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Steuererleichterungen: Merz vor Bund-Länder-Gipfel unter Druck


Streit über den Wirtschaftsbooster
46 Milliarden, die keiner zahlen will


Aktualisiert am 18.06.2025Lesedauer: 5 Min.
Kanzler Merz beim Städte- und GemeindebundVergrößern des Bildes
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) spricht beim Kommunalkongress des Deutschen Städte- und Gemeindebund. (Quelle: Michael Kappeler/dpa/dpa-bilder)
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Weil Deutschlands Wirtschaft in der Krise steckt, will die Regierung zeitnah Unternehmen entlasten. Doch das geplante Steuerpaket bedeutet für die Länder und Kommunen hohe Einnahmeausfälle. Die Rufe nach einem Ausgleich werden lauter.

Deutschlands Wirtschaft kommt weiter nicht in Schwung. 2025 wird es laut Prognose erneut kein Wachstum geben – zum dritten Mal in Folge. Im nächsten Jahr könnte die Wirtschaft um 1,1 Prozent wachsen, wie das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) berechnet hat – immerhin ein kleiner Lichtblick.

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Angesichts der düsteren Wirtschaftslage will die schwarz-rote Koalition nachhelfen und hat ein milliardenschweres Steuerpaket auf den Weg gebracht. Kern des Gesetzes ist ein "Investitionsbooster", der es Unternehmen erlaubt, neue Ausrüstungsinvestitionen in den nächsten drei Jahren mit jeweils bis zu 30 Prozent jährlich abzuschreiben ("Superabschreibungen"). Ab 2028, wenn die Maßnahme ausläuft, soll die Körperschaftsteuer jährlich um ein Prozent sinken, bis sie im Jahr 2032 zehn Prozent erreicht (hier erfahren Sie mehr über das Gesetz).

Das von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) geschnürte "Entlastungspaket" soll, so die Hoffnung von Union und SPD, die Investitionen hierzulande ankurbeln und endlich die Wachstumswende bringen. Das Problem: Die Entlastungen kosten den Gesamtstaat Milliarden. Denn die Einnahmeausfälle, die Bund, Länder und Kommunen unter anderem durch die erhöhten Abschreibungen haben, beziffern sich bis 2029 auf rund 46 Milliarden Euro. Vor allem Länder und Kommunen fürchten hohe Steuereinbußen.

Widerstand in den Ländern

Dagegen regt sich Widerstand, und zwar auch in unionsgeführten Bundesländern. Insbesondere in Berlin stößt der "Investitionsbooster" auf wenig Begeisterung. So teilt Finanzsenator Stefan Evers (CDU) t-online auf Anfrage mit: "Wie viele andere deutsche Länder und Großstädte befindet sich auch das Land Berlin in einer extrem angespannten Haushaltslage."

Evers rechnet vor, wie sich das Steuerpaket der Bundesregierung auf Berlins Einnahmen auswirken werde: Seine Stadt werde 2026 ungefähr 180 Millionen Euro weniger einnehmen. 2027, wenn die Superabschreibungen richtig greifen, könnten sich die Einbußen sogar auf 415 Millionen Euro belaufen, und 2028, wenn weitere Steuererleichterungen in Kraft treten, könnten es 660 Millionen Euro sein.

Top-Thema beim Bund-Länder-Gipfel

Zur Veranschaulichung: Berlins Steuereinnahmen lagen 2024 bei 29 Milliarden Euro; ein Verlust von mehreren Hundert Millionen Euro pro Jahr wären durchaus schmerzhafte Einbußen. Das zeigte sich etwa im vergangenen Jahr, als der Berliner Senat seinen Kulturetat zusammensparte und zahlreiche Künstler protestierten, weil sie um ihre Existenz fürchteten.

Evers Fazit zu den neuen Steuerplänen lautet daher: "Insbesondere solchen Maßnahmen, die unsere Einnahmen weiter verringern, wird das Land Berlin nicht ohne Weiteres zustimmen können." Eine sanfte Drohung Richtung Bund, bei den Gesprächen auf die Länder zuzugehen.

Auf der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) am Mittwoch wird das Entlastungspaket daher eines der Topthemen sein. Am Morgen treffen sich die 16 Bundesländer zu einer Vorbesprechung, am Nachmittag sind sie zum Gespräch mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) im Kanzleramt verabredet.

Hendrik Wüst fordert "vollständige Kompensation"

Berlin ist nicht das einzige Land, das hohe Einbußen verkraften müsste. Laut Sachsens Finanzminister Christian Piwarz (CDU) werden sich die Steuerausfälle im Freistaat im Jahr 2026 auf rund 60 Millionen Euro belaufen. Bis 2029 fehle sogar eine Summe von 330 Millionen Euro, rechnet Piwarz vor. Auch die sächsischen Kommunen würden in den Jahren 2026 bis 2029 mit Ausfällen von ungefähr 50 bis 150 Millionen Euro pro Jahr rechnen müssen. Vergleichbare Zahlen teilten auf t-online-Anfrage auch weitere von der Union geführte Länder mit.

