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Pressestimmen zum Wahl-Eklat in Thüringen: "Christian Lindner muss zurücktreten"


Pressestimmen zum Thüringen-Eklat
"Christian Lindner muss jetzt zurücktreten"

Von dpa, jmt

Aktualisiert am 07.02.2020Lesedauer: 5 Min.
FDP-Vorsitzender Christian Lindner: "Ein Navigator, der vom Kurs abgekommen ist", schreibt der "Kölner Stadt-Anzeiger".Vergrößern des BildesFDP-Vorsitzender Christian Lindner: "Ein Navigator, der vom Kurs abgekommen ist", schreibt der "Kölner Stadt-Anzeiger". (Quelle: Martin Schutt/dpa-bilder)
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Thüringens Ministerpräsident hat nach seiner Wahl mit Stimmen der AfD seinen Rückzug angekündigt – doch der Schaden bleibt. Die Presse sieht ein Versagen des FDP-Parteivorsitzenden Christian Lindner.

Der Ministerpräsident Thüringens Thomas Kemmerich wurde mit den Stimmen der AfD gewählt. Der Vorgang hat parteiübergreifend für Entsetzen gesorgt. Zu verantworten hatten ihn FDP und CDU. Kemmerich kündigte seinen Rückzug an. Doch die Parteien geraten ins Wanken. Ein Überblick über die Meinungen und Analysen in der Presse.

Handelsblatt: "Zunächst versäumte es Christian Lindner, die törichte Entscheidung seiner Thüringer Parteifreunde zu unterbinden, den dortigen Landeschef Thomas Kemmerich bei der Ministerpräsidentenwahl aufzustellen. Lindners zweiter großer Fehler war, dass er Kemmerich nicht unmittelbar nach der Wahl zum Rücktritt aufgefordert hat. Das Vabanquespiel von Erfurt muss in erster Linie Kemmerich angelastet werden, der stur an seinem aberwitzigen Plan festhielt, er könne als "Kandidat der Mitte" ein Zeichen setzen.

Die politische Verantwortung dafür, dass es überhaupt so weit kommen konnte, trägt aber Lindner. Sein Versuch einer Schadensbegrenzung in Form einer Eilmission nach Erfurt kam am Donnerstag zu spät. Dort musste der FDP-Chef gar mit seinem eigenen Rücktritt drohen, um den Amtsverzicht von Kemmerich zu erzwingen. Dass Lindner nun im Parteivorstand die Vertrauensfrage stellt, ist richtig. Nach dem Trauerspiel von Thüringen, das nicht nur der FDP sondern der Demokratie insgesamt geschadet hat, wäre aber auch etwas Selbstkritik wünschenswert gewesen."

Die Welt: "Christian Lindner muss jetzt zurücktreten. (...) Die FDP will bei der Bundestagswahl 2021 als glaubwürdige Kraft jenseits von AfD und Union antreten? Dafür ist Lindners Rücktritt die notwendige Bedingung und die zwingende Konsequenz des neunmalklugen Manövers von Erfurt."

Stuttgarter Zeitung: "Der Flirt mit den völkisch gesinnten Herrschaften um Björn Höcke dürfte die FDP ihre ohnehin prekäre parlamentarische Existenz kosten. Schlimmer aber ist der Schaden, den die Demokratie erleidet. All das Gerede ihrer selbst ernannten Verteidiger über eine Brandmauer, die Verfassungsfeinde ausgrenzen soll, klingt nun hohl und unglaubwürdig."

t-online.de: "Spätestens dieser atemberaubende Donnerstag hat gezeigt: In der gegenwärtigen Verfassung sind die beiden Parteichefs Kramp-Karrenbauer und Lindner nicht geeignet, künftig die Geschicke der Bundesrepublik zu führen. So gesehen können beide von Glück sagen, dass es derzeit noch eine Autorität gibt, die das schwankende politische Lot geraderücken kann: Im fernen Pretoria, fast 9.000 Kilometer von Berlin entfernt, machte die Kanzlerin mit wenigen Sätzen glasklar, was von der Wahl eines Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD zu halten ist."

Süddeutsche Zeitung: "CDU und FDP werden im Bund an der Affäre noch lange schwer zu tragen haben, wenn sie diesen 5. Februar nicht schnell und in aller Klarheit korrigieren. Eine schwarz-grüne Mehrheit nach der nächsten Bundestagswahl zum Beispiel ist wieder schwieriger geworden. Selbst die pragmatischsten Grünen könnten misstrauisch werden, nachdem die CDU in Thüringen den Eindruck erweckt hat, sie toleriere möglicherweise eine Tolerierung durch die AfD.

