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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Verhandlungsexperte "Trump hat zwei Schwachstellen"

Friedrich Merz trifft erstmals als Kanzler persönlich auf Donald Trump. Der Verhandlungsexperte Lars Teichmann erklärt, wie er sich dem US-Präsidenten gegenüber verhalten sollte.
Wenn Donald Trump andere Staats- und Regierungschefs in Washington empfängt, ist bei den Gästen Vorsicht geboten. Denn nicht jeder wird gleich freundlich empfangen: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wurde gleichzeitig von Trump und dessen Vize JD Vance scharf attackiert. Beim Besuch des südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa überraschte Trump seinen Gast mit einem Video und verbreitete Lügen über einen angeblichen "Genozid" an weißen Südafrikanern.
Der Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) dürfte also vorgewarnt sein, dass sein Besuch anders verlaufen könnte, als man es von solchen Treffen gewohnt ist. Doch wie genau sollte sich Merz verhalten, um einem Eklat im Weißen Haus möglichst zu entgehen? t-online hat bei dem Verhandlungsexperten Lars Teichmann nachgefragt.
t-online: Donald Trump hat bei Staatsbesuchen in Washington in den vergangenen Monaten zwei Gesichter gezeigt: Mal endeten diese Begegnungen in Eklats, mal verliefen sie relativ geräuschlos. Kann Friedrich Merz den Ausgang des Treffens überhaupt beeinflussen?
Lars Teichmann: Auf jeden Fall. Dafür ist aber eine sehr gute Vorbereitung erforderlich. Er sollte sich auf verschiedene Szenarien einstellen, wie das Treffen laufen könnte.
Wie muss so eine Vorbereitung aussehen? Von Angela Merkel weiß man, dass sie sehr viele Texte über Trump las, bevor sie ihn das erste Mal traf – unter anderem auch ein Interview, das er 1990 dem "Playboy" gab.
Natürlich sollte sich Merz auch mit der Historie, dem Werdegang und den speziellen Kommunikations- und Verhandlungsstrategien von Trump befassen, um gut vorbereitet zu sein. Denn ein Staatsbesuch in Washington ist nicht nur ein protokollarischer Termin. Es hat große strategische Bedeutung, wenn der Bundeskanzler als Vertreter des größten EU-Landes den US-Präsidenten trifft. Merz sollte dabei klare Ziele formulieren und unterscheiden zwischen den für Deutschland übergeordneten Zielen und den untergeordneten, nachrangigen. Er sollte vorher genau überlegen, wann er zum Beispiel ganz bestimmte Informationen platziert, um diese Ziele zu befördern. Und er muss vorbereitet sein, was er öffentlich macht und was er mit Trump hinter verschlossenen Türen bespricht.
Zur Person
Lars Teichmann ist Senior Consultant & Trainer bei der Negotiation Advisory Group. Mit einem verhandelten Volumen von mehr als 25 Milliarden Euro zählt das Unternehmen nach eigenen Angaben zu den größten seiner Art in Europa.
Wie könnten solche Ziele lauten?
Eine Botschaft des Kanzlers könnte lauten: Die USA profitieren von einem starken Europa, das inzwischen erheblich mehr für seine Sicherheit tut und damit die USA entlastet. Merz könnte Trump etwa aufzeigen, dass die Ausgaben der USA für die Sicherheit Europas keine unnützen Ausgaben sind, sondern die internationale Stellung der USA gegenüber Russland und China stärken. Solche Ziele müssen intern konkret formuliert sein. Aber zuerst einmal kommt es darauf an, dass Trump Merz durch das Treffen respektiert und als Politiker ernst nimmt.
Das gelang in der Vergangenheit nicht jedem: Die Präsidenten von Südafrika und der Ukraine wurden vor laufenden Kameras von Trump scharf attackiert. Wie sollte Merz in so einem Fall reagieren?
Er darf auf keinen Fall emotional werden. Es gilt: Wer emotional die Kontrolle behält, bestimmt in der Regel auch den Verlauf des Gesprächs. Trump nutzt Eskalationen als Machtinstrument. Damit zeigt er Dominanz und will andere aus dem Konzept bringen. Merz sollte dann nicht die Konfrontation suchen, sondern versuchen, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken.
Wie funktioniert das?
Merz sollte provokanten Aussagen von Trump nicht einfach widersprechen. Wenn der Präsident etwa behauptet, Deutschland gebe zu wenig Geld für Verteidigung aus und profitiere einseitig von den USA, sollte Merz diese Aussage umdeuten und betonen, dass Deutschland genau deswegen jetzt massiv in die Verteidigung Europas investiert und auch global mehr Verantwortung übernehmen will – an der Seite der USA.
Das könnte schwierig werden. Merz hat den Ruf, seine Emotionen nicht immer unter Kontrolle zu haben und dann zu unüberlegten Aussagen zu neigen.
