"System, das abschrecken soll" Innenministerium will wieder nach Griechenland abschieben

Wegen der prekären Verhältnisse dort schiebt Deutschland seit 2011 nicht nach Griechenland ab. Das Innenministerium will das ändern – doch es gibt Widerstand.
Deutschland will Flüchtlinge wieder nach Griechenland zurückbringen. Das kündigte das Bundesinnenministerium in einem Schreiben an die Bundesländer an, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet. In dem Bund-Länder-Schreiben heißt es demnach: "In Erwartung künftig steigender Zahlen an Ausreisepflichtigen nach Griechenland“ werde das Innenministerium bei den griechischen Partnern "auf die Gewährleistung eines belastbaren Rückführungsmechanismus hinwirken."
Rückführungen aus Deutschland nach Griechenland sind seit 2011 ausgesetzt. Zwar können Flüchtlinge in einem aufwändigen Verfahren in das Land zurückgebracht werden, in dem sie in der EU registriert worden sind. Mehrere Verwaltungsgerichte in Deutschland hatten Abschiebungen nach Griechenland aber unter Verweis auf unhaltbare Zustände in griechischen Flüchtlingslager gestoppt.
So sprach der renommierte Grünen-Europaabgeordnete und Migrationsexperte Erik Marquardt mit Blick auf die griechischen Lager einmal von einem "System, das abschrecken soll, das eigentlich nicht in der Lage dazu ist, Menschenwürde zurückzugeben, sondern das unwürdige Bedingungen nutzt, um dafür zu sorgen, dass weniger Menschen kommen".
Das Innenministerium setzt jetzt aber auf Rückführungen durch das Bundesamt für Migration (BAMF). Vorrangig soll es um "alleinstehende, junge, männliche" Flüchtlinge gehen.
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
Das Ministerium stützt sich dabei auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig. Das hatte im vergangenen Monat in einem Urteil festgestellt: Es sei "mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass nach Griechenland zurückkehrende arbeitsfähige, gesunde und alleinstehende junge männliche Schutzberechtigte dort in eine extreme materielle Notlage geraten werden, die es ihnen nicht erlaubt, ihre elementarsten Grundbedürfnisse hinsichtlich Unterkunft, Ernährung und Hygiene zu befriedigen". Im Klartext: Die Lage in den griechischen Lagern ist zwar prekär. Aber junge Männer können das überstehen.
Das Innenministerium nimmt deshalb ausdrücklich "vulnerable Gruppen" wie etwa Schwangere von der neuen Regelung aus. Dennoch kommt Kritik. Und zwar aus Griechenland. So sagte der griechische Migrationsminister Makis Voridis: "Solange es keine gerechte Lastenverteilung innerhalb der Europäischen Union gibt, wird Griechenland keine Rückführungen akzeptieren.“
Im Vorjahr 22 Abschiebungen nach Griechenland
Generell gilt in der EU die sogenannte Dublin-Verordnung. Demnach ist ein Asylantrag in dem Land einzureichen, in dem ein Flüchtling in die EU einreist. Dennoch ziehen viele Geflüchtete weiter. Von Sekundärmigration sprechen Fachleute.
Die Europäische Asylagentur (EUAA) nennt Zahlen. Demnach stellte Deutschland im Vorjahr in 75.000 Fällen eine Bitte an EU-Mitglieder, Flüchtlinge zurückzunehmen. Die größte Gruppe reiste über Griechenland ein: 15.000 Menschen. Vollzogene Abschiebungen gab es 22.
Das Innenministerium will das nun ändern. Geklagt hatten im konkreten Fall ein 34-jähriger Flüchtling aus dem Gazastreifen und ein 32-jähriger Geflüchteter aus Somalia. Beiden droht nun die Ausweisung nach Griechenland.
Dort spricht die Zeitung "Ekathimerini" von einem "wegweisenden Urteil". Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte schon in der Vorwoche bei einem Treffen mit dem griechischen Regierungschef Kyriakos Mitsotakis in Berlin erklärt: "Die Sekundärmigration von Griechenland aus nach Deutschland muss sinken." Und: "Die Rückübernahmen müssen steigen." Darüber würden auch noch die Innenminister der Länder reden.
Der amtierende Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte an seinem ersten Tag im neuen Amt eine Anordnung unterzeichnet, die Zurückweisungen von Flüchtlingen an den deutschen Außengrenzen vorsieht. Er war dafür heftig kritisiert worden, unter anderem von der Gewerkschaft der Polizei (GdP).
In Fall der Abschiebungen nach Griechenland geht die Initiative aber auf seine Vorgängerin Nancy Faeser (SPD) zurück. Sie hatte das Schreiben an die Länder mit der Ankündigung der Zurückweisung unmittelbar nach dem Leipziger Urteil veranlasst.
- sueddeutsche.de: Innenministerium will Geflüchtete nach Griechenland zurückbringen
- bverwg.de: Keine unmenschliche oder erniedrigende Aufnahmesituation für nichtvulnerable anerkannte Flüchtlinge in Griechenland
- bundeskanzler.de: Pressekonferenz von Kanzler Merz und dem griechischen Ministerpräsidenten
- ekathimerini.com: German ruling opens door to Greece deportations