Wer ist der Leitwolf der SPD?

G20-Krawalle in Hamburg, in Scholz-City - fΓΌr die SPD ein Schlag ins Kontor. Die Union treibt die Genossen nun bei der Inneren Sicherheit. Ein Sozialdemokrat wehrt sich mit allem, was er hat.
Ende Januar bekommt Sigmar Gabriel eine klare Ansage. "Er wird im Wahlkampf eine dienende Rolle spielen", sagt Fraktionschef Thomas Oppermann kΓΌhn zum Machtwechsel in der SPD. Gabriel soll als populΓ€rer Chefdiplomat alles unterlassen, was dem neuen Spitzenmann Martin Schulz die Show stiehlt.
Nun gehen die Meinungen in der Partei auseinander, wie der vor Selbstbewusstsein strotzende Umfragen-Liebling Gabriel diese Aufgabe auslebt - und wer denn der Leitwolf in einer SPD ist, die zehn Wochen vor der Wahl bei der Inneren Sicherheit schwer unter Druck geraten ist.
Gabriel fΓΌhrt die heiΓen Debatten an
Im Ringen mit der Union um die politische Deutungshoheit der G20-Krawalle in Hamburg platzt Gabriel dieser Tage der Kragen. Er schraubt eine Wutrede gegen Merkel zusammen, in der er G20-Treffen politisch als "totalen Fehlschlag" einordnet. Aber ist es taktisch klug, wenn der AuΓenminister die fΓΌr die SPD innenpolitisch brandheiΓe G20-Debatte anfΓΌhrt? Warum ΓΌbernimmt das nicht der Kanzlerkandidat?
Aus der ParteifΓΌhrung heiΓt es, Schulz habe Gabriel gebeten, sich die Kanzlerin vorzuknΓΆpfen, um Hamburgs BΓΌrgermeister und SPD-Bundesvize Scholz aus der Schusslinie zu nehmen. Damit verbunden ist die Erkenntnis: Gabriel ist unverΓ€ndert derjenige, der im Wahlkampf die meisten PS auf die StraΓe bringt. Oder stΓΌrmt Gabriel auf eigene Faust los, weil er nicht mit ansehen kann, wie das von der Union verspritzte Gift Wirkung zeigt?
Eine Forsa-Umfrage sagt der SPD nur noch 22 Prozent bei der Wahl am 24. September voraus. Das wΓ€re ein Desaster fΓΌr Schulz.
Merkel lΓ€sst AuΓenminister Gabriel abtropfen
Wie Merkel dann aber Gabriel abtropfen lΓ€sst, ist ein LehrstΓΌck. Zu ihrer Freude sei der Chefdiplomat in Hamburg ja ΓΌberall dabei gewesen, auch bei den GesprΓ€chen mit US-PrΓ€sident Donald Trump, "und ich glaube, das hat mit zum Erfolg dieses Gipfels beigetragen". In Hamburg als AuΓenminister mit am G20-Verhandlungstisch zu sitzen, um sich ein paar Tage spΓ€ter komplett von den Ergebnissen zu distanzieren - das wirkt wenig glaubwΓΌrdig.
Genau aus diesem Grund lehnt es Schulz Anfang des Jahres ab, selbst AuΓenminister in der Regierung Merkel zu werden. Er kΓΆnne nicht sagen, "vormittags rette ich die Welt gemeinsam mit Frau Merkel, und nachmittags sage ich, das ist aber alles falsch. Das fΓ€nden die Leute nicht richtig", sagt Schulz am Rande des Dortmunder Parteitags Ende Juni. Aber was soll Gabriel machen? Soll er zusehen, wie die SPD im G20-Sog weiter nach unten gezogen wird?
Was macht das mit den beiden? Die Alphatiere verweisen stets auf ihre gute Freundschaft. Die hat ihren Ursprung im Jahr 2003. Eben noch regierte Gabriel in Hannover als jΓΌngster MinisterprΓ€sident der Republik, da vergeigte er die Wahl und verzweifelte. In Berlin konnte Kanzler Gerhard SchrΓΆder das Harzer Elend nicht lΓ€nger ertragen. Er machte dem jungen Gabriel ein verlockendes Angebot: Spitzenkandidat bei der Europawahl. Die Chance zum Comeback.
Beginnt das Schachern um Ministerposten?
Aber da war noch ein anderer: Martin Schulz. Gabriel hΓ€tte ihn wegbeiΓen mΓΌssen. Er tat es nicht. Der Goslarer erzΓ€hlte dem Mann aus WΓΌrselen von SchrΓΆders Plan. Und Schulz blieb die Nummer eins der SPD im EU-Parlament. Gabriel musste sich eine ganze Weile als SPD-Musikbeauftragter verspotten lassen. Aus dieser Episode wuchs Vertrauen.
Wie ausgeprΓ€gt das in rauen Wahlkampfzeiten ist, das wissen nur Gabriel und Schulz. Gabriel will in einer mΓΆglichen neuen groΓen Koalition AuΓenminister bleiben. DafΓΌr hat er nach eigener Schilderung eine Zusage von Schulz in der Tasche. Aber der Parteichef selbst kΓΆnnte nach dem Amt greifen.
Zuletzt tritt Gabriel mit fast aufreizender LΓ€ssigkeit neben Schulz auf. Als dieser bei einer SPD-Pressekonferenz zur Ehe fΓΌr alle verkΓΌndet, ihm sei es zuwider, Ministerien fΓΌr Wahlkampfzwecke zu nutzen, feixt Gabriel hinter Schulz' RΓΌcken mit Journalisten, die wie er wissen, dass es sich oft genauso verhΓ€lt.
Die Wahlkampfmaschine Gabriel muss am Donnerstag allerdings eine kurze Zwangspause einlegen - wegen eines fiebrigen Infekts sagt er ein Treffen mit dem russischen AuΓenminister Sergej Lawrow in Berlin ab. DafΓΌr ist Schulz aufgewacht. WΓ€hrend seiner Sommerreise in Hamburg wird kurzfristig ein Spaziergang des Kanzlerkandidaten durch das Hamburger Schanzenviertel angesetzt - um mit Anwohnern, Ladenbesitzern und Polizisten ΓΌber die KrawallnΓ€chte zu reden.