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Edmund Stoibers Comeback: Merkels alter Gegner kehrt zurück


Edmund Stoibers Comeback
Merkels alter Gegner kehrt zurück


Aktualisiert am 02.07.2018Lesedauer: 5 Min.
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Edmund Stoiber läuft ins Konrad-Adenauer-Haus: Er war schon weg und verhandelt jetzt über die Zukunft des Landes.Vergrößern des Bildes
Edmund Stoiber läuft ins Konrad-Adenauer-Haus: Er war schon weg und verhandelt jetzt über die Zukunft des Landes. (Quelle: Hannibal Hanschke/reuters)

Edmund Stoiber war Politrentner. Doch seitdem es um Flüchtlinge geht, mischt er sich wieder ein. Jetzt verhandelt der 76-Jährige über die Zukunft einer Regierung. Mit Merkel hat er noch eine Rechnung offen.

Eines der klassischen Motive von Actionfilmen ist die Rückkehr des alten Erzfeindes. Ganz am Ende, wenn der Held schon erfolgreich alle Kämpfe ausgefochten zu haben scheint, trifft er auf einen Gegner, den er sehr gut kennt, aus alten Zeiten. Dann schauen sich beide an und müssen nicht viele Worte machen.

So ungefähr stellt man sich die Begegnung von Edmund Stoiber und Angela Merkel am Montagabend im Konrad-Adenauer-Haus vor.

Einst rangelten sie um die Kanzlerkandidatur, dann gerieten sie während der Kabinettsbildung aneinander. Irgendwann war Stoiber weg, viele Jahre weg. Am Montag aber marschierte er plötzlich hinter Markus Söder als Zweiter der achtköpfigen CSU-Verhandlungsdelegation ins Konrad-Adenauer-Haus, die Parteizentrale der CDU. Merkels Parteizentrale. Mit grimmigem Blick.

Es hatte sich angedeutet

Stoibers Auftritt ist eines der unwahrscheinlichsten Polit-Comebacks der vergangenen Jahre. Doch es hat sich angebahnt. Der ehemalige CSU-Chef schied 2007 aus der aktiven Politik aus. Mischte sich dann wieder ein. Und verhandelt jetzt über die Zukunft der Regierung, der Union, seines Nach-Nachfolgers und der Bundeskanzlerin.

Um zu verstehen, wie unglaublich sein Auftritt ist, muss man sich anschauen, was er in den vergangenen elf Jahren gemacht hat. Um zu verstehen, warum es so bedeutsam ist, muss man verstehen, welche Rolle er im Machtgefüge der CSU spielt – und wie sein Verhältnis zu Angela Merkel ist.

Stoiber triumphierte in Bayern - und wurde weggedrängt

Stoiber, außerhalb Bayerns und manchmal auch dort oft verlacht für seine stotternden Sinnsprüche, war der letzte demokratisch gewählte Quasi-Prinzregent Bayerns. Nach der Amigo-Affäre übernahm er 1993 als Ministerpräsident die Münchner Staatskanzlei. Er gewann dann drei Landtagswahlen in Folge: 1994 holte er 52,8 Prozent. 1998 dann 52,9 Prozent. 2003 übertraf er selbst die Erwartungen der CSU: 60,7 Prozent, die Zweidrittelmehrheit, der absolute Triumph. Seit 1999 führte er außerdem die Partei.

Doch auch Helden werden gestürzt, besonders bei der CSU. Günther Beckstein, der Ministerpräsident wurde, und Erwin Huber, der den Parteivorsitz ergriff, drängten ihn 2007 gemeinsam ins Aus. Seine Karriere in der ganz großen Politik war zu Ende.

Abgetaucht zwischen Akten

In der Folge verschwand er für sieben Jahre als ehrenamtlicher Leiter einer Kommission für Bürokratieabbau in der EU dorthin, wo er sich Berichten zufolge immer schon besonders wohl fühlte: in den Details von Regeln und Akten.

Man hörte, er habe gute Arbeit gemacht, aber man hörte es sehr selten, weil Nachrichten aus dem Innenleben der EU sowieso auf wenig Interesse stoßen, und Nachrichten über eine ehrenamtliche Bürokratieabbaukommission noch weniger.

Vor vier Jahren endete auch diese Mission. Damals war er schon über 70. Auf Stoiber schien endgültig nur noch das Altenheim zu warten.

Von wegen.

Die Flüchtlinge kamen und Stoiber kam zurück

Seit dem September 2015 ist zu beobachten, dass er sich wieder mehr einmischt. Der alte Stoiber ist aus den Brüsseler Akten aufgetaucht, der Stoiber, der scharf und schneidend sprechen konnte, der als Innenminister und Ministerpräsident ein Hardliner war. Er sitzt seither oft in Talkshows und fordert einen harten Kurs in der Flüchtlingspolitik.

