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FDP-Chef Christian Lindner: Macht er jetzt doch neue Schulden?


Was macht Lindner?
Das böse Wort mit S


Aktualisiert am 13.06.2024Lesedauer: 4 Min.
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Christian Lindner im Mai 2024 in Brüssel: Für den Finanzminister stehen harte Haushaltsverhandlungen an.Vergrößern des Bildes
Christian Lindner: Für den Finanzminister stehen harte Haushaltsverhandlungen an. (Quelle: Thierry Monasse)

Finanzminister Lindner hält eisern an der Schuldenbremse fest. Die Kritik an seiner Politik wird immer lauter. Nun soll sich der FDP-Politiker jedoch bewegen.

Da ist es, das böse Wort mit S. Im Kreise der Liberalen fasst man es seit geraumer Zeit nicht einmal mit der Kneifzange an. Dabei beherrscht es die Debatte. Wenn es um den Haushalt geht und darum, wie viel Geld die Regierung ausgeben soll, nehmen es Politiker von SPD, Grünen, aber auch aus der Opposition gerne in den Mund. Schulden.

Die Befürworter höherer Neuverschuldung argumentieren dann gerne damit, dass Deutschland endlich wieder vorankommen muss, aus dem unendlich erscheinenden Reformstau heraus – und auf die wirtschaftliche Überholspur zurück. Dafür brauche es einen weiteren Wumms, also eine kräftige Finanzspritze aus der Staatskasse. Doch Christian Lindner (FDP) hält vom Schuldenmachen bekanntlich wenig. Dem Finanzminister kräuseln sich jedes Mal die Zehennägel, wenn etwa eine Aufweichung der Schuldenbremse gefordert wird. Auch sonst steht er für strikte Haushaltsdisziplin, Stichwort: schwäbische Hausfrau.

Nun will die "BILD"-Zeitung jedoch erfahren haben, dass Lindner sehr wohl über neue Schulden nachdenken soll. Demnach bereitet die Bundesregierung wegen nicht eingeplanter Mehrausgaben nämlich einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr vor. Lindners Ministerium habe die Haushaltspolitiker der Ampel-Koalition bereits über entsprechende Pläne informiert, berichtete das Blatt am Donnerstag unter Berufung auf Koalitionskreise.

Finanzministerium: "Jederzeit bereit zu handeln"

Grund für den Schritt sei die schlechtere Konjunktur, diese ermögliche auch bei Einhaltung der Schuldenbremse eine um bis zu elf Milliarden Euro höhere Neuverschuldung als bisher geplant. "Denkbar ist so etwas", sagte ein Insider der Koalition der Nachrichtenagentur "Reuters". "Aber in der Regierung ist das noch nicht konkret entschieden."

Das Finanzministerium wollte sich zu dem Bericht nicht konkret äußern. Eine Ministeriumssprecherin sagte auf Anfrage nur: "Wir beobachten die Entwicklung der Steuereinnahmen und den Haushaltsvollzug und sind jederzeit bereit zu handeln."

Erst am Mittwoch hatte das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einem Beitrag Alternativen zur Schuldenbremse vorgeschlagen und darauf hingewiesen, dass es in der Finanz- und Wirtschaftspolitik enormen Handlungsbedarf im Land gibt.

Wirtschaftsexperten: "Schuldenbremse überdenken"

"Die Schuldenbremse schränkt die politische Handlungsfähigkeit ein", so die Autoren um IW-Präsident Michael Hüther. Es sei zwar richtig, den Blick auf die Staatsverschuldung zu richten, auch die Idee, künftige Generationen durch eine hohe Staatsverschuldung nicht übermäßig zu belasten, sei nachvollziehbar. Doch bestehe in Deutschland "ein immenser Investitionsbedarf und eine hohe Steuerbelastung", so das arbeitgebernahe Wirtschaftsforschungsinstitut.