In solch angespannten Momenten hilft es, auf vorherige positive Ereignisse zurückzugreifen. Merz und Trump sollen ja schon gute Gespräche am Telefon geführt haben. Wenn man sich auf solche Erfahrungen öffentlich besinnt, kann das Verbindlichkeit schaffen und die Härte aus einem Gespräch herausnehmen. Es hilft auch, den Blickkontakt zu halten, langsamer zu sprechen und Pausen zu setzen. So behält Merz die Kontrolle über sich.
Trump sieht sich gerne als Dealmaker: Wer etwas von ihm möchte, muss ihm im Gegenzug auch etwas anbieten. Was tut man aber, wenn Trump völlig überzogene Forderungen stellt?
Mit sehr hohen Forderungen zu beginnen, ist eigentlich eine sehr simple Verhandlungstaktik. Aber viele Studien belegen, dass sie auch sehr effektiv ist. In der Regel passt sich nämlich die Gegenseite an ein extremes Angebot an. Trump ist vermutlich bewusst, dass seine Forderungen häufig nicht zu erreichen sind. Da besteht schon ein gewaltiger Unterschied in dem, was er beispielsweise in den Verhandlungen über das Rohstoffabkommen mit der Ukraine anfangs von Selenskyj forderte und was er schließlich erreichte. Deshalb ist es wichtig, nicht einfach nachzugeben oder zu blockieren, sondern ihm verschiedene Lösungen anzubieten. Merz müsste Trump dann klarmachen, dass sein Vorschlag sowohl Deutschland als auch den USA Vorteile bringt.
Auch hier würde es also nicht helfen, solchen Forderungen mit Härte zu begegnen?
Härte ist notwendig, reicht allein aber nicht. Natürlich müssen sich schlussendlich beide Seiten aufeinander zubewegen. Die Vorstellungen von Merz und Trump könnten zu Beginn weit auseinander liegen. Der Kanzler sollte aber standhaft bleiben. Er muss deutlich die Nachteile für die USA aufzeigen, wenn man sich nicht einigen kann. So was erzeugt Druck. Wenn das zu nichts führt, muss Merz sich Alternativszenarien überlegen.
Ist Trump aus Ihrer Sicht ein guter Verhandler oder tut er nur gerne so?
Er gibt sich extrem hart und formuliert provokativ klare Ziele. Grundsätzlich ist das für Verhandlungen sehr gut, weil man sich darauf einstellen kann. Aber Trump hat zwei Schwachstellen: Erstens, indem er unrealistische Ziele formuliert und seine Verhandlungsmacht überschätzt, wie er selbst wissen dürfte. Und zweitens ändern sich seine Ziele trotz seiner deutlichen Sprache sehr schnell. Darunter leidet seine Glaubwürdigkeit. Er ist deshalb kein vertrauenswürdiger Gesprächspartner. Das musste er beispielsweise in den Verhandlungen mit China erleben.
Trump behandelte nicht alle Staats- und Regierungschefs wie Selenskyj: Der britische Premierminister Keir Starmer oder der französische Präsident Macron konnten einen guten Eindruck hinterlassen. Lässt sich aus diesen Besuchen etwas lernen?
Für die Vorbereitung ist es in der Tat essenziell, sich solche Besuche anzuschauen, um davon zu lernen. Macron hat Trump im Gespräch korrigiert, ihn aber gleichzeitig respektvoll behandelt. Er hat auch an einer Stelle seine Hand auf Trumps Arm gelegt. Solche Gesten demonstrieren Entschlossenheit auf einer kooperativen Ebene.
Von Trump heißt es, er nimmt Menschen dann ernst, wenn sie Stärke ausstrahlen. Merz sprach davon, dass er in Washington kein "Bittsteller" sein will. Eine unterwürfige Haltung würde Trump wohl als Schwäche auslegen.
Absolut. Merz sollte es Trump ermöglichen, sich selbst als Macher und Dealmaker zu inszenieren. Gleichzeitig sollte er sich nicht unterwerfen. Das gelingt ihm am besten, wenn er Trump im Gespräch konkrete Lösungen für Probleme anbietet. Dazu gehört auch, heikle Themen und Differenzen im vertraulichen informellen Rahmen anzusprechen, etwa bei dem geplanten Mittagessen. In der Pressekonferenz hingegen sollte sich Merz auf "gemeinsame Herausforderungen" und "vertrauensvolle Gespräche" fokussieren.
Helfen auch Aufmerksamkeiten oder Geschenke? Starmer hatte Trump einen Brief des britischen Königs übergeben.
Solche Dinge wirken immer positiv. Aber es muss gar kein Geschenk sein: Auch Gemeinsamkeiten helfen. Merz soll ja mit Trump auch über seine deutsche Herkunft gesprochen haben. Solche Dinge verbinden, ganz losgelöst von der politischen Ebene. Vielleicht würde es helfen, wenn er ihn zu einer Golfpartie nach Deutschland an den Tegernsee einlädt.
- Interview mit Lars Teichmann