Man konnte das vor zwei Wochen in München beobachten. Vor zwei Wochen saß in München im Franz-Josef-Strauß-Haus der CSU-Vorstand beisammen, um zu beschließen, dass Horst Seehofer als Innenminister die Unterstützung seiner Partei haben würde, Abweisungen von Asylbewerbern an der Grenze auch gegen den Willen der Kanzlerin anzuordnen. Vom Flur aus konnte man in den Sitzungssaal schauen. Irgendwann begann Stoiber zu reden, immer engagierter. Er gestikulierte, deutete, schüttelte den Kopf. Minutenlang zeterte er vor sich hin. Am Ende lachten viele Teilnehmer, auch Markus Söder; manche schlugen mit der Hand auf die Tischplatte. Es kam an. Später berichteten Teilnehmer, er habe an die rechtsextremen Republikaner erinnert, die habe man auch durch harte Flüchtlingspolitik kleinbekommen.

Stoiber will sich weiter einmischen und er hat eine klare Position, wenn es um Flüchtlinge geht: Härte. Viele der anderen Alten mahnen zur Mäßigung; Theo Waigel etwa, der andere Ehrenvorsitzende, Alois Glück, Hans Maier, selbst Erwin Huber. Stoiber fordert Schärfe.

Ein Bundesminister wurde für ihn ausgebootet

Vermutlich auch deshalb wurde er jetzt in die Verhandlungstruppe berufen, die eigentlich einen Streit um die richtige Regierungspolitik zwischen Koalitionspartnern lösen soll, mit denen er als Ehrenvorsitzender nicht mehr viel zu schaffen hat.

Trotzdem ist er jetzt dabei, wenn es um so viel geht, während Manfred Weber, der eher liberale Parteivize, der zuletzt mit sanft dissidenten Äußerungen ausgeschert war, nicht verhandeln darf. Auch Gerd Müller, der Entwicklungshilfeminister, der also nicht nur Kabinettsmitglied ist, sondern auch inhaltlich mit Fluchtursachen zu tun hat, ist nicht eingeladen. Auch er machte in den vergangenen Tagen aus seiner Kritik am Kurs der Parteispitze keinen Hehl. Weber und Müller sollen sich am Sonntag in der Aussprache gegen Seehofer, Söder und Dobrindt gewandt haben.

Stoiber aber vertritt den harten Kurs, er hat nichts zu verlieren, er kann stur bleiben. Er gilt außerdem als Mentor und Idol Markus Söders, der heute wohl der einflussreichste Mann in der CSU ist. Sein Verhältnis zu Horst Seehofer gilt als ambivalent, aber immerhin hat Seehofer Beckstein und Huber aus dem Weg geräumt. Schließlich, und das macht Stoibers unwahrscheinliche Aufgabe besonders brisant, verbindet ihn mit Angela Merkel eine konfliktreiche gemeinsame Geschichte.

Ein belastetes Verhältnis

Im Jahr 2002 erklärten beide, Merkel und Stoiber, Interesse an der Kanzlerkandidatur. Die CSU rief Stoiber zum eigenen Kandidaten aus, drei Tage später kam Merkel zum Frühstück nach Wolfratshausen zu den Stoibers. Sie verzichtete auf die Kandidatur. "Für die Einheit der Union sei es besser, wenn ich das mache", habe sie gesagt, so erzählte es Stoiber der "Süddeutschen Zeitung". Er verlor knapp gegen Gerhard Schröder.

Drei Jahre später trat dann Merkel an. Stoiber sorgte für einen Eklat, als er sagte: "Ich akzeptiere nicht, dass der Osten bestimmt, wer in Deutschland Kanzler wird. Die Frustrierten dürfen nicht über Deutschlands Zukunft bestimmen." Damit gefährdete er ihren Wahlsieg. Und man darf annehmen, dass die ostdeutsche Merkel auch persönlich nicht begeistert war. Trotz dieser Irritationen besiegte sie Schröder und wurde Kanzlerin. Stoiber war zwischendurch als Außenminister gehandelt worden, dann als Wirtschaftsminister. Er selbst wollte Superminister werden, wenn schon, nicht ein Irgendwer im Kabinett. Sie wollte das nicht. Eigentlich war ihr sowieso Michael Glos als CSU-Minister lieber. Stoiber warf gekränkt hin, blieb in München, machte nie mehr groß Karriere außerhalb Bayerns.

Das Verhältnis von Stoiber zu Merkel – es belastet zu nennen, wäre noch mild formuliert. Im Herbst 2016 warf er ihr in einem Interview vor: "Du machst Europa kaputt". Es ging natürlich um die Flüchtlingspolitik.

Und jetzt liegt es auch an diesem Edmund Stoiber, der eine klare Position hat, nichts zu verlieren und alten Groll gegen die Kanzlerin, seinen Schützling Söder und den Feind seiner Feinde Seehofer zu flankieren. Die Aussichten auf eine Einigung schwinden dadurch.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Bericht in der "SZ" über das Wolfratshausener Frühstück
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