Zwar sieht der Koalitionsvertrag von Union und SPD vor, dass der Bund die Mehrkosten übernimmt, die Ländern und Kommunen durch Bundesgesetze entstehen – das sogenannte "Konnexitätsprinzip". Doch die genaue Berechnung, wie hoch die Steuerausfälle in den einzelnen Ländern ausfallen und wie ein fairer Ausgleich zwischen den Bundesländern gestaltet werden kann, ist kompliziert. Die Länder befürchten jedoch, auf einem Teil der Mindereinnahmen sitzen zu bleiben – und erhöhen daher den Druck auf den Bund.

Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte am Dienstag in Düsseldorf: "Natürlich gehen wir mit dem Anspruch einer vollständigen Kompensation auf den Bund zu." Gerade für sein Bundesland brauche er bald eine klare Regel, denn in Nordrhein-Westfalen sind am 14. September Kommunalwahlen.

Bayerns Finanzminister appelliert an Länderkollegen

Der bayerische Finanzminister Albert Füracker (CSU) beklagt zwar ebenfalls Einnahmeausfälle, ruft aber zugleich seine Länderkollegen zu konstruktiven Verhandlungen mit dem Bund auf. Für eine wirtschaftliche Trendwende seien "Anstrengungen auf allen Ebenen" erforderlich: "Hier müssen alle mitwirken: sowohl Bund, Länder, aber auch die Kommunen", so Füracker zu t-online. Bayern rechne im nächsten Jahr durch die geplanten steuerlichen Entlastungen im Bereich Gastronomie, Pendlerpauschale und Abschreibungsmöglichkeiten mit Mindereinnahmen "im mittleren dreistelligen Millionenbereich".

Die Einnahmeausfälle dürfe man jedoch nicht isoliert betrachten, so Füracker, denn diese dienten unmittelbar der Erholung der Wirtschaft. "Wenn die Wirtschaft wieder anzieht, fließen auch wieder mehr Steuereinnahmen – hiervon profitieren dann in den nächsten Jahren wiederum auch alle Ebenen." Der CSU-Politiker nannte das Entlastungspaket des Bundes einen "wichtigen Grundpfeiler" für die wirtschaftliche Trendwende im Land – und mahnte, keine Zeit zu verlieren: "Deutschland ist insbesondere für die Wirtschaft zu einem Höchststeuerland geworden, hier müssen wir dringend gegensteuern!"

Kompensation über die Umsatzsteuer?

Einige unionsgeführte Bundesländer haben auch bereits eine Idee, wie der Bund die Steuerausfälle ausgleichen könnte: über die Umsatzsteuer. Sachsens Finanzminister Piwarz sagt t-online: "Wir präferieren eindeutig eine Kompensation über die Umsatzsteuer." Auch Berlins Regierender Bürgermeister, Kai Wegner, zeigte sich im t-online-Interview offen für eine derartige Lösung.

Ob es dazu kommt, wird auf dem Bund-Länder-Gipfel am Mittwoch beraten. Aus den SPD-regierten Ländern wollte man sich vor dem Treffen nicht zu konkreten Instrumenten äußern. Aus SPD-Länderkreisen heißt es, die Kompensation über die Umsatzsteuer sei von Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) vor zwei Wochen als Vorschlag in den Bund-Länder-Gipfel eingebracht worden und eine von mehreren Möglichkeiten. Über die Position der unionsgeführten Bundesländer gebe es bei der SPD "im Grunde keinen Dissens".

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Man sei sich einig, dass der Bund für die Steuerausfälle durch das Entlastungspaket aufkommen müsse. Die Details seien jedoch knifflig. Sie werden derzeit von einer Arbeitsgruppe geklärt, die im Rahmen der letzten MPK einberufen wurde. Mitglieder der Gruppe seien die Vorsitz-Länder Sachsen und Niedersachsen, der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Björn Böhning (SPD), sowie die Finanzminister von Rheinland-Pfalz, NRW, Bayern und Baden-Württemberg.

Einigung am Mittwoch?

Dass es zu einer Einigung beim Kanzlertreffen am Mittwochnachmittag kommt, ist jedoch unwahrscheinlich. Auch Finanzminister Klingbeil zeigte sich am Montagabend skeptisch: "Wir werden das in dieser Woche noch nicht abschließend klären", so Klingbeil bei einer Veranstaltung in Düsseldorf.

Sollte am Mittwoch keine Lösung gefunden werden, könnte es knapp werden. Der Zeitplan sieht vor, dass am 11. Juli der Bundesrat zustimmen soll. Ohne Einigung drohen viele Bundesländer mit einem Veto. Dann würde der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat eingeschaltet – und das Gesetz käme vor der Sommerpause wohl nicht mehr zustande.

Verwendete Quellen
  • Anfragen an die Finanzminister von Schleswig-Holstein, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern
  • koalitionsvertrag2025.de: "Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD", Seite 114

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