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Dorothee Bär: "Stoiber hat meine Mutterschaft als Zusatzqualifikation gesehen"


Dorothee Bär über Frauen in der CSU
"Stoiber hat meine Mutterschaft als Zusatzqualifikation gesehen"

InterviewVon Marianne Max und Tim Kummert

28.11.2020Lesedauer: 7 Min.
Interview
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Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitales: Sie ist mit 14 in die Politik gegangen.Vergrößern des Bildes
Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitales: Sie ist mit 14 in die Politik gegangen. (Quelle: Hans-Christian Plambeck für t-online/T-Online-bilder)

Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung, setzt sich für eine Frauenquote ein. Warum diese notwendig sei und wie es als Frau in der CSU ist, erzählt sie im t-online-Interview.

Die große Koalition hat sich auf eine Frauenquote in Vorständen größerer Unternehmen geeinigt. Bei vier Vorsitzenden muss nun eine Frau dabei sein. Ein Anteil, über den der CSU-Vorsitzende Markus Söder im vergangenen Jahr mit einer Frauenquote von 40 Prozent in der eigenen Partei weit hinaus preschen wollte – und krachend scheiterte.

Doch glaubt man der Staatsministerin für Digitales und stellvertretenden CSU-Vorsitzenden Dorothee Bär, befindet sich ihre konservative Partei trotzdem im Wandel. Im t-online-Interview erzählt sie, welche Wege für Frauen bereits geebnet wurden und zeigt Hürden auf, die aus ihrer Sicht noch zu überwinden sind.

t-online: Frau Bär, nach der ersten Rede von Kamala Harris als designierte US-Vizepräsidentin schrieben deutsche Zeitungen von der "FAZ" bis zur "SZ" ausführlich über den weißen Hosenanzug von Harris und weniger über die Rede an sich. Hat Sie das geärgert?

Dorothee Bär: Man darf natürlich über Kleidung so viel schreiben wie man möchte. Es ist aber schon eine bezeichnende Schwerpunktsetzung. Haben Sie etwas über den Anzug von Joe Biden gelesen? Ich bin aber eher über die grundsätzliche Begeisterung, die Kamala Harris auslöst, etwas erstaunt.

Erstaunt?

Es ist in Deutschland eine unglaubliche Erleichterung darüber zu spüren, dass jetzt endlich mal eine Frau US-Vizepräsidentin wird. Im Jahr 2020 wird so etwas noch großartig gefeiert, das ist ja mehr als bemerkenswert. Wir haben noch einiges zu tun, damit das kein Grund mehr für eine Party ist, sondern ganz normaler Alltag.

In Deutschland regiert seit 15 Jahren eine Kanzlerin.

Ein beliebtes Argument! Schön, dass Sie es ansprechen.

Gern.

Natürlich spielt das eine Rolle und natürlich ist die Tatsache, dass wir mit Angela Merkel schon so lange eine Frau an der Spitze haben, bahnbrechend gewesen. Früher haben Kolleginnen durchgesetzt, dass Frauen überhaupt im Hosenanzug in den Bundestag gehen dürfen – das war schon vor Angela Merkel, aber die Entwicklung für mehr Feminismus wurde durch sie beschleunigt. Dass wir beispielsweise seit Kurzem ein Still- und Wickelzimmer direkt auf der Plenarsaalebene haben, ist für die Kolleginnen, die jetzt Kinder bekommen, fantastisch.

Das gab es vorher nicht?

Wo denken Sie hin! Man spürt regelrecht, wie sich in der Politik und auch gerade in der Union viel verändert hat in den letzten Jahren, das wäre ohne die Kanzlerin so nicht möglich gewesen. Sie hat die Perspektive dafür geschaffen, sie hat den Weg geebnet.

Wo zeigt sich das?

Zum Beispiel bei der Besetzung von Posten. Mein Parteichef, Markus Söder, hat etwa die CSU-Seite des Kabinetts in Bayern völlig paritätisch besetzt – und zwar absichtlich. Markus Söder lässt fadenscheinige Argumente wie "Wir finden keine Frauen" nicht gelten. Es ist eine Frage des Willens. In der CSU sind nun drei Frauen Stellvertreter des Parteichefs – und zwei Männer. Ich glaube, dass auch beim Bundeskabinett 2021 genau darauf geachtet wird, dass da Frauen angemessen repräsentiert sein werden. Da bricht gerade etwas um. Und das ist auch allerhöchste Eisenbahn, denn der Bundestag ist nur die Spitze des Eisbergs der Parlamente.

