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Einbürgerung vereinfacht: Verramschen der Staatsbürgerschaft? "Irrtum"


Staatsbürgerschaft
Verramschen? – Was für ein kolossaler Irrtum

MeinungVon Miriam Hollstein

Aktualisiert am 23.08.2023Lesedauer: 3 Min.
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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD): Am Mittwoch präsentierte sie die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. (Quelle: Bernd Settnik/dpa)

Die Union kritisiert die Reform der Staatsbürgerschaft und schürt unnötig Ängste. Dem liegt ein Denkfehler zugrunde, der Deutschland viel kosten könnte.

Da ist der Syrer, der eine Bilderbuchkarriere in der Integration hingelegt hat. Vor sieben Jahren kam er nach Deutschland, lernte in kürzester Zeit so hervorragend Deutsch, dass er heute einen größeren Wortschatz hat als viele Einheimische. Auch hat er für sein kommunales Engagement bereits einen Preis erhalten. Als er vor zwei Jahren Deutscher werden wollte, wurden ihm trotzdem viele bürokratische Steine in den Weg gelegt.

Und da ist der Inder, der als IT-Ingenieur nach Paderborn kam. Dem seine Arbeit gefiel, gut mit den Kollegen auskam und der das deutsche Bier mochte. Aber der Verwaltungsaufwand für Ausländer nervte ihn. Er zog dann nach Kanada weiter, will dort jetzt bald eine Familie gründen und kanadischer Staatsbürger werden.

Zwei Fälle aus dem wirklichen Leben. Beide zeigen, wie dringend das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht einer Reform bedarf. Heute ist eine solche Reform vom Kabinett beschlossen worden. Wenn die Union hier nun Ängste schürt und von der Gefahr spricht, die deutsche Staatsangehörigkeit werde "verramscht", erliegt sie einem kolossalen Irrtum.

Ein Blick nach Kanada hilft

Denn bei der Staatsangehörigkeit geht es nicht um jene Flüchtlinge, die gerade erst nach Deutschland gekommen sind, keine Ausbildung haben und die Sprache nicht beherrschen. Wer künftig Deutscher werden will, muss immer noch mindestens fünf Jahre im Land gelebt haben. Nur bei besonderen "Integrationsleistungen" wie ehrenamtlichem Engagement oder guten Schulleistungen kann dies auf drei verkürzt werden. Er muss zudem Sprachkenntnisse nachweisen und sich zur freiheitlich-demokratischen Ordnung in Deutschland bekennen. Einer der größten Unterschiede zu vorher: Man muss die alte Staatsangehörigkeit nicht aufgeben.

Eine doppelte Staatsbürgerschaft ist in der Regel aber vor allem dann problematisch, wenn die Menschen sich aufgrund ihrer Herkunft als Bürger zweiter Klasse erleben. Dann wird das Herkunftsland idealisiert, während man zu Deutschland keine Loyalität entwickelt. Auch hier hilft der Blick nach Kanada, um zu sehen, wie es besser läuft: Hier werden neue Staatsbürger gefeiert und zugleich wird ihre Herkunft voller Stolz betont. Vielfalt wird als Qualitätsmerkmal, nicht als Bedrohung gesehen. (Mehr zum Einbürgerungssystem in Kanada lesen Sie hier.)

Kolossal ist der Irrtum von der "verramschten Staatsbürgerschaft" auch deshalb, weil dahinter die Haltung steckt: Deutschland braucht keine neuen Bürger und Bürgerinnen. Jeder, der es trotzdem schafft, Deutscher zu werden, muss bis ans Lebensende Tränen der Dankbarkeit vergießen. Er ist quasi "gnadenhalber" Deutscher geworden.

Mit der Reform zeigen wir Stolz

Das Gegenteil ist der Fall: Wir brauchen Fachkräfte dringender denn je. Und wir sollten dankbar sein, wenn sie sich entscheiden, nicht nur hier zu arbeiten, sondern sogar Deutsche zu werden und ihre Kinder als Deutsche zu erziehen. Indem wir stolz auf sie sind, wenn sie diesen Schritt gehen, demonstrieren wir, wie stolz wir selbst auf unser Land sind. Und dass unser Selbstbewusstsein groß genug ist, um in unserer Gesellschaft jene als vollwertige Mitglieder aufzunehmen, die an der Ernsthaftigkeit ihres Wunsches keinen Zweifel lassen.

Der erste Schritt in diese Richtung ist die Reform der Staatsbürgerschaft. Der zweite ist ein symbolischer: Nicht nur punktuell, sondern flächendeckend sollten jetzt Zeremonien eingeführt werden, bei denen die Staatsbürgerschafturkunde feierlich übergeben wird. Bislang ist das noch häufig ein schnöder Verwaltungsakt, bei dem man eine Wartenummer zieht und am Ende maximal ein knappes "Glückwunsch" vom zuständigen Sachbearbeiter hört. Womit man vor allem eines demonstriert: Deutschland ist noch viel zu stolz auf seine veralteten Bürokratieprozesse.

Wenn hier nicht bald ein Mentalitätswechsel stattfindet, schadet sich Deutschland selbst. Dann werden all jene, die unsere Wirtschaft stärken und unsere Gesellschaft bereichern könnten, lieber in anderen Länder ihr Glück versuchen.

Verwendete Quellen
  • Informationen zur Reform des Staatsbürgerschaftsrechts: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/schwerpunkte/DE/einwanderungsland/staatsangehoerigkeitsrecht.html
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