Die größte Gefahr aber besteht darin, dass sich Wähler der sogenannten bürgerlichen Parteien einfach abwenden von ihren vermeintlichen politischen Repräsentanten. Denn FDP und CDU haben in Erfurt nicht nur Werte verraten, sondern auch jene ihrer Wähler, denen diese Werte wirklich etwas bedeuten."

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Münchner Merkur: "Zurück bleibt ein riesiger Scherbenhaufen: In der FDP rollt die Austrittswelle, über der CDU tobt ein Shitstorm, und die Parteichefs Kramp-Karrenbauer und Lindner sind in ihrer Autorität massiv, vielleicht sogar irreversibel beschädigt. Denn es ist auch ihr Führungsversagen, dass aus dem Unvermögen von Landespolitikern in Erfurt am Ende eine weltweit beachtete Affäre werden konnte, in der Rechtsradikale die Staatsparteien CDU und FDP vorführten.

Den Rechtsextremen um Björn Höcke klandestin die Hand zu reichen, war ein unverzeihlicher Anfängerfehler. Kein deutscher, auch kein ostdeutscher Politiker sollte je vergessen, welch heftige Erschütterungen das auch 75 Jahre nach Kriegsende noch immer in dem Staat auslöst, der einst Hitler und den Holocaust hervorgebracht hat."

Die Welt: "In einer CDU, die eine funktionierende Parteiführung hat, hätte ein Landesvorsitzender sich nicht nonchalant über die Ansage der Bundesvorsitzenden hinweggesetzt, den FDP-Kandidaten nicht zu unterstützen. Nun ist die Frage, die sich wie ein Tag-und-Nacht-Schatten über Annegret Kramp-Karrenbauer gelegt hat, akut wie nie zuvor: Ist sie die Richtige für die CDU?"

Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Der Erfurter Republik, die als Schreckgespenst durchs Land geisterte, war kein langes Leben beschieden. Der Auflösungsantrag ist schon gestellt. In dem Moment, in dem die AfD unter Mithilfe der Thüringer CDU den FDP-Ministerpräsidenten Kemmerich schuf, verbrannte sie ihn auch. (.) FDP-Chef Lindner machte in diesem Fall keine gute Figur. Doch immerhin zieht seine Partei nun als erste in Erfurt den Stecker.

Lindner, der in Berlin lieber nicht als schlecht regieren wollte, leistet damit – Ironie der Geschichte – einen Beitrag zur Rettung der großen Koalition im Bund. (.) Mit dem Austreten des Erfurter Feuers ist auch die Gretchenfrage der CDU – wie sie es mit der AfD hält – noch nicht für alle Zeiten beantwortet. Sie wird so lange wieder aufflackern, wie der Konkurrent rechts außen ein politischer Faktor bleibt."

Kölner Stadt-Anzeiger: "Wer sich von Leuten wie Björn Höcke zur Macht verhelfen lässt, macht sich mit ihnen gemein. Christian Lindner hat genau das nicht verhindert. Dabei ist es eine der wichtigsten Fähigkeiten in der parlamentarischen Demokratie, zu wissen, wann Schluss ist mit Zocken, wann Prinzipienfestigkeit und Haltung gefragt sind. Die Liberalen sind wieder in ein Fahrwasser geraten, das ihnen nur zu vertraut ist: mit Karacho in Richtung Selbstverzwergung! Und am Steuer des schlingernden Gefährts sitzt Christian Lindner – ein Navigator, der vom Kurs abgekommen ist."

Zeit Online: "Was die heutige Demokratie in Thüringen nämlich auch gezeigt hat, ist, dass sie bei aller Verletzlichkeit sehr stark ist. Der Druck, den Kemmerich erlebt hat – medial, politisch, von der Straße – ließ sich eben nicht länger als einen Tag ignorieren. Und es zeigte sich auch, wie aussichtslos ein Regierungsversuch ist, wenn jemand mit einer Mehrheit gewählt wird, für die er sich schämen sollte. Und wenn an dieser Stelle das Lernen anfinge?

Das Lernen, dass man die AfD überflüssig machen kann, ohne mit ihr anzubandeln, ohne zu werden wie sie. Der Schrecken, der hier der Republik in alle Glieder gefahren ist, könnte bestenfalls heilsam sein für alle. Man hat jetzt gesehen, wie schnell es geht. Man hat jetzt gesehen, was es zu bewahren gibt. Also kein Totalschaden, sondern reparabel. Aber was diese 24 Stunden brachten, werden nur Monate, vielleicht Jahre rückgängig machen können."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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