Sie spielen darauf an, dass in vielen Kreis- und Landtagen Männer noch in der Mehrheit sind?

Richtig. Schätzen Sie doch mal: Was ist mit der wichtigste Ausschuss eines Gemeinderats auf dem Dorf in Bayern?

Klären Sie uns auf.

Ich verrate es Ihnen: der Bauausschuss. Dort wird entschieden, welche Gebäude wo, wann und in welchem Umfang gebaut werden. Und dort sitzen oft noch zu 100 Prozent Männer, die aber einen immensen Einfluss auf das konkrete Leben der Menschen vor Ort haben.

Demzufolge müssten Sie es schwer gehabt haben, als Sie mit 14 Jahren in die Junge Union eintraten.

Mit 14 ging es aber weniger um Posten, als beispielsweise um die Lokalität, in der man sich trifft: Damals gab es noch kein Nichtraucherschutzgesetz, also saßen wir bei unseren Kreisverband-Treffen stets in verrauchten Gaststätten herum. Meinen männlichen Mitstreitern hätte ich nicht vorschlagen können, dass wir mal in ein nettes Café gehen. Das hört sich jetzt wie eine Nebensächlichkeit an, was es letztlich ja auch ist. Aber wenn Mädchen und junge Frauen entscheiden, wie sie ihre freie Zeit einsetzen, dann setzen sich viele eben nicht gern stundenlang an einen Ort, an dem sie sich nicht wohlfühlen. Man war erst einmal damals jedenfalls mit seiner Meinung nicht in der Mehrheit, dass das kein guter Ort für ein Treffen ist.

Wie gingen Sie damit um?

Ich hab das ja nicht Ewigkeiten zähneknirschend ertragen, ich hab mir dann später schon auch Gehör verschafft und die Orte der Treffen wurden ja auch besser. Wo immer es ging, habe ich dann auch lockere Veranstaltungen durchgesetzt. Die Namen klangen zwar etwas eigenwillig, so etwas wie "Lounge in the City"-Treffen oder "Women After Work"-Partys.

2006 kam Ihre erste Tochter zur Welt, Sie waren damals schon Bundestagsabgeordnete. Wie oft mussten Sie sich schräge Sprüche als arbeitende Mutter in einer konservativen Partei anhören?

Natürlich kamen solche Kommentare auch vereinzelt auf. Aber damals war noch Edmund Stoiber Parteichef und er fand das super. Er hat jedem erzählt, dass ich jetzt Mutter bin – ob ich das wollte oder nicht. Stoiber hat meine Mutterschaft sozusagen als eine Zusatzqualifikation gesehen.

Eine "Zusatzqualifikation", die die konservativen Parteifreunde gut fanden?

Das war eher gemeint als: Sie macht gute Arbeit als Abgeordnete – und jetzt ist sie auch noch Mutter. Er wusste ja von seiner ältesten Tochter, die auch arbeitete und nebenher Kinder großzog, dass das nicht leicht ist.

2018 sagte der Nachfolger von Edmund Stoiber, der damalige CSU-Vorsitzende Horst Seehofer, über Sie: "Doro und ich kennen uns besser, als es vielleicht gut tut." Was denken Sie über diesen Satz?

Das war 2018, als Horst Seehofer als damaliger Parteivorsitzender das CSU-Personal für das neue Bundeskabinett vorgestellt hat. Ich war damals schon seit 16 Jahren im Bundestag und seit 17 Jahren im CSU-Parteivorstand. Horst Seehofer sagte in dem Zusammenhang, dass ich das Amt der Staatsministerin für Digitalisierung mit so viel Nachdruck ausüben werde, dass es für den Parteivorsitzenden nicht immer komfortabel sein werde.

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Sind solche Sprüche nicht frauenfeindlich?

Das ist nun Ihre Interpretation. So etwas kann man immer aus dem Zusammenhang reißen.

