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Grünen-Parteitag: Weniger Sonnenblumen, viele Lobeslieder


Grünen-Parteitag
Die Basis bleibt misstrauisch

Von dpa
29.01.2022Lesedauer: 4 Min.
Annalena Baerbock gratuliert der neuen Politischen Bundesgeschäftsführerin Emily Büning.Vergrößern des BildesAnnalena Baerbock gratuliert der neuen Politischen Bundesgeschäftsführerin Emily Büning. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa-bilder)
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Auf ihrem einem betont harmonischen Parteitag wirbt die neue Grünen-Spitze für Kompromissbereitschaft und das langfristige Ziel, den Kanzler zu stellen. Ein Teil der Basis fürchtet dabei um Einfluss.

Mit frischem Spitzenpersonal richten sich die Grünen in der neuen Rolle als Regierungspartei im Bund ein. Die bisherige Vize-Parteichefin Ricarda Lang (28) steht im neuen Vorsitzenden-Duo für eine klar linke Agenda, der Realo Omid Nouripour (46) hat Spaß an der gelegentlichen Provokation – zum Beispiel mit einem Seitenhieb auf Altkanzler Gerhard Schröder zum Ausklang seiner Bewerbungsrede beim Online-Parteitag am Samstag.

"Ich bin Omid Nouripour. Als Student habe ich gekellnert, heute kann ich besser kochen als Lars Klingbeil und Friedrich Merz", sagt er über die Vorsitzenden von SPD und CDU. "Ich bitte um euer Vertrauen." Damit spielte er auf einen Spruch Schröders an.

Der SPD-Politiker hatte einst gesagt, ein rot-grünes Bündnis sei zwar möglich. Es sei dabei allerdings klar, wer dabei Koch und wer Kellner sei. Die Grünen, das betonen sie immer wieder, sehnen sich trotz Platz drei bei der Bundestagswahl im September mit 14,8 Prozent nach wie vor nach dem Einzug ins Kanzleramt.

"Wieder in der K-Frage mitspielen"

Sein Ziel sei es, die Partei voranzubringen, um "wieder in der K-Frage mitspielen zu können", erklärt Nouripour. Mit seiner Kandidatur wolle er Menschen mit Migrationsgeschichte motivieren, sich politisch zu engagieren, so Nouripour, der im Iran geboren ist.

Nicht weniger kämpferisch gibt sich seine designierte Co-Parteichefin, die wegen einer Corona-Infektion nicht auf der Bühne im Berliner Velodrom steht, sondern sich wie die mehreren Hundert Delegierten per Internet von zu Hause zuschalten muss.

"Mein Name ist Ricarda Lang, ich bin 28 Jahre alt. Ich sehe aus, wie ich aussehe, und ich bin verdammt stolz, Politik in einer Partei zu machen, in der nichts davon darüber entscheidet, was mir politisch zugetraut wird." Lang wird in sozialen Medien immer wieder angefeindet für ihre Positionen und ihr Erscheinungsbild. Nach Parteiangaben ist sie die jüngste Grünen-Vorsitzende aller Zeiten.

Lang will gestalten

Die beiden scheidenden Parteichefs Robert Habeck und Annalena Baerbock, seit Dezember Minister in der Ampel-Regierung mit SPD und FDP, sind am Freitagabend verabschiedet worden. Nach 16 Jahren Opposition im Bund muss die Partei nun das Verhältnis zwischen Partei, Fraktion und den eigenen Ministern austarieren.

Lang wirbt bei den Delegierten für Kompromissbereitschaft. "Wir machen Politik doch nicht nur, um uns auf die Schulter zu klopfen", sagt sie. "Regieren ist doch keine Strafe, das ist eine riesengroße Chance." Es gehe darum, zu gestalten, nicht "mit einer weißen Weste" am Rand zu stehen. "Bei der Corona-Krise und auch bei der Klimakrise gibt es kein Abwarten", fügt sie hinzu. Auch die Verbesserung der Lage von Familien mit geringem Einkommen sei ihr ein wichtiges Anliegen.

