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"Anne Will" zur Großen Koalition: New York Times bezeichnet sie als "'Zombie'-Koalition"


"Anne Will" zur großen Koalition
"Wir werden dieser Kanzlerin nachweinen"

Eine TV-Kritik von Nina Jerzy

Aktualisiert am 04.11.2019Lesedauer: 4 Min.
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Gabor Steingart in der Sendung von Anne Will: Der Publizist sagte, dass die deutsche Politik Angela Merkel hinterher weinen werde.Vergrößern des Bildes
Gabor Steingart in der Sendung von Anne Will: Der Publizist sagte, dass die deutsche Politik Angela Merkel hinterher weinen werde. (Quelle: Jürgen Heinrich/imago-images-bilder)

Grundrente, Personalstreit, Wahldebakel: Die Groko dreht sich um sich selbst. Brauchen wir vielleicht weniger Berufspolitiker und mehr zur Politik Berufene?

Die Gäste

  • Paul Ziemiak, CDU-Generalsekretär
  • Kevin Kühnert (SPD), Bundesvorsitzender der Jusos
  • Marina Weisband, Autorin und Mitglied der Grünen
  • Kristina Dunz, Journalistin der "Rheinischen Post"
  • Gabor Steingart, Journalist (ehemals "Der Spiegel", "Handelsblatt")

Die Positionen

Paul Ziemiaks Groko-Offenbarungseid fiel fast beiläufig. "Ich habe wenig Hoffnung, dass auch in dieser großen Koalition ein Zukunftsplan für die nächsten Dekaden entwickelt wird. So realistisch muss man sein", bilanzierte der CDU-Generalsekretär den Dauerstreit in der Regierung. An anderer Stelle meinte er lapidar: "Die SPD hätte sowieso zu allem Nein gesagt." Zur Erinnerung: Die nächste Bundestagswahl findet spätestens am 24. Oktober 2021 statt. Was also machen Union und SPD die nächsten zwei Jahre – durchhalten, den Partner schlecht reden, sich für die Wahl feste die Daumen drücken? Regierungsverantwortung sieht anders aus.

Man mag sich gar nicht ausmalen, wie die Regierungspartner wohl in einem Jahr übereinander sprechen werden. Bereits jetzt ist der Ton auf einem Niveau angelangt, der nach innerer Opposition und Dauerwahlkampf klingt. Da ätzte etwa Kühnert über den Syrien-Vorstoß von Annegret Kramp-Karrenbauer: "Ich bin ganz fasziniert darüber, wie wir bei einer Parteivorsitzenden der führenden Regierungspartei und Verteidigungsministerin uns quasi schon daran ergötzen, dass überhaupt mal ein Vorschlag zustande gekommen ist." Und fügte hinzu: "Wir sind aber nicht im Förderunterricht in der dritten Klasse, wo mal irgendwie was ausgemalt wird."

Dann wurde der No-Groko-Kampagnenchef seinerseits quengelig. Die SPD habe in den vergangenen zwei Jahren im Zuge ihrer Erneuerung viele gute Vorschläge gemacht, etwa zur Reaktivierung der Vermögensteuer. "Wir kommen nicht ins Laufen, weder als Partei noch als Gesellschaft, weil uns da eine Partei gegenüber sitzt, die ihre Führungsfragen nicht geklärt hat", sagte Kühnert mit Blick auf die Kanzlerfrage in der Union. Kristina Dunz konnte es irgendwann nicht mehr hören. "Sie lenken ab von dem großen Problem, das die SPD selber hat", kritisierte die Journalistin angesichts der Dauersuche der Sozialdemokraten nach einem neuen Parteivorsitz.

"Die Sollbruchstellen sind jeden Tag sichtbar", attestierte Gabor Steingart der großen Koalition. In der mangele es nicht nur an Vertrauen, sondern auch an einer gemeinsamen Vorstellung von der Zukunft. Gerade diese fehlenden Antworten auf Fragen, die den Menschen auf der Seele brennen, sind nach Ansicht von Marina Weisband der Kern für die Krise der (noch) Volksparteien. "Auf diese Dinge kommen keine Antworten von der CDU und das ist das viel größere Problem, als wer gerade welchen Posten hat", sagte die ehemalige Bundesgeschäftsführerin der Piratenpartei.