Sie nutzen mit großer Leidenschaft die Foto-Plattform Instagram. Wie gehen Sie mit den Kommentaren dort über Ihr Aussehen um?

Na, es ist ja immer besonders einfach, sich mit Äußerlichkeiten auseinanderzusetzen. Da kann jeder mitreden, da hat jeder eine Meinung. Aber wenn die Diskussion dort nur über die Farbe meines Rocks geht oder über die Höhe meiner Absätze, dann scheint es ja inhaltlich wenig Kritik zu geben.

Sie sind von den Kommentaren nie genervt?

Ich bin grundsätzlich nicht genervt. Nie.

Beeindruckend.

Das ist doch eine Einstellungsfrage. Ich bin höchstens mal schlecht gelaunt, wenn ich nichts zu essen bekomme. Aber im Ernst: Ich frage mich manchmal, warum diese Kommentatoren einen so leicht "davonkommen" lassen. Das ist ja für mich eine entspannte Position, wenn es nur um Kleidung geht. Es liegt eben an den Gesprächspartnern, ob sie mich jetzt herausfordern oder eben nicht.

Wird das Aussehen von Männern und Frauen in der Politik unterschiedlich wahrgenommen?

Ich glaube schon, ja.

Woran liegt das?

Männer haben es in der Abwägung, ob sie nun einen grauen, einen dunkelblauen oder einen schwarzen Anzug anziehen, nicht so schwer. Wenn ich es ein wenig zuspitzen wollen würde, könnte ich sagen: Die Varianz in den Kleiderschränken von Frauen ist größer.

Schlagen sich die Unterschiede aus Ihrer Sicht auch bei den Ämtern nieder?

Ja und Nein. Jeder im Bundestag verdient ja gleich viel, egal ob von den Linken oder der CSU, egal ob Mann oder Frau. Das ist alles transparent. Aber nach einiger Zeit habe ich gemerkt, dass es Positionen gibt, die zusätzlich dotiert sind, und um diese Posten reißen sich verstärkt Männer. In Aufsichtsräten von Unternehmen beispielsweise zu sitzen.

Warum ist das so?

Es gab vor einigen Jahren diese Werbung: "Mein Haus, mein Boot und so weiter". Mein Eindruck ist, dass Statussymbole wie die Größe des Dienstwagens, des Mitarbeiterstabs, des Budgets für Männer wesentlich entscheidender sind. Frauen schauen eher: Was kann ich bewirken? Was hat die Politik, die ich mache, für eine Auswirkung? Und nicht, ob ich in einem Golf oder Audi A8 durch die Gegend fahre.

Aber man kann doch auch oft mehr bewirken, wenn man mehr Budget hat und indem man mehr Mitarbeiter hat.

Wenn man mehr Budget und mehr Mitarbeiter hat, kommt es darauf an, das dann auch klug einzusetzen. Und ich bin der festen Überzeugung, dass nicht immer die besten Ideen hat oder sie umsetzen kann, wer mehr Milliarden zur Verfügung hat. Gleichzeitig habe ich die Erfahrung gemacht, dass Frauen bei Gehaltsverhandlungen oder wenn es darum geht, Ansprüche für sich zu reklamieren, deutlich bescheidener sind.

Woher kommt das?

Das ist schon so eine Art Perfektionismus. Frauen wollen dann immer 10 von 10 Punkten erfüllen. Sie sind manchmal zurückhaltender – und ich finde, das sind sie oft zu Unrecht. Für mich zeigte sich dieser Unterschied vor einigen Jahren aufs Deutlichste beim Umgang mit zwei Nobelpreisträgern.

Inwiefern?

Ich habe damals einen deutschen Physiknobelpreisträger gefragt, was er dachte, als er den Anruf vom Nobelpreiskomitee bekam, dass er gewonnen hat. Seine Antwort war nur: "Ich dachte mir: Zeit is es wor'n." Und dann sprach ich kurz darauf mit Herta Müller, der deutschen Literaturnobelpreisträgerin, die ich natürlich auf einer Bühne auch mit diesem Titel ansprach. Und sie sagte dann irgendwann sehr bestimmt: Sie wäre 'die Frau Müller und fertig'. Und ich dachte mir: Genau das ist der Unterschied.

Frau Bär, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Dorothee Bär
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