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Lang erhält 75,93 Prozent der abgegebenen Stimmen, Nouripour kommt gegen zwei Mitbewerber auf 82,58 Prozent. Die digitalen Voten müssen nun noch per Briefwahl bestätigt werden, was bis zum 14. Februar geschehen soll. Erst danach sind die beiden Neuen auch formell im Amt.

Die Basis bleibt misstrauisch

Doch bei allem Glück über die lang ersehnte Verantwortung: Zwischen den Zeilen ist auch Misstrauen gegenüber der Macht zu lesen. Während es die CDU lange als Selbstverständlichkeit begriff, dass Kanzlerin Angela Merkel zugleich Parteivorsitzende war, ist den Grünen die Trennung von Parteiamt und Mandat ein heiliger Grundsatz, wenn auch mit Ausnahmen.

Ein Vorstoß für eine noch striktere Trennung scheitert in der Nacht zum Samstag. Der Versuch der Parteiführung, die Hürden für Anträge zu Parteitagen deutlich zu erhöhen, schafft es ebenfalls nicht, wenngleich eine moderate Erhöhung von 20 auf 50 Unterstützer verabschiedet wurde. Delegierte fürchten um basisdemokratische Grundsätze.

Vor allem aus den Reihen älterer Grüner kommen Vorschläge, die darauf hinausliefen, die Macht der Parteibasis gegenüber den Regierungsmitgliedern und Abgeordneten zu stärken.

In der Pause: Tipps für Zimmerpflanzen

Jüngere Delegierte konzentrieren sich dagegen eher auf Forderungen nach ambitionierteren Klimaschutz-Maßnahmen, Unterstützung für die Rettung von Migranten aus Seenot im Mittelmeer und konkreten Entlastungen für Menschen mit sehr niedrigen Einkommen.

Dass die Basis Vorgaben der Parteispitze nicht einfach abnickt, zeigt sich, als ein Delegierter bemängelt, dass die Mitglieder Ende vergangenen Jahres über die Zustimmung zum Koalitionsvertrag und das grüne Personaltableau im Paket abstimmen sollten. Sein Vorschlag, dass künftig über alle Fragen jeweils einzeln abgestimmt werden muss, erhielt zwar nicht die für Satzungsänderungen erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit. Doch immerhin votierten knapp 49 Prozent der Delegierten dafür.

Rein optisch wirkt der Parteitag sachlicher als üblich. In der Pausenunterhaltung des Moderatorenteams spielen Pflegetipps für wasserspeichernde Sukkulenten als Zimmerpflanzen zwar eine große Rolle ("Gerade die Efeutute ist mega-unempfindlich."). Die üblichen Hintergrundfotos von wogenden Wäldern und lichtdurchfluteter Natur fehlen aber, in der Dekoration überwiegen klare Linien in Pastellfarben. So wenig Sonnenblume ist selten bei Grünen-Parteitagen. Frisch gewählte und scheidende Top-Grüne schwenken bunte Tulpensträuße.

Minutenlange Lobeslieder

Die neue Nüchternheit erfasst aber nicht das Zwischenmenschliche. Wo scheidende Mitglieder des Parteivorstandes bei anderen Parteien höchstens ein "Danke" und ein paar Blumen zu erwarten haben, singen die Grünen jedem und jeder Einzelnen ein minutenlanges Loblied und umarmen einander.

"In einer Welt der Politik, in der es sich manchmal so anfühlt, als sei sie vollgestopft mit aufgeblasenen Egos, ist Jamila häufig eine sehr wohltuende Abwechslung", sagt die Europaparlamentarierin Terry Reintke über Jamila Schäfer, die sich aus dem Bundesvorstand verabschiedete. Reintke dankt ihr "für dein helles, warmes Lachen". Im Großen und Ganzen sind die Grünen ziemlich zufrieden mit sich.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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