Für Steingart gehen die Brüche in der großen Koalition auch mit der Machterosion der Kanzlerin einher. "Auch so eine Kanzlerenergie entweicht irgendwann. Wir kennen das von Helmut Kohl", meint der Journalist. "Sie hat keine Idee von der Zukunft. Es wird schwer, sie zu ersetzen, und gleichzeitig ist es notwendig, sie zu ersetzen. Wir werden dieser Kanzlerin nachweinen und sind gleichzeitig froh, wenn jemand neues kommt."

Das Streitthema des Abends

Die "New York Times" hat die Bundesregierung kürzlich als "'Zombie'-Koalition" bezeichnet. Die mangelnde Handlungsfähigkeit in der Regierung zeigt sich aktuell bei der Grundrente. Kurz vor der Sendung war bekannt geworden, dass ein für Montag geplantes Spitzentreffen um eine Woche verschoben wird. Union und SPD müssen nach dem monatelangen Streit über das Thema noch offene Punkte klären. Dabei geht es vor allem um eine Bedürftigkeitsprüfung. Die Union besteht darauf, die SPD lehnt es ab. Kühnert sprach bei der Bedürftigkeitsprüfung von "Perfidität" und "Respektlosigkeit" gegenüber der Lebensleistung von Menschen.

"Am Ende muss es die treffen, die es auch brauchen", erwiderte Ziemiak und mahnte, die jungen Generationen mit der Finanzierung von Plänen für die Zukunft im Stich zu lassen: "Die Vision ist nicht nur, wie wollen wir leben, sondern wovon wollen wir leben?" Kühnert brachte Vermögensteuer oder Erbschaftsteuer ins Spiel. "Das sind die alten Neiddebatten, die wir schon aus den 90er-Jahren kennen", schmetterte Ziemiak ab.

Das Zitat des Abends

Zufall oder nicht: Mit Ziemiak und Juso-Chef Kühnert saßen zwei Politiker in der Runde, die in jungen Jahren in die Spitzenpolitik eingestiegen sind. Ziemiak war einst ebenfalls Bundesvorsitzende der Jugendorganisation seiner Partei. Dass Beide für ihren Beruf brennen, soll nicht infrage gestellt werden. Aber Weisband warf die wichtige Frage auf: Sollte Politik überhaupt ein "Ausbildungsberuf" und Karriereweg sein? Gibt es so etwas wie einen zu hohen Grad an Professionalisierung, wenn es darum geht, als Teil der Gesellschaft die für deren Zukunft richtigen Fragen und Antworten zu erkennen?

"In einer Partei, die lang genug besteht, schleicht sich irgendwann so ein Prozess ein, eine Funktionärsmentalität", sagte Weisband mit Blick auf SPD und CDU. Wer in diesem "Prozess Partei" etwas werden wolle, müsse an die Macht kommen. "Und die Menschen, die am höchsten kommen, sind die Menschen, die sich am meisten mit diesen Fragen auseinandergesetzt haben und die genau in diesen Bahnen denken. Aber in dieser Zeit des Umbruchs brauchen wir andere Menschen und Menschen, die in anderen Bahnen denken", gab Weisband zu bedenken.

Sie forderte die Parteien auf, sich für Ideen von außen zu öffnen und richtungsweisende Debatten über Themen wie Rente und Pflegenotstand zu führen. Es gehe nicht darum, sich an der AfD abzuarbeiten. Vielmehr müssten die Parteien "selbst Antworten entwickeln, die die Antworten der AfD obsolet machen", sagte Weisband unter dem Applaus des Studiopublikums.

Der Faktencheck

Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dass die Grundrente nur nach Prüfung der individuellen Bedürftigkeit ausgezahlt wird. Die SPD lehnt das mittlerweile ab – und verknüpft den Ausgang des Streits mit dem Schicksal der Groko. "Sollte es keine Einigung bei der Grundrente geben, werde es schwer, den Parteitag im Dezember von einem Verbleib in der Groko zu überzeugen, sagen führende Genossen", berichtete der "Spiegel".


Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte ein Konzept vorgelegt, laut dem rund drei Millionen Menschen Anspruch auf den Aufschlag für Minirenten hätten. Das würde bis 2025 jährlich bis zu 4,8 Milliarden Euro kosten. Die Union hat dieses Konzept abgelehnt.

Verwendete Quellen
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