Die Wirtschaftswissenschaftler schlagen daher drei Wege vor, die harte Schuldenbremse aufzuweichen und die Verschuldungsspielräume spürbar auszuweiten. Zugleich sollen gesunde Staatsfinanzen gewährleistet bleiben. "In jedem Fall sollte die Politik aber die Ausgestaltung der Schuldenbremse überdenken", so IW-Experte Tobias Hentze.

Ob Finanzminister Lindner dazu bereit ist, ist unklar. Zwar würde der Nachtragshaushalt eine Mehrverschuldung bedeuten, ein generelles Umdenken bei der Schuldenbremse ergibt sich dadurch aber erstmal nicht, zumal diese im Grundgesetz verankert ist.

Auch wegen der gesetzlichen Verankerung propagieren ökonomisch eher konservativ agierende Politiker wie Lindner die Einhaltung der schwarzen Null, also eines ausgeglichenen öffentlichen Haushalts. Kritiker werfen ihm daher fiskalpolitische Wirklichkeitsverweigerung vor, er halte an der Schuldenbremse fest wie an einem Fetisch. Das Gebot der schwäbischen Hausfrau, nicht mehr auszugeben, als man einnimmt, gelte für moderne Staatshaushalte längst nicht mehr.

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Pistorius: "Sorry, das geht nicht"

Lindner selbst hält die Schuldenbremse angesichts der gestiegenen Zinsen für "ein Gebot der ökonomischen Vernunft", wie er der "Passauer Neuen Presse" sagte. Die "Schwarze Null" sei dagegen eher symbolisch, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse jedoch "intelligent".

Das sehen inzwischen auch viele in der Ampel-Koalition anders. So bekräftigte Verteidigungsminister Boris Pistorius am Mittwoch seine Forderung nach einer Reform der Schuldenbremse. Der SPD-Politiker sprach beim Wirtschaftstag des CDU-Wirtschaftsrats mit Blick auf die anstehenden Haushaltsverhandlungen in der Regierung davon, die Fronten seien "verhärtet".

Mit Blick auf die Schuldenbremse sagte Pistorius, nach der Corona-Pandemie mit enormen neuen Schulden und nun der Unterstützung der Ukraine und der "Kriegstüchtigkeit" der Bundeswehr könne man nicht ernsthaft so tun, als ließe sich das regeln mit einem Instrument, das unter völlig anderen Rahmenbedingungen vor mehr als 15 Jahren geschaffen worden sei. "Das wäre ungefähr so, als wenn ich versuchen wollte, mit einer Dampflokomotive zum Mond zu fliegen. Sorry, das geht nicht."

Ministerien meldeten bereits Mehrbedarf an

Der Verteidigungsminister stellte die rhetorische Frage in den Raum, was ein Land mit weniger Schulden nütze, wenn es sich nicht mehr verteidigen könne. Er hatte bereits gefordert, Ausgaben für Verteidigung und auch für Teile der Krisenvorsorge von der Schuldenbremse auszunehmen. Das lehnt Finanzminister Lindner allerdings ab.

Bislang ist auch nicht die Rede davon, dass das Geld aus dem möglichen Nachtragshaushalt dem Verteidigungshaushalt zugutekommt. Vor allem die Förderung des Öko-Stroms steht hier im Mittelpunkt. Der kommt den Bund in diesem Jahr voraussichtlich nämlich deutlich teurer zu stehen als im Haushalt geplant. Da die Strompreise an der Börse niedriger sind als gedacht, muss der Bund weitaus mehr Geld für die gesetzlich garantierten Einspeisevergütungen für Strom aus erneuerbaren Energien wie Sonne und Wind aufwenden. In der Koalition war zuletzt von einem Mehrbedarf von neun Milliarden Euro die Rede.

"Bild" berichtete, mehrere Ministerien, darunter das Verteidigungsministerium, hätten dennoch bereits Mehrbedarf bei Lindner (FDP) angemeldet. Der Nachtragshaushalt solle spätestens im Herbst stehen.

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