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Kampfansage gegen Medien: "Seehofer fördert damit die AfD"


Kampfansage gegen Medien
Verschwörungstheorien "ganz oben angekommen"

  • David Ruch
InterviewVon David Ruch

03.08.2018Lesedauer: 3 Min.
Interview
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Horst Seehofer bei seiner Bierzeltrede in Töging am Inn: "Jetzt steht also der böse Seehofer vor Ihnen."Vergrößern des Bildes
Horst Seehofer bei seiner Bierzeltrede in Töging am Inn: "Jetzt steht also der böse Seehofer vor Ihnen." (Quelle: Armin Weigel/dpa)

Weil Innenminister Seehofer eine "Kampagne" der Medien gegen sich wittert, will er wie Trump künftig Twitter als Sprachrohr nutzen. Autor und Journalist Wolfgang Michal kritisiert das scharf.

Horst Seehofer wandelt auf den Spuren von Donald Trump. Der Innenminister und CSU-Chef hat in einer Bierzeltrede in Bayern angekündigt, bald selber twittern zu wollen. Die Begründung ließ im politischen Berlin aufhorchen: Seehofer sagt, er sehe sich dazu gezwungen, "weil manche Wahrheiten ich sonst nicht unter eine breitere Bevölkerung bekomme".

Der Innenminister hatte zuletzt immer wieder beklagt, in den Medien falsch oder verzerrt dargestellt zu werden. Am Donnerstagabend sprach er von einer "Kampagne" gegen sich. t-online.de fragte den Autor und Journalisten Wolfgang Michal, der sich intensiv mit dem Politik- und Medienwandel beschäftigt:

Hat Seehofer mit seiner Klage recht, er könne manche Wahrheiten nicht mehr unter die Bevölkerung bringen?

Wolfgang Michal: Wenn er mit "Wahrheiten" seine persönlichen Ansichten meint, dann schon. Er kann die zwar auch über den Umweg der klassischen Medien "unter die Bevölkerung" bringen, aber dort werden sie vorher geprüft, gewichtet, eingeordnet, analysiert und kommentiert – falls die Medien ihren Job so machen, wie es der Journalistenberuf erfordert.

Es gibt allerdings eine Tendenz auch in den klassischen Medien, Aussagen oder Ansichten von Politikern, die einem nicht gefallen, so zu verpacken, dass die betroffenen Politiker zu der Einschätzung gelangen, meine Aussagen werden bewusst verdreht, aus dem Zusammenhang gerissen, skandalisiert oder hämisch und beleidigend abqualifiziert. Es gibt da viele Techniken, es müssen beileibe keine "fake news" sein, es reicht, wenn bewusst unvorteilhafte Bilder ausgewählt werden, wenn böse Karikaturen auf dem Cover erscheinen oder Überschriften zugespitzt werden.


Auch Strauß, Kohl und Lafontaine haben sich über die Medien beschwert. Neu ist, dass die Politiker zum Gegenangriff übergehen können. Sie können sich über die digitalen Plattformen Twitter und Facebook direkt und ungefiltert ans Volk wenden. Man kann es aber auch weniger pathetisch formulieren. Sie nutzen die im Presserecht vorgesehene Möglichkeit der Gegendarstellung. Nur brauchen sie nicht mehr zu warten, bis die Zeitung sie abdruckt. Sie veröffentlichen ihre Gegendarstellungen einfach selbst, auf Twitter oder Facebook. Ob die Gegendarstellung stimmt, ist unerheblich.

Was heißt es, wenn ein Mitglied der Bundesregierung eine solche Aussage macht?

Dass die Neigung zur Verschwörungstheorie ganz oben angekommen ist. Die Medien, sagt Seehofer, schieben sich zwischen Volk und Regierung. Sie unterdrücken gewisse Wahrheiten, die Politiker wie Seehofer der Bevölkerung vermitteln wollen. Also sind sie Wahrheits- und Volksfeinde. Er wandelt damit auf den Spuren Donald Trumps. Er übernimmt dessen "Elitenkritik" und fördert damit die AfD. Er wird sich wahrscheinlich nicht mehr lange in der Bundesregierung halten können.

Was passiert, wenn so etwas Schule macht, wenn Politiker beginnen, systematisch die Medien zu umgehen, wie US-Präsident Trump es tut?

Seehofer ist nicht der erste Politiker, der twittert oder Leitartikel auf Facebook schreibt. Aber er ist der erste, der das ganz offen als Gegenwehr bezeichnet. Bevor nun aber wieder die ganzen Nazi-Vergleiche kommen: Der Unterschied zu Goebbels Propagandamittel Volksempfänger ist: Bei den sozialen Medien gibt es einen Rückkanal. Und Millionen andere Accounts. Wenn Seehofer denkt, er könne seine Anhänger auf Twitter so einfach um sich scharen wie angetrunkene Bayern-Fans beim Politischen Aschermittwoch, hat er sich getäuscht. Es gibt inzwischen Tausende von Journalisten auf Twitter. Das heißt: die Arena ändert sich, aber die grundsätzliche Gemengelage bleibt die gleiche. Es könnte allenfalls etwas ruppiger werden.

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