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Unkrautvernichter: Was ist Glyphosat und warum ist es so umstritten?


Fragen und Antworten
Glyphosat ist hoch umstritten – und kaum verzichtbar

t-online, David Ruch, Marc von Lüpke und Jennifer Buchholz

Aktualisiert am 28.11.2017Lesedauer: 4 Min.
Ein Landwirt sprüht Herbizide zur Vernichtung von Unkraut auf ein Feld.Vergrößern des BildesEin Landwirt sprüht Herbizide zur Vernichtung von Unkraut auf ein Feld. (Quelle: Julian Stratenschulte/dpa-bilder)
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Das Ja Deutschlands zur verlängerten Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat schlägt hohe Wellen. Viele Bürger fragen sich: Wie gefährlich ist das Herbizid wirklich? t-online.de fasst die Debatte und die Erkenntnisse zusammen.

Der Einsatz des Unkrautvernichters Glyphosat ist seit Jahren ein Politikum. Umweltverbände warnen eindringlich vor Schäden für die Umwelt, aber auch für den Menschen. Doch die Meinungen von Experten gehen auseinander. Das neuerliche Ja von Agrarminister Christian Schmidt (CSU) zur Verlängerung der Glyphosat-Zulassung hat die Debatte nun nochmals verschärft. In der Politik, aber auch in den Sozialen Netzwerken ist die Verärgerung groß.

Schmidt habe den Landwirten ein Geschenk machen wollen und sei vor den Lobbyisten der chemischen Industrie eingeknickt, meinten User. Mögliche Gespräche zwischen Union und SPD über eine Große Koalition hätten sich damit erledigt. Andere Nutzer wiederum nahmen die Bauern in Schutz und forderten die Politik zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Landwirte auf.

Tenor vieler Kommentare bei Facebook und Co. ist eine Unsicherheit, was die möglichen Gesundheitsrisiken und Belastungen für die Umwelt betrifft. Was aber ist Glyphosat eigentlich? Und warum ist es so umstritten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist Glyphosat?

Glyphosat ist ein sogenanntes Total-Herbizid. Es wirkt auf sämtliche grüne Pflanzen und hat damit ein so breites Spektrum wie kaum ein anderer herbizider Wirkstoff. Es blockiert ein Enzym, das Pflanzen zur Herstellung lebenswichtiger Aminosäuren brauchen, das aber auch in Pilzen und Mikroorganismen vorkommt. "Glyphosat ist ein relativ breit wirkendes Herbizid, das Landwirte in die Lage versetzt, mit verhältnismäßig preisgünstigen und arbeitssparenden Methoden die Felder unkrautfrei zu machen", erklärt der Biologe Horst-Henning Steinmann von der Universität Göttingen. "Es ist unter den Herbiziden ein Mittel mit relativ wenigen Nebenwirkungen."

Wo wird Glyphosat eingesetzt?

Glyphosat dominiert den Herbizid-Weltmarkt in der Menge, der Einsatzhäufigkeit und auch der Fläche. Laut einem Bericht des Marktforschungsunternehmens Kleffmann Group kommt es weltweit auf rund 400 Millionen Hektar überwiegend landwirtschaftlich bewirtschafteter Fläche zum Einsatz.

In Deutschland wird das Herbizid im Ackerbau sowie im Wein- und Obstbau, aber auch an Bahnstrecken angewendet. "Wir benutzen Glyphosat, um Problemkräuter zu vernichten, die mit anderen Mitteln nicht zu entfernen sind", erläutert Volker Sievers, Chef einer Agrargenossenschaft aus Altenburg in Thüringen. Der ökologische Landbau ist generell glyphosatfrei.

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Welche Folgen hat der Einsatz für die Umwelt?

Das Umweltbundesamt (UBA) warnt: Weil Glyphosat nahezu alle Kräuter und Gräser auf dem Acker vernichte, sinke nicht nur die Zahl der Pflanzen stark. Zugleich würde vielen Insekten- und Vogelarten großflächig die Lebensgrundlage entzogen. Ganze Nahrungsnetze drohten zusammenzubrechen. "Mit circa 50 Prozent der Landesfläche stellen Agrarlandschaften einen Hauptteil unserer Landschaft dar, sie sind für die Artenvielfalt in Deutschland von großer Bedeutung", so die Behörde.

