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Eutop im Bundestag: Die Lobby-Armada der Ex-Politiker


Auftrag: Bundestag
Die Lobby-Armada der Ex-Politiker

  • Jonas Mueller-Töwe
Von Jonas Mueller-Töwe

08.03.2022Lesedauer: 4 Min.
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Für Eutop knüpfen sie Kontakte im Bundestag: Zahlreiche, auch prominente Ex-Politiker haben sich ins Lobbyregister eingetragen.Vergrößern des Bildes
Für Eutop knüpfen sie Kontakte im Bundestag: Zahlreiche, auch prominente Ex-Politiker haben sich ins Lobbyregister eingetragen. (Quelle: Montage: Ulrike Frey, t-online/Fotos: Galuschka, Becker&Bredel, Reichwein, VISTAPRESS, iStockphoto, Prange, Spicker, Popow, Müller-Stauffenberg,/imago-images-bilder)

Viele ehemalige Politiker und Beamte arbeiten als Berater für eine Lobbyfirma. Die vertritt große deutsche und internationale Konzerne. Auch der ehemalige SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs gehört dazu.

Was haben der ehemalige Chef des Bundeskartellamts, der ehemalige Koordinator der deutschen Nachrichtendienste und der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs gemeinsam?

Die Frage könnte auch anders lauten: Was teilen der ehemalige FDP-Vizepräsident des Europaparlaments, ein ehemaliges Vorstandsmitglied der CDU-NRW und der ehemalige Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag?

Oder wie wäre es damit: Was verbindet den ehemaligen Direktor der Technischen Universität München mit dem ehemaligen Landesvorsitzenden der Grünen im Saarland und dem ehemaligen SPD-Vorsitzenden in Bremen?

Drei Fragen, eine Antwort: Eutop, eine bekannte Lobby-Agentur im Bundestag. Seit Jahren ist sie dafür bekannt, für ihre Dienstleistungen auf ehemalige Mandats- und Amtsträger sowie ehemalige politische Beamte zu setzen. Nun wird durch das Anfang des Jahres neu eingeführte Lobbyregister erstmals öffentlich, wer in ihrem Auftrag im Bundestag tätig wird – und wer zu ihren Kunden zählt.

Das sind die Kunden

Schon die Liste der Auftraggeber der Eutop Europe GmbH ist ausufernd: Vertreten werden unter anderen der Chemie- und Pharmakonzern Bayer, die Deutsche Post, die Technologie-Konzerne Huawei, Infineon und Microsoft, das Rüstungsunternehmen Krauss-Maffei Wegmann, Burda und ProSiebenSat.1 aus der Medienbranche sowie Edeka und Tengelmann aus dem Einzelhandel.

Durch Eutop International und Eutop Brussels kommen weitere Kunden wie die Deutsche Telekom, die Versand-Apotheke DocMorris, der Energiekonzern Uniper, das Tabakunternehmen British American Tabacco und viele weitere hinzu. Als jährliche Aufwendungen im Bereich der Interessenvertretung im Bundestag gibt die Eutop-Gruppe insgesamt bis zu 2,78 Millionen Euro an. Solche Ausgaben werden laut des Lobbyregisters nur von den größten Konzernen und Verbänden übertroffen. Eine Übersicht dazu finden Sie HIER.

Das sind die Lobbyisten

Im Budget inbegriffen dürfte die Armada der Lobbyisten sein, die im Auftrag von Eutop den Kontakt zu Abgeordneten und Bundesregierung suchen. Insgesamt 58 Personen führt das Register als Lobbyisten für die Eutop-Gruppe – darunter sind als selbstständige Berater vier ehemalige Europa-Abgeordnete von SPD, CDU und FDP, zwölf ehemalige Bundestagsabgeordnete von SPD, Grünen, CDU und FDP und mehrere zum Teil hochrangige politische Beamte. Hinzu kommen Ex-Büroleiter von Abgeordneten, ehemalige Parteifunktionäre und parteinahe ehemalige Führungskräfte.

Einer der prominentesten Ex-Politiker darunter ist der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs. Vor nicht einmal zwei Jahren legte er überraschend sein Mandat nieder und trat von allen politischen Ämtern zurück. Hintergrund soll gewesen sein, dass er nicht als Wehrbeauftragter des Bundestags berücksichtigt worden war.

Ermittlungen gegen Kahrs

Damit verlor die SPD einen Netzwerker, dessen Verbindungen weit über die Partei hinaus reichten. Besonders seine Kontakte zur Rüstungsindustrie sorgten immer wieder für Schlagzeilen. Für die Partei kam sein Rückzug allerdings rückblickend nicht gerade zur Unzeit. Wenige Wochen später nahm die Staatsanwaltschaft Köln erstmals Ermittlungen gegen ihn auf: Im Zuge des Cum-Ex-Skandals um die Hamburger Warburg-Bank besteht noch heute der Verdacht der Begünstigung zur Steuerhinterziehung.

Nun berät er die Eutop Europe GmbH mit seinem wenige Wochen nach dem politischen Rückzug gegründeten Unternehmen "Duckdalben Consulting" unter anderem in Sachen öffentliche Finanzen, Steuern und Verteidigungspolitik.

Nicht nur er stellt seine fachliche Expertise in den Dienst der Lobbyisten. Da wäre zum Beispiel die ehemalige finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Christine Scheel, die vor zehn Jahren in die Privatwirtschaft wechselte. Für Eutop nimmt sie heute laut eigenen Angaben Kontakt zu Abgeordneten und Bundesregierung auf.

Ebenfalls zum Eutop-Tross gehört Rainer Wend (SPD), ehemaliger Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, der die Lobby-Agentur zwar nicht als Auftraggeber benennt, aber dort zwischenzeitlich Geschäftsführer war und heute im Beirat sitzt. Er vertritt im Bundestag die Interessen der Deutschen Post, die Eutop ebenfalls zu seinen Kunden zählt. Das liegt nahe, denn aus der Politik führte ihn sein Weg zunächst dorthin in eine hochrangige Position.

Auch Leo Dautzenberg ist heute im Auftrag von Eutop unterwegs. Er gehörte einst dem CDU-Fraktionsvorstand im Bundestag und dem Parteivorstand in NRW an. 2011 hatte er dann beim Energiekonzern Evonik angeheuert. Noch prominenter unter den Eutop-Lobbyisten dürfte aber Ludwig Stiegler sein, der vor seiner Zeit als Lobbyist Anfang der 2000er-Jahre der SPD-Fraktion im Bundestag vorstand und Landesvorsitzender in Bayern war.

Und so ließe sich die Liste noch lange fortführen: Alle im Lobbyregister des Bundestags eingetragenen ehemaligen Politiker im Dienste des Lobby-Unternehmens sind in der Fotoshow zu sehen.

Interessant ist allerdings auch der Werdegang manches politischen Beamten in den Reihen von Eutop. Mit dabei ist Günter Heiß, Ex-Chef des Landesamtes für Verfassungsschutz Niedersachsen und späterer Koordinator der deutschen Nachrichtendienste. Ebenso vertreten ist Bernhard Heitzer, ehemaliger Präsident des Bundeskartellamts. Damals sah er den Wettbewerb unter anderem durch Lobbyismus bedroht. Sein Amt in Bonn sei "zum Glück weit weg von den Lobbyisten". Heute nimmt auch er für Eutop Kontakt zu Abgeordneten und Bundesregierung auf.

Eutop hat Fragen von t-online nicht beantwortet.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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