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Umbau der SPD-Fraktion: Zweiter Härtetest für Andrea Nahles


Umbau der SPD-Fraktion
Andrea Nahles baut ihr Führungsteam auf

t-online, Horand Knaup

27.11.2017Lesedauer: 4 Min.
Fraktionschefin Andrea Nahles: Krempelt die Parlamentsgruppe der SPD komplett um.Vergrößern des BildesFraktionschefin Andrea Nahles: Krempelt die Parlamentsgruppe der SPD komplett um. (Quelle: Michael Kappeler/dpa-bilder)
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In aller Stille sucht Andrea Nahles in der SPD-Bundestagsfraktion nach der richtigen Balance für ihr Führungsteam. Nun hat sie sich auch in der Frage der Stellvertreter entschieden.

Von Horand Knaup

Eine Bundestagsfraktion zu führen, ist eine heikle Angelegenheit. Zumal in der SPD, in der die Abgeordneten mit einem gesunden Selbstbewusstsein auftreten, und potentieller Widerspruch und ein kritischer Blick auf Führungsverhalten zur genetischen Grundausstattung gehören.

Es gab die Führungskräfte, die ihren Job mit harter Hand ausübten. Herbert Wehner war so einer, Zuchtmeister nannten sie ihn. Auch Franz Müntefering führte in seiner Zeit als Fraktionschef zwischen 2002 und 2005 gerne von vorne. Andere, wie Peter Struck, versuchten es eher menschlich, allerdings ersetzte auch er das Zuhören bisweilen durch autoritäre Auftritte.

Noch hat Andrea Nahles, die frisch gewählte Anführerin der 153 SPD-Bundestagsabgeordneten, ihren Stil nicht gefunden. Aber ehrgeizig genug, die Bundestagsfraktion – egal ob in Opposition oder Regierungsverantwortung – als neues Machtzentrum im SPD-Gefüge zu etablieren, ist sie allemal. Während das Willy-Brandt-Haus nach dem Wahldesaster an einer Neuaufstellung arbeitet, während die SPD-Ministerpräsidenten und auch die 16 Landesvorsitzenden ihre Rolle noch finden müssen, arbeitet die neue Chefin der Fraktion zielstrebig am Profil der Fraktion. Gleich zu Beginn strukturierte sie Büro und Stab komplett um und holte innerhalb weniger Tage ein halbes Dutzend Vertrauter aus dem Arbeitsministerium in Büro und Planungsstab.

Noch hat sie nicht wirklich erspürt, wie ihre 152 Kolleginnen und Kollegen eigentlich funktionieren. Gut zu erkennen war das am vergangenen Montag Nachmittag, als sie unmittelbar vor der Fraktionssitzung klar Position bezog. „Wir wollen und werden nicht in eine Große Koalition eintreten.“

Vielen ihrer Abgeordneten war das zu schnell, zu rigide, zu verengend. In der Sitzung machten sie deutlich, was sie vom unmissverständlichen Nein zur Großen Koalition und möglichen Neuwahlen hielten: Ziemlich wenig.

Doch Nahles, es gehört zu ihren Stärken, ist lernfähig. Und so wandelte sie die klare Absage eine turbulente Fraktionssitzung und einen Morgen später in ein unverbindliches Angebot um: „Wir sollten darüber reden, wie wir einen Prozess gestalten.“

Es war ein kleine Volte der neuen SPD-Fraktionschefin, die aber im großen Getöse der vergangenen Woche unterging. Nicht ganz rund lief es in der vergangenen Tagen auch bei der Neuaufstellung der Fraktionsspitze. Zwar weiß Nahles nur zu gut, wie Macht funktioniert, wie man sie erringt und erhält, und dass solche Prozesse nie ganz ohne Blessuren abgehen. Und Lernfähigkeit und Stehvermögen gehören ohnehin zu ihren hervorstechenden Qualitäten.