Der Deutsche Imkerbund kritisiert den Einsatz von Glyphosat als "für die Imkerei nicht tolerierbar". Das Mittel vernichte Grünpflanzen, die eine wichtige Nahrungsgrundlage für Honigbienen und andere Blüten bestäubende Insekten seien, und beeinträchtige die Gesundheit von Bienenvölkern. Der Naturschutzbund Nabu stellte jüngst einen massiven Rückgang der Biodiversität und der Zahl der Insekten seit 1990 fest.

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Ist Glyphosat für den Menschen gefährlich?

Welche Auswirkungen der Wirkstoff auf den Menschen hat, ist unter Wissenschaftlern umstritten. Mal zeigte sich in Studien eine krebserregende Wirkung, mal wurde der Wirkstoff für unbedenklich eingestuft. Rückstände von Glyphosat wurden in Lebensmitteln wie Säften und Bier, aber auch in Getreide festgestellt.

Die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) stuft die Chemikalie als "wahrscheinlich krebserregend" ein, wie aber auch rotes Fleisch und Schichtarbeit. Die EU-Behörden weisen das aber zurück. Allerdings wird EU-Behörden und auch dem deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung eine zu große Nähe zur Glyphosat-Lobby nachgesagt. Zugleich gibt es Vorwürfe, der US-Hersteller Monsanto habe Wissenschaftler bestochen, um Studienergebnisse zu schönen.

Landwirt Sievers wehrt sich dagegen, dass er und seine Kollegen als "Volksvergifter" diffamiert werden. Er könne die Bedenken der Verbraucher verstehen, allerdings werde versucht, mit der Angst der Menschen vor Krebs Stimmung gegen die Landwirte zu machen. "Ich bin sofort bereit, auf Glyphosat zu verzichten, wenn es nachweislich krebserregend ist", sagt er. "Aber auf einen blinden Verdacht hin werde ich davon nicht abrücken."

Horst-Henning Steinmann sagt: "Man sollte sich auf die Aussagen der prüfenden Behörden verlassen können, die besagen, dass Glyphosat in dem verwendeten Ausmaß und mit den angewandten Methoden keine Gefahr für Leib und Leben bedeutet."

Gibt es Alternativen zu Glyphosat?

"Es gibt viele Methoden der Bodenbearbeitung, die das Glyphosat ersetzen könnten", erklärt der Forscher Steinmann ferner. "Beispielsweise mechanische Verfahren. Diese können aber wiederum zu einer stärkeren Bodenabschwemmung führen, wenn die Felder abschüssig sind."

Auch seien Aufwand und Preis bei anderen Methoden deutlich höher, erläutert wiederum Sievers. Er und seine Mitarbeiter setzten das Mittel in der Regel nur einmal im Jahr ein, um nach der Ernte die Böden für das Folgejahr vorzubereiten. "Ein Verbot von Glyphosat würde für uns mehr Einsatz, finanziell wie mechanisch, bedeuten, um Unkraut auf den Äckern zu vernichten." Nachteile von Glyphosat habe er bislang nicht festgestellt.

Der Landwirt verweist auch auf den Kostendruck in der Branche: "Man hat die Landwirtschaft auf den Weltmarkt entlassen und Handelshemmnisse abgebaut. Wir müssen versuchen, mit dem Weltmarkt zu konkurrieren. Und dann heißt es: Macht doch mehr Bio. Die Erfahrung aber zeigt, dass die Bevölkerung nicht bereit ist, mehr für ihre Lebensmittel auszugeben."

Wer verkauft Glyphosat?

Monsanto entwickelte den Wirkstoff für die Unkrautvernichtung, 1974 wurde er erstmals zugelassen. Monsanto vertreibt auf Glyphosat basierende Breitbandherbizide etwa unter dem Markennamen "Roundup". Im Jahr 2000 lief das Patent auf die Substanz aus, seither wird Glyphosat von über 40 weiteren Herstellern vertrieben. Monsanto ist aber weiter Marktführer.

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Der Konzern verkauft nicht nur Roundup, sondern auch gentechnisch veränderte Nutzpflanzen (GVO) wie Mais und Soja, die Glyphosat tolerieren. Die Felder können damit auch dann noch behandelt werden, wenn die Pflanzen bereits ein Stück gewachsen sind.

Möglicherweise sind die Tage von Glyphosat in der EU ohnehin gezählt. "Ich denke, dass die jetzt erfolgte Verlängerung der Zulassung durch die EU den Einstieg in den Ausstieg aus dem Glyphosat bedeutet", sagt Horst-Henning Steinmann.

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