hat in den vergangenen Monaten ein großes Wachstum erlebt. (Quelle: IMAGO)
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Grüne und Linke liefern sich in aktuellen Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Wer gewinnt den Kampf um die Stimmen der Progressiven?

Am Donnerstag fiel Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek bei der Wahl ins Parlamentarische Kontrollgremium für die Geheimdienste durch – weil die Union sie für zu radikal hält und sie deshalb nicht wählte. Doch auf der Straße gewinnt ihre Partei an Rückhalt: Laut aktuellen Umfragen liegt die Linke bundesweit bei zehn bis elf Prozent und ist damit gleichauf mit den Grünen. Noch vor wenigen Monaten dümpelte sie bei zwei bis drei Prozent.

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Für die Linke ist das eine irre Wende, für die Grünen hingegen ein empfindlicher Absturz: Einst kratzten sie an der 25-Prozent-Marke, jetzt kämpfen sie um Anschluss. Die Frage steht im Raum: Löst die Linke die Grünen als führende Oppositionskraft links der Mitte ab?

Linke und Grüne wollen wachsen

Linken-Chefin Ines Schwerdtner sieht ihre Partei klar auf Kurs. Studien bescheinigten ein Potenzial von 15 bis 20 Prozent, sagt sie der Deutschen Presse-Agentur. "Ich glaube, dass bundesweit mehr drin ist als zehn Prozent." Grünen-Chef Felix Banaszak hingegen hält dagegen: "Die Grünen haben das Potenzial, die führende Kraft der linken Mitte zu werden."

Nach dem Ampel-Schaden wirken die Grünen allerdings ausgelaugt und ratlos. Ist das von Dauer? "Das hängt vor allem von den Grünen selbst ab", sagt der Meinungsforscher Peter Matuschek vom Institut Forsa. Die Grünen hätten bei der Europawahl 2019 mit 20,5 Prozent ihr bestes Ergebnis erzielt, weil ihr Führungsduo Robert Habeck und Annalena Baerbock damals überzeugt habe und sie für Menschen in der politischen Mitte wählbar gewesen seien. Diese Neuwähler hätten sich aber wieder enttäuscht abgewandt, sodass die Partei auf ihre Kernwählerschaft zurückgefallen sei.

Heute habe die Linke ein überzeugenderes Personal und ein klares Profil. Deren Umfragewerte seien bemerkenswert. Aber Matuschek meint auch: "Die Linke besetzt weiter eine Nische im politischen Spektrum." Ihre Positionen seien dezidiert links und ihr Potenzial damit wohl endlich.

Grünen-Chef: Wollen Öko-Fortschritt in der Marktwirtschaft

Da geht Grünen-Chef Banaszak gerne mit. "Ein Großteil der ökologisch orientierten Menschen stellt nicht die Systemfrage", sagt er der dpa. "Die Linke will erst den Kapitalismus überwinden, bevor ökologischer Fortschritt erreicht werden kann. Wir sagen: Ökologischer Fortschritt ist innerhalb der marktwirtschaftlichen Ordnung möglich und wirtschaftlich umsetzbar, mit sozialem Ausgleich."

Dass viele Menschen die Grünen als abgehobenen Akademiker-Verein wahrnehmen, ist angekommen. Zwischen 2018 und 2022, also unter der Führung von Baerbock und Habeck, hätten die Menschen zwei Dinge mit den Grünen verbunden, sagt Banaszak der dpa. "Inhaltliche Klarheit und eine einladende, alltagsnahe Art. Beides hat sich in der Ampel-Zeit ins Gegenteil verkehrt. Ohne alles genauso zu machen wie 2018: Da müssen wir wieder hin."

Schwarz-Grün als strategischer Fehler?

Bei den Grünen sehen es viele inzwischen als schweren Fehler, dass Habeck als Kanzlerkandidat Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) für seine gemeinsamen Abstimmungen mit der AfD zur Migration zwar kritisierte, aber keinen Abstand nahm von Schwarz-Grün. Man habe "zu wenig Ansprüche an mögliche Koalitionspartner gestellt", sagt Banaszak.

Linken-Chefin Schwerdtner sieht das ähnlich: "Auf Schwarz-Grün zu zielen, war ein strategischer Fehler." Grünen-Stimmen seien bei der Linken gelandet. An einigen Orten habe die Linke längst die Meinungsführerschaft im progressiven Lager. "In Berlin liegen wir in einer aktuellen Umfrage bei 19 Prozent."

Zugleich sei die Linke die einzige Partei, die Menschen aus wirklich armen Verhältnissen anspreche. "Die SPD und Grüne erreichen die prekären Milieus nicht", zeigt sich Schwerdtner sicher. Was Banaszak nicht so stehen lassen würde. Im Hinblick auf die Sozialpolitik sei die Linke eine Blackbox: "Will man Wähler aus grünen Hochburgen anziehen oder Arbeiter mobilisieren? Das ist offen."

Linke profitiert von Zweifeln am Kapitalismus

Die Linke profiliert sich im Kampf gegen hohe Mieten und teure Lebensmittel. Aber sie scheint auch den Zeitgeist zu treffen. "Mit ihrer antikapitalistischen Haltung kann die Linke punkten in einer Zeit, in der Leute wie US-Präsident Donald Trump das System in Verruf bringen", sagt Politikwissenschaftler Michael Wehner von der Universität Freiburg. "Und es gibt ja reale große Unterschiede bei Einkommen und Vermögen in unserem Land."

Zudem hat die Linke mit Fraktionschefin Reichinnek eine profilierte junge Frontfrau – während bei den vier Grünen an der Partei- und Fraktionsspitze keiner besonders heraussticht. "Starke Persönlichkeiten werden in der Politik ein immer wichtigerer Faktor", sagt Wehner. "Heidi Reichinnek kann mit einem Coolness-Faktor punkten wie derzeit kein Grüner. Ihre idealistisch-populistischen Lösungen verfangen bei jungen Leuten." Die Linke zieht auch Scharen junger Leute als Mitglieder an – binnen weniger Monate hat sie sich auf rund 115.000 Menschen verdoppelt. Bei den Grünen steigt der Altersdurchschnitt.

Was macht die Linke mit dem Aufschwung?

Trotzdem bleibt die Frage nach der Perspektive. Die Grünen lassen keinen Zweifel: Sie wollen wieder wachsen und mitregieren. Die Linke äußert sich weniger klar, was sie mit ihrer neuen Stärke eigentlich anfangen will. "Wir gehen nur dann in eine Regierung, wenn wir für die Leute damit wirklich etwas verändern können", sagt Schwerdtner. Aber mit wem wäre das möglich?

Die Union hält eine Zusammenarbeit mit der Linken immer noch für unvereinbar. Eine Mehrheit für Rot-Rot-Grün wiederum ist nicht in Sicht angesichts der Schwäche von SPD und Grünen. "Unsere politische Aufgabe sollte sein, das Feld Mitte links zu vergrößern, eben im Verhältnis zum Feld von Mitte rechts", findet Schwerdtner. "Und die Linke soll darin so stark wie möglich sein."

Vorerst bleibt Linken und Grünen wohl nur, in der Opposition die Grenzen von Konkurrenz und Schnittmengen auszutesten. "Da, wo es gemeinsame Interessen gibt, können wir mit der Linken zusammenarbeiten", sagt Grünen-Chef Banaszak. "Da, wo Blindflug herrscht, wie zum Beispiel bei der Ukraine, werde ich das benennen."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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