Doch nun macht sie auch die Erfahrung: Mitnichten sind nur Erfahrung, Qualität und Kompetenz maßgeblich für Berufungen in der Politik. Mindestens ebenso bedeutsam ist der Proporz. Rechts und Links, Mann und Frau, Nord und Süd, alles muss wie auf einem arabischen Basar austariert werden, und natürlich müssen auch die großen Landesverbände angemessen Berücksichtigung finden.

Auch wenn das Ergebnis am Ende weit entfernt von einer Bestenauslese ist, ist der Grund für das Geschacher doch simpel: Die bunte Zusammensetzung soll die innere Balance sichern, Flügelkämpfe verhindern und so zur innerfraktionellen Stabilität beitragen.

Holpriger Start für Geschäftsführer Schneider

Im Falle der SPD-Bundestagsfraktion geriet schon die Inthronisierung des Haushaltsexperten und Seeheimer-Anführers Carsten Schneider Mitte Oktober zum Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer zu einer ziemlich holprigen Angelegenheit. Nahles hatte sich weitgehend herausgehalten und die Sache vor allem Parteichef Martin Schulz überlassen.

Doch nun, bei der Ernennung ihrer neun Stellvertreter (die später von der Fraktion gewählt werden müssen), folgt der zweite Härtetest. Und auch diesmal ruckelt es. Eine erster Vorschlag scheiterte am vergangenen Freitag, vor allem die Seeheimer meldeten noch Diskussionsbedarf an. Ihr Sprecher, Johannes Kahrs, wollte Achim Post, den Chef der mächtigen Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, zu einer Art Super-Vize machen: Post sollte die bisher geteilten Themenkomplexe Haushalt und Finanzen sowie Europa übernehmen. Doch Nahles lehnte ab, sie wollte keinen Super-Vize.

Entscheidung über Fraktionsvize-Posten gefallen

An diesem Montag nun gab es im Geschäftsführenden Fraktionsvorstand eine vorläufige Verständigung. Nun rückt Achim Post für Axel Schäfer nach und bearbeitet das Thema Europa, der Anführer der Parlamentarischen Linken, Matthias Miersch, soll für den Bereich Agrar und Umwelt Ute Vogt ersetzen. Christine Lambrecht, die Linke aus Hessen, soll von Carsten Schneider das Thema Haushalt und Finanzen übernehmen und für die nach Niedersachsen abgewanderte Carola Reimann (Arbeit/Familie) soll die Pforzheimer Sozialpolitikerin Katja Mast nachrücken. Und damit auch der Osten und Bayern bedacht sind, wird Sonja Steffen (Stralsund) Justiziarin und Marianne Schieder (Schwandorf) Parlamentarische Geschäftsführerin.

Nicht mehr im Tableau wären damit Axel Schäfer und Ute Vogt und herausgefallen ist auch die Bayreuther Sozialpolitikerin Anette Kramme, noch Staatsekretärin im Arbeitsministerium, die ebenfalls gerne Nahles-Stellvertreterin geworden wäre. Doch sie fiel ebenso wie der Schwabe Christian Lange der Nahles-Order zum Opfer: Keiner der Noch-Staatssekretäre rückt in die Fraktionsspitze auf.

Unstrittig sind immerhin die Posten der bisherigen Vizes Sören Bartol (Verkehr/Bauen), Karl Lauterbach (Gesundheit), Rolf Mützenich (Aussen/Verteidigung), Eva Högl (Innen/Justiz) und Hubertus Heil (Wirtschaft/Bildung).

Nahles hat die Verständigung viel Arbeit gekostet. Und noch hat die Fraktion nicht ihren Segen gegeben. Am vergangenen Samstag bei den Jusos in Saarbrücken hatte sie zum Thema Koalition noch gesagt: Sie könne nicht versprechen, „dass alles genau so wird, wie wir es uns vorgestellt haben“. Könnte sein, dass das auch für die Aufstellung ihrer Fraktionsführung gilt.

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