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Ampel-Halbzeitbilanz: Studie überrascht – Vertrauen in Scholz sinkt trotzdem


Halbzeit bei der Ampel
Was fehlt

MeinungVon Sara Sievert

12.09.2023Lesedauer: 3 Min.
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Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz: Der Kanzler hält weiteren Streit in der Ampelkoalition für kontraproduktiv.Vergrößern des Bildes
Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz: Der Kanzler hält weiteren Streit in der Ampelkoalition für kontraproduktiv. (Quelle: Florian Gaertner/imago images)

Laut einer Studie ist die Bilanz der Ampel besser als ihr Ruf. Was Scholz vergisst: In Krisenzeiten reicht es nicht, Wahlversprechen abzuarbeiten.

Woran misst man den Erfolg einer Regierung? An großen Reformen? An den von ihr abgearbeiteten Wahlversprechen? Oder an der Art und Weise, wie die Regierenden miteinander umgehen? Mit Blick auf die aktuellen Zustimmungswerte könnte man denken, die Ampel liefere in keinem der genannten Punkte eine Glanzleistung ab. Die Umfragen sind ein ziemliches Armutszeugnis.

Nun stellt sich heraus: Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung ist die Bilanz der Ampel deutlich besser als ihr Ruf. Demnach arbeitet die Koalition ihre Wahlversprechen trotz Krisen verhältnismäßig erfolgreich ab. Konkret: 38 Prozent, sprich 174 der 453 Vorhaben, wurden bislang erfüllt bzw. teilweise erfüllt. Darunter die Erhöhung des Mindestlohns, die Wahlrechtsreform oder die Abschaffung der EEG-Umlage.

Zum Vergleich: Die Vorgängerregierung hatte zur Halbzeit zwar 54 Prozent ihrer Koalitionsversprechen eingelöst. Dafür handelte es sich dabei nur um 154 Vorhaben.

In Zeiten der Krise reicht es nicht, Wahlversprechen abzuarbeiten

Geht man vom reinen "Einlösen" der Wahlversprechen aus, macht die Ampel also einen ordentlichen Job. Das Problem: Regieren bedeutet eben nicht nur, den Koalitionsvertrag abzuarbeiten, sondern auch, auf Krisen zu reagieren, sein Handeln vernünftig zu kommunizieren und sich gegenseitig nicht regelmäßig eins auszuwischen.

Das Ansehen der Ampel leidet besonders darunter, dass die Streitereien zwischen den Regierungsparteien so häufig öffentlich ausgetragen werden. Ob beim Gebäudeenergiegesetz oder bei der Kindergrundsicherung: Gerade zwischen FDP und Grünen eskaliert der Streit teilweise so heftig, dass aus der Union (zurecht) der Einwand kommt, man fühle sich als Opposition überflüssig. Es entsteht zunehmend der Eindruck, als seien sich zwei der drei Ampel-Partner bei keinem der ursprünglich gemeinsamen Vorhaben einig – und als habe der Kanzler seine Koalition nicht im Griff.

Zwar sind Streit und Debatten auch innerhalb einer Regierung richtig und wichtig. Politik lebt vom Ringen um den richtigen Kurs. Aber doch nicht in diesem Ausmaß und auf öffentlicher Bühne. Wie sollen die Bürgerinnen und Bürger ein Gesetz gut finden, das von Teilen der Regierung, die es verabschiedet, vorab zerrissen wurde? Informationen werden durchgestochen, es wird sich gegenseitig schlecht geredet, teilweise sogar blockiert. Ein dermaßen feindseliger Umgang miteinander sorgt nun mal nicht für Vertrauen.

Was fehlt, ist Vertrauen in das Krisenmanagement der Ampel

Dabei wäre genau das aktuell wichtig. Schließlich hat Angela Merkel auch deshalb 16 Jahre regiert, weil es ihr gelang, die Erfolge ihrer Regierungen zu feiern und ein Grundvertrauen in das eigene Krisenmanagement zu etablieren. Gerade in schwierigen Zeiten hielt die Altkanzlerin ihre Koalitionen zusammen, fand abgesehen von wenigen Ausnahmen wie der Flüchtlingskrise einen gemeinsamen Ton. Auch deshalb hatten die Merkel-Regierungen samt ihrer Ministerinnen und Minister in Krisen-Zeiten gute Zustimmungswerte. Während der Corona-Pandemie im April 2020 waren es laut ARD-Deutschlandtrend ganze 72 Prozent der Deutschen zufrieden oder sehr zufrieden mit dem Krisenmanagement der Regierung.

Fairerweise muss man Scholz zugestehen, dass Kompromisse schwerer zwischen drei Parteien zu finden sind als zwischen zweien.

Scholz versucht dennoch, an seine Vorgängerin und ihren Umgang mit Krisen anzuknüpfen: Mithilfe von großen rhetorischen Aufschlägen wie dem "Doppel-Wumms" oder kürzlich dem "Deutschland-Pakt" will er zeigen, dass er Führung übernimmt. Problem: Scholz misslingt die Kommunikation nach innen wie nach außen. Oft wissen seine Koalitionspartner vor großen Ankündigungen wenig bis gar nichts von seinen Plänen. Und: Großen Worten müssen dann auch Taten folgen, sonst sind sie unglaubwürdig und verpuffen.

Die Quittung kommt dann in den Umfragen. Vergangene Woche erreichte Scholz' Koalition sogar einen neuen Tiefpunkt. Laut Deutschlandtrend ist nur noch jeder Vierte (25 Prozent) zufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung. Drei Viertel (73 Prozent) halten die Ampel für weniger gut oder schlecht. Die Menschen machen sich Sorgen um ihre wirtschaftliche Lage, um zu hohe Preise – und um die hohe Zahl der Geflüchteten, mit denen die Kommunen kaum mehr zurechtkommen.

Angesichts solcher Herausforderungen reicht es nicht, den Koalitionsvertrag abzuarbeiten, den man vor Ausbruch der Krise beschlossen hatte. Eine gute Regierung zeichnet sich vor allem auch dadurch aus, dass sie agil ist. Sie muss im Ernstfall zumindest den Eindruck vermitteln, eine sich verändernde Lage unter Kontrolle zu haben. Im Moment ist jedoch die Hoffnung darauf, dass Scholz und seine Ampel drängende Probleme in den Griff bekommen, erschreckend gering.

In Krisen wachsen manche über ihre Fähigkeiten hinaus, andere drohen von der Last der Herausforderungen erdrückt zu werden. Bislang ist bei der Ampel letzteres der Fall.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Bertelsmann Stiftung: Halbzeitbilanz der Ampel-Koalition zur Umsetzung des Koalitionsvertrages 2021
  • ARD-Deutschlandtrend vom 02.04.2020 und vom 31.08.2023
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