SPD-Politiker äußern Bedenken Grenzkontrollen: Bürgermeister schreiben Brandbrief an Merz

Die Zunahme von Einreisekontrollen nervt Bürgermeister in einer Grenzregion. Sie kritisieren Bundeskanzler Friedrich Merz.
Die verschärften Grenzkontrollen führen zwischen Frankreich und Deutschland zu Problemen im täglichen Grenzverkehr. Die Bürgermeister von Kehl und Straßburg haben jetzt einen Brandbrief an Bundeskanzler Friedrich Merz geschrieben. Sie sprechen von "ganz erheblichen Beeinträchtigungen für unseren gemeinsamen Lebensraum".
Der Kehler Oberbürgermeister Wolfram Britz und seine Straßburger Amtskollegin Jeanne Barseghian bitten Merz, die "Verschärfung der Kontrollen am Grenzübergang Kehl wieder auf ein Maß zurückzunehmen, das einen über mehr als drei Jahrzehnte hinweg zusammengewachsenen deutsch-französischen Raum in seinem Alltagsleben nicht beeinträchtigt".
Tramlinie hat erhebliche Verspätungen
Die Kontrollen hätten zu einem Umsatzrückgang im Kehler Einzelhandel geführt, weil weniger französische Kunden kommen. Unternehmen hätten Probleme, Fachkräfte aus dem jeweils anderen Land zu bekommen. Außerdem seien Familien betroffen, die auf beiden Seiten der Grenze Verwandte haben. Auch der Personennahverkehr ist betroffen.
Durch die Kontrollen komme es auf der Tramlinie D, die vom Kehler Rathaus nicht nur über den Rhein, sondern durch die komplette Straßburger Innenstadt führe, zu erheblichen Verspätungen, die den Fahrplan auf französischem Staatsgebiet stören. Im vergangenen Jahr seien allein mit der Tram 3,8 Millionen Fahrten gezählt worden, viele von Schulkindern.
Regierung habe "wenig Fingerspitzengefühl" gezeigt
Die Bürgermeister warfen Merz und Bundesinnenminister Alexander Dobrindt auch "fehlendes Fingerspitzengefühl vor", weil die Bundesregierung die verschärften Kontrollen ausgerechnet am 8. Mai begann, also an dem Tag, an dem die beiden Städte mit einer gemeinsamen Veranstaltung den 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs begangen haben.
Ob die mit den Grenzkontrollen verbundenen Zurückweisungen überhaupt rechts sind, bezweifeln mehrere SPD-Bundestagsabgeordnete. "Weisungen an die Bundespolizei auf eventuell wackeliger Rechtsgrundlage werden der Situation nicht gerecht, insbesondere wenn damit vor allem politische Signale bezweckt werden", sagte Sebastian Roloff, Bundestagsabgeordneter aus Bayern und Mitglied im SPD-Parteivorstand. "Der Innenminister ist gehalten, rechtlich sauber und nachvollziehbar vorzugehen."
CSU-Innenminister Alexander Dobrindt hat der Bundespolizei per Erlass ausdrücklich erlaubt, Menschen auch dann zurückzuschicken, wenn sie ein Schutzgesuch äußern. Die Rechtsgrundlage für das Vorgehen an der deutschen Grenze ist umstritten. Grüne und Linkspartei forderten Aufklärung. Dobrindt kündigte an, der EU-Kommission eine rechtliche Begründung für die verschärften Grenzkontrollen zu liefern.
Jan Dieren, Vorsitzender der SPD-Parteilinken "DL21", kritisiert den Eindruck, "dass die Weisung aus dem Innenministerium erteilt wurde, ohne vorher eine belastbare Rechtsgrundlage zu finden". Das wäre bedenklich, sagte der Abgeordnete aus Nordrhein-Westfalen dem "Stern", "weil man dann befürchten müsste, dass mehr Wert auf die imposante Schlagzeile gelegt wurde, als zu schauen, was vernünftig wäre".
Im Ziel, die irreguläre Migration zurückzudrängen, sei man sich einig, sagte SPD-Innenpolitiker Lars Castellucci dem "Stern". "Entscheidend ist, dass die zurückgewiesenen Asylsuchenden Zugang zu einem Verfahren haben." Auch deshalb bestehe die SPD-Bundestagsfraktion auf der Abstimmung mit den Nachbarländern, sagte der Abgeordnete aus Baden-Württemberg.
- kehl.de: "Brief an Kanzler Merz"
- Vorabmeldung des "Stern"