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Klaus Lederer kritisiert die Linke: "Eine unerträgliche Relativierung"


Antisemitismus bei der Linken
"Das ist eine unerträgliche Relativierung"

  • Annika Leister
Von Annika Leister

18.11.2023Lesedauer: 4 Min.
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Propalästinensische Demonstration in Berlin (Symbol): Oft mit Anti-Israel-Rufen und Judenhass.Vergrößern des Bildes
Propalästinensische Demonstration in Berlin (Symbol): Oft mit Anti-Israel-Rufen und Judenhass. (Quelle: IMAGO/Andreas Friedrichs)

Der Antisemitismus ist zurzeit auch unter Linken stark. Beim Parteitag der Linken riss einem prominenten Parteimitglied der Geduldsfaden. Klaus Lederer kritisiert seine Partei scharf.

Es ist fast Mitternacht, als Klaus Lederer am Freitag beim Parteitag der Linken auf die Bühne steigt. Der ehemalige Kultursenator von Berlin gilt mit Blick auf die Außenpolitik als kluger Analyst und gemäßigter Ruhepol seiner Partei, deren Kurs in dem Bereich oft wild ist – Kuscheln mit Putin und Verständnis für die Terroristen der Hamas inklusive.

Lederer hat sich in Zeiten, wenn die Linke sehr stark ausschlug, in den vergangenen Jahren oft zu Wort gemeldet. Zuletzt hat er sich im Ringen um den Kurs der Partei mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine deutlich gegen Sahra Wagenknecht gestellt.

Nun ist Wagenknecht weg, Lederer aber hat ein ernstes Anliegen: Antisemitismus in seiner Partei. Denn auf den propalästinensischen Demos zurzeit protestieren oft auch Linke mit Israel-feindlichen oder antisemitischen Sprüchen. Auch auf dem Parteitag meldeten sich Genossen mit Wortbeiträgen, die Lederer wütend machen. "Liebe Genossinnen und Genossen, wir haben ein Problem, ein ernsthaftes Problem", sagt er.

Ein Gespräch mit Klaus Lederer über die Probleme seiner Partei, die Wurzeln des linken Antisemitismus und simple Wahrheiten.

t-online: Herr Lederer, was hat Sie zu Ihrer Rede zum Antisemitismus in der Linken gebracht?

Klaus Lederer: Die teilweise schockierenden Reaktionen nach dem 7. Oktober. Insbesondere die eines Abgeordneten in der Linken-Fraktion im EU-Parlament, der Gaza mit dem Warschauer Ghetto verglichen hat. Das finde ich eine unerträgliche Relativierung des Holocaust. Auch hier auf dem Parteitag habe ich Grenzüberschreitungen erlebt, die in einer linken Partei keinen Raum haben dürfen. Ich wollte mit meiner Rede an etwas eigentlich Simples erinnern.

An was?

Der Nahostkonflikt mag komplex sein. Aber der 7. Oktober ist eine Zäsur, die zum Innehalten und Nachdenken anhalten sollte. Und zwar über das, was sich am 7. Oktober abgespielt hat.

Was ist das aus Ihrer Sicht?

Eine hoch ausgerüstete, bestens vorbereitete Kommandoeinheit von Hunderten Terroristen ist in Israel eingefallen – mit dem Ziel, so viele Menschen wie nur möglich so brutal wie nur möglich zu ermorden. Damit nicht genug: Ihre Taten haben sie über Bodycams und Livestreams im Internet übertragen. Sie wollten eine genozidale Botschaft versenden: Wo immer ihr lebt, ihr Jüdinnen und Juden, ihr könnt euch nicht sicher fühlen. Dieser symbolische Bezug auf Auschwitz geschah bewusst. Darum ging es. Da müssen Linke doch klar sein!

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Viele ihrer Genossen setzten in ihren Reden auf dem Parteitag andere Prioritäten. Eine Genossin sagte erschrocken: Manches klinge, als komme es von Alice Weidel. Was sind die Wurzeln für diesen Antisemitismus bei der Linken?

Im modernen Antisemitismus wird jüdischen Menschen große Macht und die Verantwortung für die negativen Seiten des Kapitalismus zugeschrieben. Davor sind auch Linke nicht gefeit. Es gibt innerhalb der Linken außerdem den guten Reflex, sich immer auf die Seite der Schwächeren zu stellen. Beim Nahostkonflikt herrscht die Vorstellung vor: Israel ist die militärisch stärkere Seite, die Palästinenser die schwächere. Das ist aber zu einfach. Die Hamas, die den Gaza-Streifen und seine Zivilbevölkerung beherrscht, hat viele Unterstützer, nicht nur Iran und die Hisbollah, und eine ideologische Agenda des eliminatorischen Antisemitismus.

Seit wann sind antisemitische Positionen stark in der Linken?

Nach der Shoah, nach dem millionenfachen Mord an den europäischen Juden, gab es in der Linken starke Traditionen, die Notwendigkeit des Staates Israels als Schutzraum ernst zu nehmen und in jeder Hinsicht zu verteidigen – auch mit Blick auf das Selbstverteidigungsrecht Israels. Das hat sich mit dem Sechstagekrieg 1967 verändert.

Inwiefern?

Die Shoah als Zivilisationsbruch, die Besonderheit dieses fundamentalen Angriffs auf jede Art von menschlicher Emanzipation – das ist in den Hintergrund gerückt. Stattdessen rückten sehr oberflächliche, einseitige Parteinahmen im Nahostkonflikt in den Vordergrund. Das sehen aber auch viele Linke kritisch. Nach meiner Rede habe ich viel Zustimmung erhalten.

Haben Sie da Sorge mit Blick auf die nächste Generation? Auch Greta Thunberg und Fridays for Future stehen wegen Antisemitismus in der Kritik, auf propalästinensischen Demos rufen besonders junge Linke israelfeindliche Parolen.

Antisemitismus ist kein Problem allein der Jungen, auch nicht der Linken. Er ist auch kein importiertes Problem, wie jetzt oft behauptet wird. Er ist ein generelles und weitverbreitetes Problem. Ich wehre mich dagegen, den Antisemitismus immer irgendwo anders zu verorten. Genau das ist Teil unseres Problems.

Was ist stattdessen zu tun aus Ihrer Sicht?

Ich habe als Berliner Kultursenator sechs Jahre lang Erinnerungsarbeit begleitet. Die Herausforderung besteht heute darin, den Zivilisationsbruch der Shoah in neuer Art, mit neuen Mitteln für die heutigen Generationen in einer vielfältigen Gesellschaft zu vermitteln. Wir dürfen da nicht nachlassen. Wir müssen verstehen und eingestehen, wie groß unser Defizit ist. Die Kürzung von Demokratiearbeit durch die Bundesregierung gerade ist da das absolut falsche Signal.

Herr Lederer, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Klaus Lederer
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